Traditionell verenden in Reality-Formaten regelmässig Karrieren von öffentlichkeitssüchtigen Talent-Asketen, die sich im visuellen 24/7-Kreuzverhör von 200 Kameras zu Höherem berufen fühlen und zu für die Gruppendynamik toxisch wirkenden Miniatur-Diktatoren entwickeln. Trash-TV-erfahrene Kognitions-Verweigerer wie Bastian Yotta, Andrej Mangold oder Prinz Marcus von Anhalt könnten ein Lied davon singen, jedenfalls wenn sie fähig wären, sich mehrere Sätze am Stück zu merken.
In diese rituelle Begräbnis-Historie reiht sich auch Tag sieben im (Nomen ist eben doch nicht immer Omen) promibefreiten "Promi Big Brother"-Container. Sat.1 spendiert den Insassen der diesjährigen öffentlichen IQ-Beschau kasernierungswilliger Boulevardblatt-Surfer eine (karriere-)morbide Schocknachricht – und das ausgerechnet am Totensonntag: Nach dem gestrigen Premieren-Auszug von Niveau-Ikone Patricia Blanco stehen ab jetzt ALLE, naja, Promis zum Zuschauer-Abschuss frei.
Zwölf verbliebene Trash-Avengers zittern ab jetzt vor der unbeliebtesten Vokabel im gesamten Reality-TV-Geschäft: Nominierungsliste. Kaum dem ersten Gnadenschuss aus der Exit-Pumpgun des Televotings entronnen, kann es direkt wieder jeden Moment so weit sein und einer der D-Promis vom Karriere-Recyclinghof Köln-Bocklemünd muss den vorzeitigen Antiheldentod sterben. Also, sterben jetzt im Sinne von TV-Auftritt beendet, nicht im Sinne von letzter Ölung.
Bis dahin steht der Tag aber erstmal primär im Zeichen langsam überkochender Testosteron-Opulenz der seit einer Woche streng enthaltsam lebenden Denkakrobaten im Promi-Container.
Der
Flirten, Vögeln und es allen erzählen …
Um sich gemeinsam durch das Tränental der Askese zu schleppen, bricht Selfmade-Handwerker Philo eine Zoten-Zeremonie vom Zaun, gegen die die Call-In-Sendungen von Erika Berger wie ein Ausflug mit den "Teletubbies" wirkten. Nachdem er minutenlang mehr oder weniger heimlich den Hintern von Max Kruses Lieblings-Shisha-Bar-Kellnerin Dilara in ihrer beinahe hautengen PBB-Joggingbuchse begutachtet hat, platzt der tief in ihm vergrabene Investigativ-Journalist aus ihm raus. Völlig unvermittelt stellt er Kim-Frank-Double
Empört verneint die zart bezopfte Streaming-Legende. Doch der Instagram-Magier lässt ihn nicht vom Haken. Durch knallharte Verhör- und Recherchetechniken holt Dr. Sommer Teammitglied Philo aus Ron schliesslich sogar eine echte Sex-Beichte heraus: "Ich habe normalerweise zehnmal am Tag einen Ständer. Aber ich hatte so eine Phase, da habe ich mir zweimal am Tag einen runtergeholt und nur noch Pornos gesehen und dann habe ich irgendwann gesagt, das ist zu viel, ich wichse jetzt nur noch sonntags." Uiuiui, wenn das der Vatikan hört. Für Ron ist Sex wie Kirche: Unter der Woche interessiert es niemanden, aber sonntags muss es halt mal sein.
Dauer-Erektions-Opfer Philo kann es kaum fassen: "Bei mir ist das morgens gesetzt!" Doch auch Rosenkavalier Dominik Stuckmann lässt den menschgewordenen Schwellkörper Philo im Sextalk-Stich: "Nee, denke ich hier auch nie dran!"
Paulina am Strand
Zum Glück ist Sextherapeutin Paulina Ljubas nicht weit und beantwortet als erste Frau in der Runde ebenfalls einige schlüpfrige Fragen des offenbar etwas übererhitzten Debattierclubs Philo-Ron-Dominik. Zum Beispiel, wo der verrückteste Ort war, an dem sie mal Sex hatte: "Am Strand." Ex-Pornosüchtling Ron zeigt sich enttäuscht: "Bei dir hätte ich gedacht in einem TV-Format oder so."
Aber da kann Paulina locker nachpunkten: "Da hatte ich auch schon Sex – und nicht nur einmal, mein Freund!" Das begleitende Glitzern in Rons Augen lässt eigentlich nur den Schluss zu, dass er gerade denkt/hofft: "Und demnächst auch hier im Container!" Um diese Gedanken schon mal offiziell den Roten Teppich auszurollen, spendiert Ron komplett durcherregt der Nation eine wichtige Kontext-Information: "Ich bin eine Sexmaschine!"
Abseits dieser niveauvernichtenden Cochonnerie-Challenge versucht es
Selbsterkenntnisblues
Ganz andere Probleme beschäftigen die Boomer-Generation im Container. Die Altherrenrunde um Peter Klein und
Matthias Mangiapane beobachtet das Szenario aus sicherer Perspektive und resümiert anschliessend heimlich im Sprechzimmer: "Es ist Immer ein Ballabschlag bei den beiden." Da fragen Sie sich zurecht: Hä? Ballabschlag? Meint der drittbekannteste Langener nach Janine Wissler ("Die Linke") und Jennifer Hof (GNTM-Siegerin 2008) eventuell Schlagabtausch?
Insgesamt aber ohnehin eigentümlich, dass sich ausgerechnet Mangiapane so intensiv mit Bällen auseinandersetzt. Schnell konzentriert er sich aber wieder auf das Wesentliche und das Wichtigeste in seinem Leben, sich selbst: "Ich froh, dass die Bewohner mich hier so wahrnehmen, wie ich wirklich bin." Wie sich der bodenständig normal gebliebene Vorsitzende des Claudia-Obert-Fanclubs Hessen-Nord dabei das Lachen verkneifen kann, das ist schon ganz grosse Schauspielkunst. Für mich ein Skandal, dass es der hochbegabte Sohn des italienischen Karosseriespenglers Giuseppe Mangiapane bislang nur bis "Ab ins Beet" und "Hot oder Schrott" geschafft hat. Hier hat Casting-Hollywood total versagt.
Ist das Deeptalk-Programm erstmal gedrückt, liefert auch Marco Strecker eine stabile Emotions-Story ab und eröffnet dem Mitensemble, er hätte seiner Familie vier Jahre lang nicht von seinem Freund erzählen können. "Ex on the Beach"-Ikone Paulina verfällt vor Mitgefühl direkt in den Markus-Lanz-Modus: "Ich stelle mir das schrecklich vor, wenn man seine Liebe verheimlichen muss!" Andererseits: Nicht sehr verwunderlich für jemanden, der seine Liebe alles andere als verheimlicht, sondern sie sicherheitshalber mit in Reality-Formate schleppt, dort dann betrügt und anschliessend mit einem Ex-Freund Sex vor der Kamera hat.
Kurz vor ein Uhr nachts gibt es dann noch das gemeinschaftliche Kochen, gewürzt mit einer elementaren Lebensfrage von Paulina: "Stimmt es, dass rohe Kartoffeln giftig sind?" Ob sie mit dem Gedanken spielt, Jürgen Milski einen köstlichen Rohkartoffelsalat zu zaubern, bleibt zunächst unklar. Vielleicht weiss ich dazu aber schon morgen mehr. Bleiben Sie also dran! Bis dann!
"So arbeitet die Redaktion" informiert Sie, wann und worüber wir berichten, wie wir mit Fehlern umgehen und woher unsere Inhalte stammen. Bei der Berichterstattung halten wir uns an die Richtlinien der Journalism Trust Initiative.