Mit einer umfangreichen Reportage fragte RTL-Journalist Peter Kloeppel am Donnerstagabend: "Wie lösen wir die Flüchtlingskrise?" Eine nicht mal eben kleine Aufgabe, doch Kloeppel und sein Team kommen einer Antwort nicht wirklich nahe. Stattdessen ist die Reportage eher ein Beschreiben der Probleme.

Christian Vock
Eine Kritik
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"Wie lösen wir die Flüchtlingskrise?" – der Titel der Reportage von RTL-Journalist Peter Kloeppel ist ein uneinlösbares Versprechen. Ein Versprechen, denn natürlich erwartet der Zuschauer der Reportage nicht nur die Frage nach einer Lösung, sondern auch eine Antwort, also genau diese Lösung. Uneinlösbar ist dieses Versprechen, weil es wohl kaum zu erwarten ist, dass Peter Kloeppel und sein Team in den Recherchen der knapp 90-Netto-Minuten-Reportage schaffen, was seit Jahren nicht gelang.

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Dass Kloeppel und sein Team keine Lösung finden werden, mag auch daran liegen, dass die Titelfrage einige Unzulänglichkeiten aufweist. Zum Beispiel die Frage, was genau denn gelöst werden soll. Die Fluchtursachen? Dass Menschen auf der Flucht sterben? Dass ihnen hier Hass und Vorurteile entgegenschlagen? Dass die Menschen auch menschenwürdig untergebracht werden? Dass sie eine Perspektive bekommen? Dass die Menschen, die sich um Geflüchtete kümmern, genügend Unterstützung bekommen? Dass nicht genug abgeschoben wird?

Stacheldraht und Vorurteile

Was genau Kloeppel also lösen will, bleibt – zumindest erst einmal – unklar, genauso wie zwei weitere Fragen. Zum einen, wen er denn mit "wir" meint. Die Geflüchteten, die Behörden, die Menschen vor Ort? Zum anderen, wen Kloeppel mit "Flüchtlingskrise" adressiert. Oder anders formuliert: Wessen Krise meint Kloeppel? In der Regel werden darunter die Herausforderungen verstanden, vor denen die aufnehmende Gesellschaft steht. Man könnte allerdings meinen, dass eine Flucht zuerst für die Flüchtenden eine Krise ist und dann erst für die Aufnehmenden.

Und so verwundert es nicht, dass Kloeppels Reportage nicht nur mit diesen Definitionsschwächen beginnt, sondern auch mit der vermeintlichen Last der Aufnehmenden. Kloeppels Team ist nach Ziesendorf, einem 600-Seelen-Ort in Mecklenburg-Vorpommern gereist, weil dort eine Unterkunft für Geflüchtete entstehen soll.

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Die Reporter treffen dort auf Menschen, die sich bei der Entscheidung vom Landkreis übergangen fühlen, aber auch Menschen, die sich schon einmal vorsorglich mit Stacheldraht schützen, weil sie ein "ungutes Gefühl" haben wegen der Menschen, "die sich häufig nicht benehmen können."

"Warum soll’s gerade in Ziesendorf laufen?" - Warum nicht?

"Die Angst ist gross und der Widerstand in der Gemeinde gegen die geplante Unterkunft wächst", fasst Kloeppel die Situation in Ziesendorf zusammen, wo es eine Bürgerinitiative gibt, die die Unterkunft noch verhindern will. Aus praktischen Gründen, weil man sich sorgt, was die Geflüchteten denn den ganzen Tag auf dem platten Land machen sollen, aber aufgrund von Vorurteilen, was die Männer denn aus Langeweile Schlimmes anstellen könnten.

"Warum soll’s gerade in Ziesendorf laufen?", fragt eine Frau während des Plakate-Malens der Bürgerinitiative für die bevorstehende Bürgerversammlung. Warum sie Plakate gegen die Unterkunft malt, statt diese Zeit in Pläne zu stecken, wie es laufen kann, wie man diese ganz praktischen Probleme vielleicht in Angriff nimmt, erfährt der Zuschauer nicht. Weil der Reporter aber auch nicht danach fragt.

Aber dieser Vorrang des Negativen passt zu dem, was die Sozialdezernentin des Landkreises Rostock, in dem Ziesendorf liegt, über die Gründe erzählt, warum man sich für Ziesendorf entschieden habe. Es habe einfach kein alternatives Objekt gegeben, erklärt die Dezernentin, aber auch: "Wenn wir die Einrichtung einer Unterkunft von der Zustimmung eines Ortes abhängig machen würden, dann hätten wir nicht eine einzige Unterkunft im Landkreis, weil es grundsätzlich auf Ablehnung stösst."

Dänemarks Asylpolitik: "Mehr Schein als Sein"

Wie in so einer Stimmung aus praktischen Sorgen, Vorurteilen und genereller Ablehnung bevor überhaupt nur ein einziger Geflüchteter in der Unterkunft ist, auch nur irgendeine Krise gelöst werden kann – hier hinterlässt die Reportage ein erstes Fragezeichen und es sollen noch ein paar folgen.

Kloeppel und sein Team ziehen weiter, besuchen eine Container-Unterkunft im hessischen Lorsch, die zeigt wie wenig das Vorurteil der sozialen Hängematte der Realität entspricht. Gleichzeitig schafft es Kloeppel im Gespräch mit einem Geflüchteten zu zeigen, dass der Mann nichts weniger will, als das, was alle Menschen möchten: ein besseres Leben.

Diese menschliche Sicht gelingt Kloeppel und seinem Team gleich mehrere Male, man könnte auch sagen: sie ist Prinzip. In Istanbul versuchen die Reporter, das Geschäft von Schleusern zu beleuchten und treffen auf einen jungen Syrer, der verzweifelt versucht, nach Europa zu kommen, um sich ein Leben aufzubauen.

Die Reporter besuchen einen Sachbearbeiter im Asylbereich, zeigen dessen Arbeit, sie sind bei einem Abschiebeflug aus Leipzig dabei, treffen drei jugendliche Migranten, die straffällig geworden sind, aber eine zweite Chance bekommen haben, sie begleiten zwei gut integrierte Brüder, die trotzdem abgeschoben werden, sie besuchen einen Geflüchteten in Dänemark, um die dortige äusserst restriktive Asylpolitik zu zeigen, die immer als Vorbild genannt wird, aber wohl "mehr Schein als Sein" ist.

"Vertrauen Sie nicht auf einfache Antworten!"

Peter Kloeppel

Mit anderen Worten: Kloeppels Reportage betreibt grossen Aufwand, will "die Flüchtlingskrise" mit vielen Facetten zeigen. Am Ende zeigt Kloeppel aber doch vor allem Negatives. Das ist auch in Ordnung so, wenn es die Probleme zeigen und benennen soll. Ein Unter-den-Tisch-kehren nützt niemandem. "Sagen, was ist", lautet eine journalistische Maxime. Das machen Kloeppel und sein Team zweifelsohne. Beim "Sagen, was auch ist", haben sie hingegen ihre Schwierigkeiten. Denn wenn man eine Lösung sucht, wie es der Titel verspricht, dann muss man nicht nur die Probleme zeigen, sondern auch die Geschichten des Gelingens.

Die kommen aber in Kloeppels Reportage zu kurz. Immerhin zeigt er eine ähnliche Unterkunft wie die in Ziesendorf, um die Vorurteile und Sorgen der Anwohner zu entkräften, denn dort gibt es keinerlei Probleme, man lebe einfach nebeneinander her. Dieser Realitätscheck mag für einen kurzen Moment die Stimmung versachlichen, hilft aber kaum, die Grundlage für eine Lösung zu schaffen, genauso wenig wie Kloeppels Bemerkung, die Reportage führe durch "ein Land voller Sorgen".

Was beim Finden einer Lösung ebenfalls nicht hilft, ist der Umstand, dass Kloeppel nur in Deutschland nach einer Lösung sucht. Denn die "Flüchtlingskrise" ist zuerst einmal eine "Fluchtkrise". Das ist keine Wortspielerei, sondern verschiebt die Perspektive hin zu globalen Lösungen, insbesondere, da die Klimakrise Migrationsbewegungen in Zukunft noch verstärken wird. Umso erstaunlicher, dass Kloeppel in seiner Reportage zwar viele Vor-Ort-Termine macht, aber kaum mit Menschen in politischer Verantwortung spricht.

Man merkt, dass Kloeppel und sein Team viel wollen mit ihrer Reportage und auch viel schaffen. Sie lassen Menschen zu Wort kommen, bringen Statistiken, hinterfragen und streuen hin und wieder Empfehlungen ein, etwa, dass es hilft, Menschen schneller in Arbeit zu bringen.

Eine wirklich handfeste Lösung gibt es aber nicht, stattdessen holt Kloeppel zum Fazit aus: "Migration birgt auch Chancen, aber die Herausforderungen sind ungleich grösser." Wie mit so einer Stimmung aus Sorgen Zuversicht und aus Ohnmacht Tatendrang werden soll, ist fraglich. Immerhin schliesst Kloeppel noch mit einer wirklich guten Empfehlung: "Vertrauen Sie nicht auf einfache Antworten!"

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