Mit einer Geburtstagsshow zum Siebzigsten wollte das Erste dem alt gedienten Showmaster Jürgen von der Lippe eine Freude machen. In der Tat hatte der Moderator am Ende der Sendung Tränen der Rührung in den Augen. Ein Moment, den sich vor allem der Zuschauer hart erarbeitet hat.

Christian Vock
Eine Kritik

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Einen verdienten Entertainer in einer Geburtstagsshow hochleben zu lassen, das ist so ein bisschen wie ein Abschiedsspiel beim Fussball.

Wer bekommt überhaupt eines? Wer darf mitspielen: echte Promis oder doch wieder nur Giovanni Zarrella, weil der halt kicken kann?

Und: Sind genug Leute dabei, die auch in der 80. Minute noch Luft haben, damit die Zuschauer nicht gehen?

Kurzum, es geht um nichts, ausser darum, dem Ehrengast eine Freude zu bereiten und mit ein bisschen Glück den Zuschauer zu unterhalten. Gehen wir also einmal die Fragen durch: Sollte Jürgen von der Lippe überhaupt eine Jubiläumssendung bekommen?

Lehnt man solche Sendungen nicht generell ab, kann die Antwort nur lauten: Ja, selbstverständlich. Wenn nicht er, wer dann? Jürgen von der Lippe ist und war eine Fernsehinstitution.

Nicht immer ganz vorne, aber mindestens in der zweiten Reihe hinter Grössen wie Thomas Gottschalk oder Frank Elstner.

Vor allem war Jürgen von der Lippe einer, der den Übergang vom eher galant-biederen Unterhaltungsfernsehen à la Hans-Joachim Kulenkampff zum lauten, anarchischen Fernsehen mit einleitete und gestaltete.

In seinen Sendungen "Donnerlippchen" oder "So isses" hat er Sachen gemacht, bei denen selbst heutige Shows geradezu lahm aussehen. "Da kam einer, der war anders", sollte der Moderator der Show Jörg Pilawa von der Lippes Stellung in der deutschen TV-Geschichte zusammenfassen.

Es zieht sich

Kommen wir zu den Gästen. Wer durfte am Samstagabend bei "Mensch Jürgen! Von der Lippe wird 70" mitspielen? Vorneweg: Giovanni Zarrella war nicht dabei.

Stattdessen waren zum einen Leute geladen, die man tatsächlich als Weggefährten von der Lippes bezeichnen kann: Annette Frier, Jürgen Vogel, Jane Comerford, Carolin Kebekus, Marijke Amado oder der obligatorische Karl Dall.

Weniger offensichtlich waren hingegen die Auftritte von Turner Marcel Nguyen oder Sänger Andreas Gabalier, andere Weggefährten wie zum Beispiel Otto, Harald Schmidt oder Mike Krüger gratulierten lediglich via Videobotschaft.

Allesamt durchaus Gäste, mit denen man einen launigen Fernsehabend haben kann. Dass es aber keiner wurde, hat viele Gründe. Zum einen die Länge. Eine dreistündige Geburtstagsshow wird irgendwann zwangsläufig zäh.

Jürgen von der Lippe in einer Dreiviertelstunde abzuhandeln, wäre ihm zwar nicht gerecht geworden, aber spätestens nach einer Stunde zog es sich dann doch.

Die Zeit alleine wäre dabei noch nicht einmal das Problem gewesen, hätte man sie wenigstens sinnvoll gefüllt, aber bereits der zweite Gag von Pilawa ging in die Hose.

Nun konnte man, wenn man wollte, darüber schmunzeln, dass der 70-jährige von der Lippe mit einem Treppenlifter für Senioren durchs Publikum zur Showcouch fahren musste.

Als er dann aber noch auf einem Fernsehsessel Platz nehmen musste, der dann nicht funktionierte - spätestens hier hätte man mit den Geriatrie-Spässen Schluss machen sollen.

Stattdessen plauderten Pilawa und von der Lippe über vergessene Medikamente und ihre Allergien. Humoristisch gesehen war das leider der Wegweiser, wohin es an diesem Abend gehen sollte.

Jürgen von der Lippe: "Keine Lust, damit aufzuhören"

Es war Comedian Chris Tall, der zeigte, wo Humor im Jahr 2018 steht, ansonsten war eher Schmalhans Küchenmeister.

Von der Lippe und Co. erzählten Witze aus der Mottenkiste, also aus einer Zeit, in der man noch "aus der Mottenkiste" sagte, Pilawa liess Spielchen wie "mit einem Korken im Mund sprechen" spielen und Karl Dall plünderte sein Altherrenwitze-Konto an Sprüchen, die schon in den 1970ern nicht witzig waren.

Dazwischen presste man das Pflichtprogramm: Szenen aus von der Lippes Showgeschichte, ein bisschen Gesang und natürlich ein paar Anekdoten von der Lippes und seiner Weggefährten.

So wusste man dann nach der Show zum Beispiel, dass einige Kandidaten bei "Geld oder Liebe" gar keine Singles waren oder dass von der Lippe mal einen Zauberladen hatte. Für eine ordentliche Geburtstagsparty ist das natürlich ein bisschen dünn.

Was also hätte man anders machen sollen? Eine schwierige Frage, denn irgendwie passt so ein Abend zu Jürgen von der Lippe und auch zu einem Teil seines Zielpublikums.

Es gibt eben immer noch genügend Menschen, die Lieder wie "Guten Morgen, liebe Sorgen" auch heute noch witzig finden.

Auf der anderen Seite wird so ein Abend dem Jürgen von der Lippe nicht gerecht, der früher einmal das Fernsehen auf den Kopf stellte, der frech war und schlagfertig.

Vielleicht hätte man ihn mehr geehrt, wenn man ihn die Show selbst hätte moderieren lassen, statt ihn bespassen zu wollen. Dass von der Lippe Fernsehunterhaltung kann, hat er ja oft genug bewiesen.

Als ganz zum Schluss Johannes Oerding von der Lippes Lieblingslied von Wolfgang Petry "Nichts von alledem" für ihn singt, hat der Jubilar Tränen der Rührung in den Augen. Ob ihm der Rest selbst gefallen hat? Kann gut sein, vielleicht hätte er sich aber auch ein bisschen mehr Wumms gewünscht.

Verabschieden will sich von der Lippe noch lange nicht: "Es ist das, wofür ich geboren bin und ich habe überhaupt keine Lust, damit aufzuhören."

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