Sex - der Eine will mehr, der Nächste ausgefalleneren, und der Dritte fragt sich, ob seine Wünsche überhaupt normal sind. Wenn es um die "natürlichste Sache der Welt" geht, sind viele Menschen erstaunlich verklemmt. Paula Lambert will das ändern. Im Interview erklärt sie uns, warum Offenheit so wichtig ist, ob Aufklärung immer ernst sein muss - und welcher Sex-Trend auf uns zukommt.
Für alles, was sich unter der Gürtellinie abspielt, ist
Hallo Frau Lambert, wer braucht im Jahr 2018 eigentlich noch eine Show wie "Paula kommt! Sexpedition Deutschland"? Antworten auf besonders peinliche Fragen oder Anregungen zu besonders ausgefallen Praktiken sind im Internet ja nur einen Klick entfernt.
Paula Lambert: Meiner Erfahrung nach hilft es nichts, im Internet zu googlen. Es ist immer besser, reale Personen mit derselben Problemstellung quasi zu "beauftragen" und es dann tatsächlich erklärt zu bekommen – live und echt und in Farbe. Ich lerne vom Pornogucken ja auch nicht, wie Liebemachen geht.
Auch wenn man sich selbst für ziemlich cool und aufgeklärt hält: Wenn man Ihrem Kollegen Lukas beim "Handwerkerkurs" oder Ihnen beim "Vulva-Watching" zuschaut, kann man sich das Kichern nicht verkneifen. Ist diese Reaktion ok, weil Sex und sexuelle Aufklärung nicht bierernst sein sollen - oder doch einfach ein Zeichen dafür, dass wir alle leider ziemlich verklemmt sind und ich Sachen sexueller Aufklärung noch ein weiter Weg vor uns liegt?
Ich erlebe das auch in Talkshows immer wieder, dass die Leute kichern. Das ist leider eher ein Zeichen für Verklemmtheit. Tut mir leid! [lacht]. Aber gleichzeitig ist es natürlich auch okay. Man darf Sex auch nicht zu ernst nehmen, sonst wird es irgendwie blöd. Aber gleichzeitig ist das Thema auch ernst. Also: Sie haben schon Recht, wenn Sie lachen, aber Sie müssen auch gleichzeitig daraus lernen. Das war zumindest unsere Hoffnung.
Ist es schwer, für Ihre Sendungen Menschen zu finden, die so offen über Sex reden? Vor allem über Probleme – Protzen und Angeben fällt ja den Meisten leicht. Zuzugeben, dass man nicht kann, will oder keine Ahnung hat, ist dagegen ja eine echte Herausforderung.
Nein, wir haben überhaupt keine Probleme dabei. Tatsächlich bewerben sich sehr, sehr viele Menschen, die mit mir sprechen wollen. Und ich bin glücklich darüber, weil es zeigt, dass es a) tatsächlich Redebedarf gibt und b) ich auch als jemand wahrgenommen werde, der helfen kann.
Hand aufs Herz: wenn sogar Protagonisten wie "Rob" und "Miez", die ja nun jung und gutaussehend sind, monatelang keinen Sex haben – wie düster sieht es dann eigentlich für den Rest Deutschlands aus?
Bloss weil jemand jung ist, heisst das nicht, dass er oder sie keine Probleme hat. Wir müssen, egal in welchem Alter, in Langzeitbeziehungen natürlich darauf aufpassen, dass wir den Partner, aber auch uns selber nicht aus den Augen verlieren. Das ist meistens der Fall, wenn es zu einem absoluten Stillstand auf körperlicher Ebene kommt. So lange wir aber darüber reden, gibt es immer Hoffnung.
Auch beim Sex scheint es Trends zu geben. So hat eine Sex-Szene in der HBO-Serie "Girls" das sogenannte Rimming sehr populär gemacht. Was kommt denn als nächstes auf uns zu? Haben Sie einen Tipp, was wir unbedingt googeln (und ausprobieren) sollten, um Up-to-Date zu sein?
Trends werden gesteuert durch populäre Fernsehsendungen oder auch durch das, was in Pornosuchmaschinen auftaucht. Ich empfehle momentan, "wife sharing" zu googlen. Das ist jetzt der ganz, ganz grosse Trend.
Wenn die Medien offen und gehäuft über bestimmte Praktiken schreiben: Haben die Leute dann auch tatsächlich mehr und verrückteren Verkehr – oder ist diese Offenheit nur eine vermeintliche, sprich: je mehr die Menschen über Sex reden, umso weniger haben sie ihn.
Diese Offenheit ist nicht nur eine vermeintliche. Mir ist es immer Recht, wenn die Medien über einen bestimmten Trend berichten, weil die Menschen dann wieder Gelegenheit haben, über ihre Sexualität zu sprechen und ihre eigenen Bedürfnisse. Im Endeffekt ist es dann völlig egal, ob sie das dann auch praktizieren oder nicht. Das Wichtigste beim Sex ist tatsächlich immer die Sprache.
Sehen Sie sich in der Tradition grosser AufklärerInnen wie Oswald Kolle oder Beate Uhse? Haben Sie ein bestimmtes Vorbild, oder gehen Sie lieber Ihren eigenen Weg?
Ich sehe mich absolut in dieser Tradition. Weil wir alle eines gemeinsam haben: Wir regen die Menschen an, über ihre eigenen Selbstbilder, Vorlieben, Interessen und Gefühle zu sprechen. Ich finde, man muss Vorbilder haben, um zumindest den Anfang zu finden. Und dann kann man seinen eigenen Weg schaffen. Und na klar habe ich auch ein Vorbild, aber kein bestimmtes. Ich könnte nicht sagen: Ich möchte gerne so sein wie… Ich bin schon gerne ich.
Wie hat sich Ihr Beruf denn auf Ihr Privatleben ausgewirkt? Wenn Sie Männer kennengelernt haben: Erwarteten die dann etwas ganz Besonderes von einer Sex-Expertin– oder hatten die eher Angst vor einer Benotung und haben den Schwanz eingezogen?
Ich war immer in einer Langzeitbeziehung, da war nicht viel mit Schwanz einziehen. Die Erwartungshaltung ist eher die, dass ich in der Lage bin ihr Privatleben zu retten, das sie mit anderen Partnerinnen oder Partner haben. Und da bemühe ich mich nach bestem Wissen und Gewissen.
Werden Sie auf Partys oder im Freundeskreis eigentlich angesprochen und nach Rat gefragt? Oder lassen sich Freunde von Freunden an Sie vermitteln? Und wie reagieren Sie dann?
Von engen Freunden weniger, weil wir uns grösstenteils schon von Kindesbeinen an kennen. Die müssen mich nicht mehr fragen, weil wir gemeinsam gewachsen sind. Aber Bekannte, die fragen mich natürlich. Und ich reagiere, indem ich Auskunft gebe so gut ich es kann und gerne mit Rat und Tat zur Seite stehe.
"Paula kommt! Sexpedition Deutschland" - Folge 1 am Mittwoch, 12.9., um 20:15 Uhr; Folge 2 am Mittwoch, 19.9., 22:05 Uhr auf sixx
"So arbeitet die Redaktion" informiert Sie, wann und worüber wir berichten, wie wir mit Fehlern umgehen und woher unsere Inhalte stammen. Bei der Berichterstattung halten wir uns an die Richtlinien der Journalism Trust Initiative.