"The Interview" ist der meistdiskutierte Film des Jahres - obwohl ihn voraussichtlich kaum jemand in nächster Zeit zu sehen bekommen wird. Die wichtigsten Fragen und Antworten zu der Affäre um das Filmstudio Sony Pictures, eine Filmsatire und das Nordkorea von Kim Jong-Un.

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Worum geht es in "The Interview" überhaupt?

In dem Film spielen Seth Rogen und James Franco zwei Journalisten eines Klatschmagazins, die nach Nordkorea reisen, um ein Interview mit Kim Jong-Un zu führen. Der ist nämlich Fan der Sendung und will sich als der Menschenfreund darstellen, der er seiner Meinung nach ist. Die CIA beauftragt die Journalisten, Kim Jong-Un zu töten, was ihnen am Ende auch spektakulär gelingt.

Wieso kommt der Film jetzt nicht ins Kino?

Auf das Filmstudio Sony Pictures, die "The Interview" ins Kino bringen wollten, wurde von der bis dahin unbekannten Cyber-Gruppe "Guardians of Peace" ein Hackerangriff gestartet, bei dem mehrere Server mit teilweise sehr vertraulichen Informationen geknackt wurden. Unter anderem weiss jetzt alle Welt, dass Seth Rogen für "The Interview" 8,4 Millionen Dollar und James Franco 6,5 Millionen Dollar Gage bekommen haben. Auch die genauen Gewinn- und Verlustrechnungen von Filmen nach Abzug aller Ausgaben inklusive Produktionskosten, Werbung und Gagen - normalerweise ein sehr streng gehütetes Branchengeheimnis - wurden veröffentlicht.

Weil das Sony nicht daran gehindert hat, den Film weiter zu bewerben und seinen Kinostart vorzubereiten, drohten die Hacker im nächsten Schritt mit einem Anschlag "im Stil von 9/11" auf Filmtheater, die "The Interview" ins Programm nehmen. Auch davon liess sich Sony zuerst nicht beirren. Als dann aber die fünf grössten Kinoketten Amerikas ankündigten, kein Risiko eingehen zu wollen und darauf zu verzichten, den Film zu zeigen, zog Sony ihn schliesslich komplett zurück - nicht nur für die USA, sondern weltweit.

Wurden die Hacker vom nordkoreanischen Staat beauftragt?

Das ist nicht sicher, aber zumindest sehr wahrscheinlich. Laut CNN hätten Untersuchungen des US-Geheimdienstes CIA ergeben, dass die Regierung von Nordkorea an dem Hack "zentral beteiligt" war. Eine offizielle Stellungnahme Nordkoreas dazu gibt es aber nicht.

Mittlerweile haben die USA Nordkorea direkt für den Hackerangriff auf Sony Pictures verantwortlich gemacht. Es gebe genügend Informationen, die diesen Rückschluss erlaubten, teilte die Bundespolizei FBI am Freitag in Washington mit. So seien beispielsweise deutliche Parallelen zwischen der bei dieser Attacke verwendeten Infrastruktur und anderen "bösartigen Cyber-Aktivitäten" Nordkoreas festgestellt worden.

Was ist bei dem Hack sonst noch herausgekommen?

Vieles, was einigen Verantwortlichen sehr unangenehm ist: Zum Beispiel wurden E-Mails veröffentlicht, in denen Sony-Film-Chefin Amy Pascal und der Filmproduzent Scott Rudin darüber scherzen, ob sie Barack Obama wohl dazu bringen könnten, Filme zu finanzieren - und wenn, dann nur Sachen wie "Django Unchained", "12 Years a Slave" und "The Butler", mit schwarzen Hauptdarstellern. Über Angelina Jolie schrieb die Sony-Chefin, sie sei eine "verrückte, verzogene, egoistische Frau" und ein "verwöhntes Miststück".

Neben dem Klatsch noch viel schmerzhafter für Sony sind aber veröffentlichte Geschäftsunterlagen, in denen auch die Gehälter von Top-Managern, Abfindungszahlungen an Ex-Mitarbeiter und die Sozialversicherungsnummern aller Mitarbeiter enthalten sind - und die sich die direkte Konkurrenz gerne genauer anschauen wird.

Und das lassen sich Sony und die Kinos einfach gefallen?

Sony hat lange gekämpft, aber wenn die Kinos sich weigern, einen Film zu zeigen, dann haben sie keine grossen Alternativen, als ihn zurückzuziehen. Ob man den Film nicht zumindest in Europa in die Kinos bringen könnte, scheint gar nicht in Betracht gezogen worden zu sein. In Asien wäre der Film aus Angst vor den Reaktionen des Publikums ohnehin nicht gezeigt worden. Viel erstaunlicher ist, dass ein Aufschrei der Filmschaffenden gegen die Entscheidung ausbleibt. Immerhin wird durch eine illegale Aktion ein Film aus dem Verkehr gezogen. Völlig unabhängig von dessen künstlerischem Wert ist das ein massiver Eingriff in die künstlerische Freiheit - vermutlich ausgeübt im Auftrag eines Unrechtsstaats wie Nordkorea. Dass die Studios und Kinos nicht Einigkeit zeigen und den Film unterstützen, zeigt, wie gross die Angst zu sein scheint, selbst Opfer eines Hacker-Angriffs zu werden.

George Clooney ist einer der wenigen Filmschaffenden, die sich eindeutig positionieren. In einem Interview mit "Deadline" sagte er: "Wir sprechen über ein Land - in diesem Fall Nordkorea - , das entscheidet, welchen Film wir zeigen oder nicht zeigen. Jetzt geht es um einen Film, aber das kann jeden Geschäftszweig betreffen. Was passiert, wenn ein Nachrichtenmagazin eine kritische Geschichte nicht veröffentlicht, weil ein anderes Land oder eine Firma entscheidet, dass sie sich davon angegriffen fühlen?" Clooney hat mit seinem Agenten eine Petition aufgesetzt, in der sie die Medienunternehmen auffordern, sich nicht den Erpressungsversuchen zu beugen und auf ihrer künstlerischen Freiheit zu bestehen - die aber niemand der grossen Studiochefs unterschreiben wollte. "Die Erpresser haben es brillant gemacht, indem sie zuerst die peinlichen Mails veröffentlicht haben, so dass niemand sich auf die Seite der Sony-Leute schlagen will", sagt Clooney in dem Interview.

Ist mit weiteren Enthüllungen zu rechnen?

Vermutlich ja. Die Hacker haben eine enorme Menge an Daten geklaut, bei denen sie wahrscheinlich noch eine Weile brauchen, bis sie die heikelsten Informationen gefunden haben. Das bedeutet auch, dass sie auf Dauer ein Druckmittel gegen Sony haben, um weiter sicherzustellen, dass die in ihrem Sinne handeln. Eine perfide Art der Erpressung, gegen die sich Sony kaum wehren kann.

Wie kann ich "The Interview" trotzdem sehen?

Auf absehbare Zeit wohl nur auf illegalem Weg. Sony hat entgegen anderslautenden Berichten aktuell nicht geplant, den Film auf anderem Weg zu veröffentlichen. Eine Pay-per-View-Auswertung oder eine DVD-Veröffentlichung wird es in den nächsten Wochen und Monaten wohl nicht geben. Amerikanische Kritiker haben den Film schon bei Pressevorführungen gesehen und auch eine Weltpremiere hat in Los Angeles bereits stattgefunden - aber dabei bleibt es vorerst wohl.

Ist das nicht alles nur ein grosser Marketing-Gag?

Das dachten viele, nachdem der Hack bekannt wurde. Die Geschichte klingt ja auch fast zu absurd, um wahr zu sein. Aber nur für einen Werbegag würde eine Firma wie Sony nicht ihren Ruf ruinieren und in aller Öffentlichkeit peinliche und brisante Firmengeheimnisse ausbreiten. Und um die Werbewirkung richtig auszunutzen, müsste der Film ja jetzt ins Kino kommen - aber genau das passiert eben nicht. Es spricht alles dafür, dass tatsächlich der Schurkenstaat Nordkorea Hollywood in die Knie gezwungen hat.

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