• Die ZDF-Talkshow "Markus Lanz" erfreut sich immer grösserer Beliebtheit, für Politiker wie Armin Laschet oder Wolfgang Kubicki verliefen die Besuche zuletzt unerfreulich.
  • Der Erfolg der Show ist eng mit Markus Lanz selbst verbunden, der sich als Politik-Journalist und unerbittlicher Fragesteller etabliert hat.
  • Ein Medienexperte versucht den Erfolg der Sendung zu erklären.
Eine Analyse
Dieser Text enthält eine Einordnung aktueller Ereignisse, in die neben Daten und Fakten auch die Einschätzungen von Christian Stüwe sowie ggf. von Expertinnen oder Experten einfliessen. Informieren Sie sich über die verschiedenen journalistischen Textarten.

Wer die Wörter "Lanz" und "grillt" googelt, dem spuckt die Suchmaschine mehrere Seiten mit Ergebnissen und Schlagzeilen aus. Lanz grillt Laschet. Lanz grillt Kubicki. Lanz grillt Brinkhaus. Lanz grillt Spahn. Viele der Schlagzeilen sind erst ein paar Wochen oder Monate alt, in aktuellen Analysen wird Talkmaster Markus Lanz für seinen Umgang mit Gästen aus der Politik respektvoll als "Grillmeister" oder "Grillzange" bezeichnet.

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Tatsächlich hat Markus Lanz sein Profil als Politik-Journalist in den letzten Monaten enorm geschärft. Während die Politik nach Lösungen und Auswegen in der Corona-Pandemie sucht und die Union sich um die Kanzlerkandidatur und das Erbe von Angela Merkel streitet, wurde die ZDF-Talkshow "Markus Lanz" zu einem wichtigen Teil des politischen Diskurses in Deutschland. Am 15. April erreichte die um 23:15 Uhr beginnende Sendung einen Marktanteil von fast 25 Prozent. Etwa jeder vierte TV-Zuschauer schaltete also ein, auch jüngere Menschen sehen sich den Politik-Talk an.

Markus Lanz als Confrontainment-Format

"Bei Lanz lässt sich eine Renaissance des Confrontainment-Formats der 90er-Jahre beobachten. In Sendungen wie 'Vorsicht! Friedman' oder 'Der heisse Stuhl' wurden damals schon Politikerinnen und Politiker durch ähnlich provakante, geladene und suggestive Fragestrategien, bei denen es weniger um Inhalte als um Emotionen ging, versucht, aus der Reserve zu locken", erzählt der Medienlinguist Sascha Michel im Gespräch mit unserer Redaktion.

"Einerseits belebt dies zweifelsfrei den Polit-Talk und die Polit-Talkshowlandschaft, da man beobachten kann, wie Politikerinnen und Politiker auch unter emotionalem Stress jenseits des 'Feel-Good-Modus' reagieren, ob sie sachlich bleiben oder aus der Rolle fallen. Andererseits muss man aufpassen, dass mit dem Confrontainment nicht auch die umgangssprachliche Bezeichnung 'Krawallbude' für solche Formate wiederbelebt wird", führt Michel weiter aus.

Lanz war Boulevard-Reporter und moderierte "Wetten, dass…?"

In krawalligeren und bunten Formaten begann einst auch die TV-Karriere von Markus Lanz. Für RTL moderierte er das Boulevard-Magazin "Explosiv", 2004 begleitete er eine Brustvergrösserung live im TV. Der nächste Schritt war die grosse Abendunterhaltung. Als Nachfolger von Thomas Gottschalk versuchte er vergeblich, das sinkende ZDF-Unterhaltungs-Flaggschiff "Wetten, dass…?" zu retten. Glücklos wirkte Lanz dabei. In Erinnerung blieb unter anderem, wie er Tom Hanks dazu brachte, eine Katzenmütze aufzusetzen. Gerard Butler musste sich Eiswürfel in die Hose kippen.

Auch in Lanz' Talkshow bleibt den Gästen nichts erspart. Der 52-Jährige ist ein unerbittlicher Fragensteller. "Lanz wendet das Prinzip des argumentativen Zangen- beziehungsweise Würgegriffs an", erklärt der Politik-Talk-Experte Michel: "Zunächst 'dürfen' die Politikerinnen und Politiker über Themen reden, die für sie ungefährlich sind, bevor Lanz schlagartig die Themen wechselt und den Politiker in die Enge treibt. Hier lassen sich besonders das Provozieren und Insistieren als Sprachhandlungen erkennen: Lanz beisst sich bei bestimmten Fragen fest, versucht, den Politiker mürbe zu machen und aus der Fassung zu bringen."

Lanz sitzt dann oft nur noch auf der Kante seines Stuhls, so als wolle er seinem Gegenüber auch körperlich immer näherkommen. Er ist immer gut vorbereitet, er unterbricht seine Gäste, hakt nach und lässt sich nicht abwimmeln. "In ganzen Fragebatterien, die eine Mischung aus sachlichen und emotionalen Fragen darstellen, soll der Politiker zu vermeintlich authentischen Aussagen bewogen werden, jenseits des erwart- und vorhersehbaren 'Polit-Sprechs'", erklärt Michel: "Demnach gleicht der Frage- und Moderationsstil einem klassischen Dramenaufbau: Erst wenn der Höhepunkt erreicht ist, der Politiker die von Lanz erwartete Antwort gibt oder Reaktion zeigt, endet das Drama – häufig in der Katastrophe für den Politiker."

Lanz verbündet sich mit anderen Gästen, um Politiker in die Zange zu nehmen

Auffallend sei dabei, so Michel, dass Lanz seine zugespitzte Interpretation als die einzig wahre und zulässige vermittele, weshalb der Politiker zwangsläufig zu einer Stellungnahme herausgefordert werde. "Dies alles gelingt aber nur, weil Lanz sich mit den anderen Gästen gegen den Politiker verbündet, sodass dieser von mehreren Seiten in die Zange genommen wird. Durch häufige Themenwechsel und Angriffe von mehreren Seiten muss der Politiker an mehreren thematischen Fronten kämpfen, weshalb – wie beim Auftritt Laschets oder Kubickis – der Politiker am Ende häufig einen lädierten Eindruck hinterlässt", erklärt der Medienlinguist.

Der argumentative Zangen- und Würgegriff funktionierte besonders gut Ende März beim CDU-Vorsitzenden und NRW-Ministerpräsidenten Armin Laschet, der von Lanz zunächst in Sicherheit gewogen und dann in ein Duell mit Markus Söder um die Kanzlerkandidatur "hineingeredet" wurde, wie Michel es ausdrückt. Lanz habe Laschet zerstört, er habe ihn gegrillt, war am nächsten Tag in den Zeitungen zu lesen.

Auftritte bei Lanz sind für Politiker zunehmend schwer kontrollierbar

Bleibt eigentlich nur die Frage, warum sich wöchentlich Spitzenpolitiker dem Verhör bei Markus Lanz stellen. "Für Politikerinnen und Politiker stellen Formate wie Lanz wichtige Mittel der Öffentlichkeitsarbeit und Aussenkommunikation dar", erklärt Michel: "Anders als in üblichen Polit-Talkshows bekommen sie hier im Einzelgespräch mehr Aufmerksamkeit und können ihre Positionen ausführlich darlegen, ohne Gefahr zu laufen, vom politischen Gegner abgeschnitten zu werden oder durch Proporzzwang nur eine limitierte Redezeit zur Verfügung zu haben. Hinzu kommt, dass in solchen Personality-Talkshows, zu denen Lanz ja nach wie gehört, Politikerinnen und Politiker auch die persönliche, die menschliche Seite in den Vordergrund rücken können. Gerade letzteres wird bei Lanz aber für den Politiker zunehmend unkontrollierbar und immer schlechter steuerbar."

Es sind genau diese Momente, in denen Politiker die Kontrolle verlieren und emotional werden, die Markus Lanz mit seinen Fragen herbeizuführen versucht. Und es sind genau diese Momente, weshalb sich der Politik-Talk zu später Stunde immer grösserer Beliebtheit erfreut.

Zum Experten: Dr. Sascha Michel ist Medienlinguist am Lehrstuhl für Deutsche Sprache der Gegenwart an der RWTH Aachen und beschäftigt sich im Rahmen seiner Forschung auch mit der Kommunikation in Polit-Talkshows.

Verwendete Quelle:

  • Quotenmeter.de: Markus Lanz
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