Die queere Datingshow "Princess Charming" ist noch immer die bessere "Bachelorette". Aber dass Lea Hoppenworth in der ersten Folge direkt auf bekannte Gesichter trifft, hätte sie wohl nicht gedacht.

Eine Kritik
Diese Kritik stellt die Sicht von Felix Reek dar. Informieren Sie sich, wie unsere Redaktion mit Meinungen in Texten umgeht.

Wie, was ist denn hier los? Erstes Bild der vierten Staffel von "Princess Charming", Lea Hoppenworth schaut traurig in die Kamera, die Musik im Hintergrund wimmert und sie sagt: "Ich find’s total verrückt, dass heute schon der letzte Tag ist." Moment, hat da jemand vergessen, das Aufzeichnungsband zurückzuspulen? War Joe Biden direkt nach seinem TV-Duell mit Donald Trump an den Reglern? Nein, Entwarnung. Wie alle Shows aus dem "Bachelor"-Kosmos muss sich auch "Princess Charming" gewissen Konventionen beugen.

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Eine lautet: Das Beste kommt zuerst. Der obligatorische Zusammenschnitt all des Krawalls, der Tränen und der immer selben Floskeln, die die Zuschauerinnen und Zuschauer erwarten: "Die letzten zwei Wochen waren eine extrem turbulente Reise für mich." "Es sind Gefühle im Spiel." "Ich bin bereit, die grosse Liebe zu teilen." "Mir ist die Entscheidung extrem schwierig gefallen."

Eigentlich wäre das Grund genug, die Show, die ab 3. Juli auf dem Streamingdienst RTL+ startet und die der Kölner ansonsten auf seinem Spartenkanal VOX up versendet (ab 10. Juli), direkt wieder auszuschalten. Diese ewig gleichen Sätze fallen bereits jedes Jahr bei "Der Bachelor" und der "Bachelorette". Doch wer darüber hinwegsehen kann, stellt schnell fest, dass "Princess Charming" eigentlich das unterhaltsamere, weil "echtere" Format ist. Sofern man das von Trash-TV überhaupt behaupten kann.

Echte Menschen im Reality-TV

Das liegt vor allem an den Teilnehmerinnen, die aussehen wie, ja, echte Menschen. Mit Körpern, die nicht nur Fitnessstudios und OP-Liegen gesehen haben. Die in Interviews kein Alpha-Primaten-Geprotze von sich geben oder die Geschlechterrollen der Fünfzigerjahre heraufbeschwören. Stattdessen sprechen sie, neben den obligatorischen sexuellen Vorlieben, darüber, wie sich die Frauen geoutet haben und was das für ihr Leben bedeutet.

Die extreme Künstlichkeit der "Bachelor"-Welt rückt ein bisschen in die Ferne und macht Platz für Warmherzigkeit im Reality-TV. Oder wäre es vorstellbar, dass sich Kandidat*in Tommi in "Der Bachelor" als nicht-binär outet und dafür beklatscht wird, sich beim Baden das T-Shirt auszuziehen, samt Narben der Brustentfernung? Wohl eher nicht.

Trotzdem müssen die Standards dieser Art Show eingehalten werden. Natürlich "Wuuuhen" die Teilnehmerinnen beim Eintreffen in der Villa in Thailand - und noch einmal als Princess Charming Lea erscheint. Doch selbst beim Storytelling für diese Staffel von "Princess Charming" war RTL kreativer als zuletzt beim "Bachelor".

Da sollten zwei statt ein Junggeselle für mehr Schwung und vor allem bessere Quoten sorgen. Vergeblich. "Princess Charming" wählt einen simpleren Weg und castet eine Ex-Freundin von Lea Hoppenworth in den Kandidatinnenpool.

Wiedersehen mit der Ex

Die Überraschung ist gelungen. Lea gefriert bei der grossen Begrüssung das Lächeln und presst sich ein "Lasst uns den Abend möglichst schnell beginnen" heraus - das klingt wie "Lasst uns den Abend möglichst schnell beenden". Die Ex Maike hält sich die Hand vor den Mund und bestätigt den Coup noch einmal: "Das ist meine Ex." Die Interna folgen im Kamerazimmer. Eine Sommerromanze sei es gewesen, "sehr kurz" und "schnell wieder vorbei", verrät Lea. Maike ergänzt, dass sie per Whatsapp Schluss gemacht habe, was natürlich "gar nicht cool" sei. Schuldbewusst verdrückt sie sich ganz nach hinten und schaut bedröppelt.

Eine perfekte Storyline für den Rest der ersten Folge. Denn weil es gerade so schön peinlich ist, stellt sich auch noch heraus, dass Kandidatin Seleya mit der Princess-Ex Maike gut befreundet ist. Marlen aus Berlin kennt Princess Lea auch schon. Sie haben sich beim CSD unterhalten, danach wurde sie von ihr in einer Dating-App geghostet. "So sieht man sich wieder", sagt Lea zu Marlen. Die läuft rot im Gesicht an, während sie sich versucht zu erinnern. Die queere Fernsehwelt ist offenbar überschaubar.

Doch zurück zu Seleya und Maike. Erstere will aus Loyalität die Show verlassen, letztere nimmt dankend an, wer will schon den strategisch zusammengecasteten Stress für die nächsten Folgen frühzeitig auflösen. Doch es kommt ganz anders. Am Ende verlässt niemand die Show. Seleya zweifelt, bleibt und sagt brav einen Standard-Satz aus dem "Bachelor"-Kanon: "Ich lasse mich auf dieses Abenteuer ein." Ihr Loyalitätsversprechen ist auf einmal ganz weit weg.

Maike erscheint reumütig als letzte, fragt, ob es okay sei, dass sie bleibt. Die Princess gewährt Absolution, alle applaudieren. Bis zur nächsten Woche, wenn alles von vorne losgeht. Trash-TV kann so einfach sein.

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