Seit 25 Jahren verbindet Oliver Kalkofe in seiner "Mattscheibe" Humor und bissige TV-Kritik. Dafür spendiert ihm Tele5 einen TV-Marathon, der es in sich hat. Im Exklusiv-Interview spricht der Comedian über Zensur, die Vorteile des Nischen-TV und fehlenden Mut bei den grossen Sendern.

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Ein Vierteljahrhundert - so lange schon ist Oliver Kalkofe mit seiner "Mattscheibe" so etwas wie das Gewissen der Fernsehlandschaft. Er schaut den Machern vor und hinter der Bühne auf die Finger und hält ihnen gnadenlos den Spiegel vor. Seine Parodien von Kader Loth, AstroTV oder dem unvergessenen Achim Menzel haben längst Kult-Status erreicht.

Anlässlich dieses Jubiläums ehrt Tele5 den "Kalkinator" mit einem ganz besonderen Special: Am Donnerstag gibt es ab 23:00 Uhr sage und schreibe 25 Stunden lang das Beste aus 25 Jahren "Kalkofes Mattscheibe"! Für uns ein schöner Anlass, mit ihm über das Jubiläum, "Blackfacing" und Influencer zu sprechen.

Herr Kalkofe, hätten Sie sich jemals vorstellen können, dass aus der "Mattscheibe" so eine grosse Geschichte wird?

Nein, niemals! Das Lustige ist ohnehin, dass ich in meiner ganzen Karriere nie einen Plan verfolgt habe. Weil ich Lust darauf hatte, bin ich nach dem Studium zum Radio und dann zum Fernsehen gekommen. Aber ich dachte immer, dass ich viel zu dick und zu hässlich wäre fürs Fernsehen.

Dass ich dort lande - trotz der Mängel - und es so lange durchhalte und das alles auch noch mit einer Sendung, die anfangs fast ohne Budget 25 Jahre lang überlebt hat und so eine Menge an treuen Fans hinter sich hat, hätte ich nicht gedacht.

Das wird mir jetzt auch erst richtig bewusst, weil ich jeden Tag an dieser Jubiläumsgeschichte arbeite. Da habe ich diese kurzen Momente, in denen ich denke: "Ach, das hast ja alles du gemacht. Das ist ja alles deins."

Nischensender wie Tele 5 – sind die der Spielplatz, auf dem man mehr ausprobieren kann? Oder haben Sie auch mal gedacht: "Och, Primetime in der ARD wäre schön"?

Ich habe in den ganzen Jahren gelernt, dass man in der Nische am meisten Platz hat. Aber wenn man ein kleines Haus hat, in dem nicht so viele Leute wohnen und in dem man sich frei bewegen darf, ist das viel toller, als in einer grossen Villa zu leben, in der man das Zimmer nicht verlassen darf und man sich mit Hunderten Leuten das Badezimmer teilen muss.

Kalkofe: "Mit Mut kann etwas Tolles entstehen"

Ich bin viel lieber bei einem Sender wie damals bei Premiere und heute bei Tele 5, bei denen ich wahnsinnige Ideen habe und die sagen: "Ja, mach' die." Die Mattscheibe wäre nicht entstanden, wenn Premiere damals nicht gesagt hätte: "Ja, das versuchen wir mal. Wir haben zwar keine Ahnung und auch kein Geld, aber du hast Zeit zum Experimentieren."

Wenn man den Mut hat etwas auszuprobieren, dann kann etwas ganz Tolles entstehen. Das ist bei den Privaten und auch bei den Öffentlich-Rechtlichen leider kaum noch so. Deswegen wird meist nur kopiert, was wo anders schon einmal erfolgreich war. Die eigene Kreativität wird komplett ausgebremst, weil man Angst davor hat, dass etwas nicht klappen könnte.

Quellen für Ihre Parodien sind ja längst nicht mehr nur TV-Shows, sondern auch YouTube und die sogenannten Influencer. Kommen Ihre Fans aus den Anfangstagen da noch mit, oder fragen die sich manchmal: Wer zur Hölle soll das denn bitte sein?

Ganz am Anfang sind wir eher auf die ganz grossen Sachen gegangen. Ab der Jahrtausendwende gab es dann so viele Sendungen, dass die Zuschauer der "Mattscheibe" sich schon damals gefragt haben: Was ist das denn? Denn es gibt immer die, die keine "Scripted Reality"-Sendungen am Nachmittag schauen und nicht glauben können, dass das wirklich im Fernsehen gelaufen ist.

Das ist bei YouTube natürlich auch so. Es ist eine ganz neue Welt. Manche der "Mattscheibe"-Zuschauer kriegen das jetzt erst so langsam mit, weil sich auch die alteingesessenen Medien - wie eben Fernsehen - plötzlich um YouTube und Influencer kümmern.

Früher war jemand dafür prominent, weil er irgendetwas kann, geleistet oder getan hat, heute geht es nur noch um Präsenz. Es ist schon traurig, dass es in den Medien nicht darum geht, was irgendjemand zu sagen hat oder kann oder ist, sondern nur der angenommene Hype um eine Person vorne steht.

Viele Klicks sind gut. Arsch und Titten zeigen, damit geklickt wird, ist wichtig. Einen Arsch haben wir alle, aber manche fotografieren ihn vor dem Spiegel und werden dann zum Star. Das ist schon erschreckend, dass das so häufig funktioniert.

Aber die Medien machen da leider mit und geben diesen Menschen eine Wichtigkeit, die sie nie hatten und ihnen auch gar nicht zusteht und machen sie zu Stars.

Als Comedian steht man oft in der Kritik. Heutzutage kommt viel davon aus dem Lager der vermeintlich Guten. Es scheint manchmal, als gebe es eine Art Humor-Polizei, die sagt, dass man über bestimmte Gruppen keine Witze mehr machen darf. Hat das Einfluss auf Ihre Arbeit?

Ich verändere deswegen nichts und mache weiterhin das, was ich für richtig halte. Ich habe mir aber schon immer bei jedem Sketch die Frage gestellt, ob die Herangehensweise so richtig ist oder nicht. Wir haben bei der "Mattscheibe" immer versucht, uns nicht die Menschen an sich Vorzunehmen gehen, sondern ihre Fernsehpräsenz.

Die Grenze zwischen vernünftigem Umgang und Zensur ist gross. Ein Beispiel: Wenn ich Roberto Blanco oder Detlef D. Soost, also einen Dunkelhäutigen mit ebenfalls dunkel gefärbter Haut spiele, kommt danach immer ein Kommentar mit dem Vorwurf von "Blackfacing". Da könnte ich mit dem Kopf auf den Tisch schlagen und laut schreien, weil das von Leuten kommt, die gar nicht wirklich wissen, was sie warum kritisieren und vor kurzem noch gar keine Ahnung davon hatte, was "Blackfacing" überhaupt ist und wo der Begriff herkommt.

Er kommt aus einer Zeit, in der sich Weisse über Schwarze lustig gemacht haben und sich Schuhcreme ins Gesicht geschmiert haben um am Theater den "lustigen Neger" darzustellen, wie man ihn damals noch nannte. Das war natürlich unter aller Sau und darf so nie wieder geschehen. Wenn man sich über jemanden lustig macht, weil er schwarz ist und sich deswegen schwarz anmalt, ist das scheisse und es ist gut, dass das nicht mehr geschehen darf.

Die eigene Vernunft als Massstab für alles

Aber wenn ich jemanden parodiere, dann verkleide ich mich als Frau, wenn es eine Frau ist, dann habe ich blonde Haare, wenn die Figur blond ist. Ich mache nach, was ich nur kann. Ich kann nämlich alles nachmachen, ausser schlank. Wenn ich Roberto Blanco als Einzigen weiss spielen würde, das wäre hochgradig rassistisch!

Die eigene Vernunft sollte daher immer der Massstab für alles sein. Und wenn Leute einfach nur etwas mitschreien, sei es aus Empörung oder Wut, ist das immer dumm. So kann man durch etwas, das komplett richtig gemeint ist, trotzdem immer etwas komplett Falsches erreichen.

Als ich Anfang der 90er in der Comedy beim Frühstücksfernsehen angefangen habe, gab es noch viele Themen, über die man eigentlich nicht scherzen durfte, so wie zum Beispiel Tod, Behinderung, Schwulsein. Wir haben uns aber schon immer über alles lustig gemacht, was das Leben ausmacht. Man muss nur aufpassen, wie man damit umgeht. Die Satire findet man nicht im Anders-sein, sondern im Umgang der Umwelt mit dem Anders-sein.

Sie sind nicht nur dafür bekannt, das Fernsehen zu kritisieren, sondern haben auch eine eindeutige politische Haltung. Auf Facebook zeigen Sie regelmässig, welche teils heftigen Kommentare Sie bekommen. Geht das nicht an die Substanz - und ist es das wert?

An manchen Reaktionen merke ich, dass ich die richtigen Leute vorgeführt habe und die es deshalb auch verdient haben, sonst würden sie sich ja nicht so aufregen. Das ist für mich eine Bestätigung. Ausserdem habe ich es immer als meine Aufgabe gesehen, mit Comedy Probleme zu verarbeiten.

Ich wollte mit meinem Humor immer die Leute zum Lachen bringen, aber auch etwas aussagen. Dabei bleibt es auch. Inzwischen gibt es viele Leute die sagen: "Früher warst du witzig, jetzt nicht mehr, weil du politisch bist." Was ist das für ein Quatsch?

Kalkofe: "Werde nicht aufhören, meine Meinung zu sagen"

Einer hat mir mal geschrieben: "Ich verbrenne jetzt alle alten Kassetten". Ja, schön. Der bestraft sich doch nur selbst. Er erlaubt sich nicht mehr, über Dinge zu lachen, die er jahrelang komisch fand, nur weil ich vielleicht eine andere politische Meinung habe als er.

Ich lasse ihm ja auch seine Meinung und sage nicht: "Ich will nicht, dass du meine Sendung guckst!" Das kann ich ja auch nicht entscheiden. Ich werde nicht still sein und aufhören, meine Meinung zu sagen. Wenn mich einige dann nicht mehr mögen oder nicht mehr lustig finden, dann auf Wiedersehen!

Welche Parodie oder welcher Promi aus den vergangenen 25 Jahren ist denn Ihr Favorit?

Für die 25 Stunden, die am Karfreitag laufen, sind wir die ganzen Archive durchgegangen. Ich habe so viel gesehen, an das ich mich gar nicht mehr erinnern konnte. Es sind inzwischen zwischen 2.000 und 3.000 Clips. Also ein Irrsinn an Menge.

Wir könnten statt einem Tag auch eine Woche zeigen, wenn wir alles senden würden. Aus dieser irrsinnigen Menge irgendwelche Favoriten zu wählen ist unmöglich, aber Achim Mentzel ist natürlich für immer die Nummer 1 in meinem Herzen.

Für die Gala durften die Leute 25 Clips wählen, die sie qualitativ aus den letzten Jahren am besten fanden. Die 25 Besten, aber da fehlen sicher noch 100 andere, die eigentlich mit in die Top-Ten gehören, weil in den 25 Jahren so unfassbar viel entstanden ist.

Vielen Dank für das Gespräch.

Das Special zu 25 Jahren "Kalkofes Mattscheibe" dauert 25 Stunden und startet am Donnerstag, den 18. April, um 22:10 Uhr. Die grosse Jubiläumsgala läuft am "Kalkfreitag", 19. April, um 20:15 Uhr - beides auf Tele5.

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