Dass Jeremy Fragrance die selbsternannte Nummer eins in der Parfum-Influencer-Branche ist, wissen seine Millionen Follower schon länger. Seit ein paar Tagen kennen aber auch die Zuschauer von "Promi Big Brother" den exaltierten Oldenburger. Kurzum: Jeremy Fragrance ist gerade das Gesprächsthema in der Büroküche. Was hinter der Fassade des 33-Jährigen steckt, wollte am Freitagabend eine Sat.1-Reportage zeigen – mit mässigem Erfolg.
"Das hat auch irgend so ein bekannter Philosoph gesagt: Wenn Sie nicht wissen, wo es hin geht, ist eh scheissegal, weil alles in Ordnung ist." Noch einer? "Grundsätzlich lernt man immer aus Dingen, wenn man Dinge tut. Und deswegen ist es häufig gut, einfach auch Dinge zu tun." Okay, einer noch: "Futter für den Darm, sagt man. Sauerkraut. Für die guten Darmbakterien." Ja,
Davon konnten sich zuletzt die Zuschauer von "Promi Big Brother" überzeugen, wo Jeremy Fragrance mit seinem Wissen – oder das, was er für Wissen hält – seine Mitbewohner unterhielt und zusammen mit seiner permanenten Selbstinszenierung und Aussagen wie "Ich bin Jeremy Fragrance, der Nummer-eins-Parfum-Influencer auf der ganzen Welt" auf die Palme brachte.
Damit ist schon ziemlich viel, aber noch nicht alles über Jeremy Fragrance gesagt. Was hier noch fehlt, wollte am Freitagabend die Sat.1-Reportage "Jeremy Fragrance – Number One: Von 'Promi Big Brother' zurück in die Welt" zeigen. Für diejenigen, die die aktuelle Staffel "Promi Big Brother" nicht verfolgt oder kein Interesse an Youtube, Instagram oder TikTok, dem beruflichen Zuhause von Fragrance, haben, sind hier zunächst einmal die Fakten über den Parfum-Influencer.
48 Stunden mit Jeremy Fragrance: Exaltiertheit ist ein Problem
Geboren wird Jeremy Fragrance am 5. Februar 1989 als Daniel Sredzinski in Oldenburg. Seinen Weg als Parfum-Influencer beginnt er 2014 als Hobby, inzwischen erreicht Fragrance auf seinen Social-Media-Kanälen Millionen Follower. Daneben produziert er selbst Düfte, besitzt fünf Unternehmen. Woher man das weiss? Er erzählt es einem. Ständig. Denn Fragrance pflegt in seinen beruflichen Auftritten einen sehr extrovertierten Stil.
Das mag für Menschen, die ihn über seine Videos oder wie zuletzt bei Sat.1 erlebt haben, irritierend oder unterhaltsam sein. Für die Reportage ist diese Exaltiertheit aber ein grosses Problem. "Unter Jeremys Fassade steckt mehr, als man zunächst vermuten mag", heisst es nach wenigen Minuten vom Off-Sprecher, doch ein Blick hinter diese Fassade ist schwierig, wenn jemand immer auf Sendung ist, sobald eine Kamera an ist – egal, ob es nun die eigene ist oder die eines Filmteams.
Die Reportage versucht es trotzdem und begleitet den Influencer 48 Stunden bei dem, was er so macht, aber auch bei dem, was er nur macht, weil man ihn eben 48 Stunden begleitet. Dazu gehören ein Besuch seiner Grundschule, seiner alten Wohnung, der Kirche, in der er getauft wurde und des Hauses, das er sich einst in Oldenburg gekauft, aber nun vermietet hat. Los geht die Reportage aber auf dem Bonner Weihnachtsmarkt, denn Fragrance will hier einen kleinen Test machen.
Jeremy Fragrance: "Hey Jungs, wisst ihr, wer ich bin?"
Sein "Signature-Look" war bei "Promi Big Brother" bereits grosses Thema, weil er ihn partout nicht ausziehen wollte. Nun schmeisst sich Fragrance in einen dunklen Mantel und zieht auf den Weihnachtsmarkt, um seine Bekanntheit zu testen. Mit einem "Hey Jungs, wisst ihr, wer ich bin?", geht er auf eine Gruppe Teenager zu, die sofort freudig grölen. "Das ging schneller, als ich dachte", erklärt Fragrance später, aber eben auch, dass die meisten, die ihn ansprechen, 17- bis 25-jährige junge Männer seien. Das relativiert natürlich seinen Manteltest, wenn er gezielt auf diese Zielgruppe zugeht.
Um etwas über Fragrance zu erfahren, ist aber gar nicht so wichtig, wie viele Leute ihn nun auf der Strasse erkennen. Viel interessanter ist, warum ihm das so wichtig ist und wie er in solchen Situationen reagiert. Auf dem Weihnachtsmarkt ist es eine Mischung aus Freude, Freundlichkeit, positiver Energie und auch Dankbarkeit.
"Ich finde es geil, dass ich die Nummer eins in meiner Disziplin bin und das reicht mir", erklärt Fragrance ebenfalls auf dem Weihnachtsmarkt. In dieser Rolle des Geschäftsmannes hat er ein festes Ziel, für das er Einiges macht. Die Videos, die Selbstinszenierung und die Videos mit Selbstinszenierung. Dieser Erfolg ist ihm wichtig und auch die Dinge, die dieser ihm ermöglicht: eine goldene Rolex, einen Ferrari. Mehr Materialismus muss es für ihn aber dann auch nicht sein.
Interview mit Magazin ist aufschlussreicher
Es gibt also den dankbaren, demütigen Fragrance, der sich selbst viele Regeln auferlegt und den Geschäftsmann mit der Narzissmus-Attitüde. Aber da ist auch noch eine andere Seite. Denn Fragrance ist nicht nur permanent auf Sendung, sondern hat auch ein permanentes Sendungsbewusstsein. Und so doziert er eben auch noch kurzerhand über Darmbakterien und übers Fasten, als eine Passantin auf dem Weihnachtsmarkt mit einer Pizza in der Hand neben ihm steht.
Manchmal vermischen sich diese Seiten aber auch, zum Beispiel in einer Szene, in der er im Auto mit seinem Patenkind per Video telefoniert. "Liebst du mich?", fragt er da, obwohl das Kind das bereits gesagt hat und hält dann für die Antwort sein Smartphone in die Kamera, damit die Szene auch richtig eingefangen wird. Da hat man nicht den Eindruck, als ging es ihm um das Kind, sondern darum, eine schöne Geschichte zu erzählen. Echte Intimität sieht irgendwie anders aus.
Wenig Intimes zeigen auch die Besuche der Orte seiner Kindheit. Natürlich hat Fragrance hier auch ein paar Anekdoten zu erzählen, aber es sind eben Anekdoten, die jeder aus seiner Kindheit erzählen könnte. Viel aufschlussreicher ist da ein Interview, das Fragrance einem Magazin gibt, während ihn das Kamerateam dabei filmt. Denn es könnte zumindest erklären, warum Fragrance die Dinge so macht, wie er sie macht.
Jeremy Fragrance tickt wie er tiktokt
"Dieses Aufmerksamkeitsspanne-Ding ist real, weil die Leute nach zweieinhalb Sekunden die Aufmerksamkeit verlieren, wenn du langweilig bist", erklärt Fragrance dort und deshalb habe er seinen Video-Stil verändert, als er bei TikTok eingestiegen ist. Mit anderen Worten: Wenn man weiss, dass man bei TikTok nur wenige Augenblicke hat, um Aufmerksamkeit zu erzeugen, dann versteht man vielleicht besser, warum sich Fragrance so verhält, wie er sich verhält – auch, wenn er gerade gar kein Video für TikTok dreht.
Aber es ist nicht nur Fragrances Attitüde, die einen nicht besonders viel über den Parfum-Influencer erfahren lässt, es ist auch die Art und Weise, wie diese Reportage gemacht ist. Denn zum einen jubelt der Off-Sprecher Fragrance mit Kommentaren hoch wie "Aufgrund seines Mega-Erfolgs ist er vermutlich einer der begehrtesten Junggesellen Deutschlands, wenn nicht weltweit." Gleichzeitig haut ihn der Sprecher aber auch in die Pfanne, wenn er in einer Szene sagt: "Vermutlich riecht er an Parfum-Inhaltsstoffen, um auf neue Parfum-Ideen zu kommen. Aber vielleicht tritt er auf diese Art auch mit ausserirdischen Kumpels in Kontakt. Who knows."
Sprüche, die in beide Richtungen unseriös sind, viel spannender wäre es gewesen, einmal tiefer zu bohren. Zu fragen, wie Fragrance denn Erfolg definiert, warum ihm der katholische Glaube so viel Halt gibt oder ob das, was er da in seinen Videos über Parfums erzählt, überhaupt Hand und Fuss hat. Und so weiss man am Ende zwar, dass Fragrance die Nummer eins in der Influencer-Branche sein möchte und auch, dass man sich nach seinem Tod daran erinnern soll. Warum er das aber so sehr möchte, also die Antwort auf die wesentlich interessantere Frage, erfährt man leider nicht.
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