Obwohl einige Datingshows wie "My Mom, Your Dad" und "Der Heiratsmarkt" floppten, glaubt Medienwissenschaftlerin Joan Kristin Bleicher, dass es trotz der Probleme einen Markt für weitere Kuppelshows gibt. Sie nennt Ideen für Formate, die erfolgversprechend sein könnten.

Ein Interview

Frau Bleicher, auf Vox ist "My Mom, Your Dad" nach nur drei Folgen abgesetzt und auf RTL+ verschoben worden, "Der Heiratsmarkt" auf ProSieben hat sehr schlechte Quoten. Denken Sie, die Zeit von Kuppel- und Datingshows ist vorbei?

Mehr News über TV-Shows

Joan Kristin Bleicher: Das glaube ich nicht, weil es immer wieder Versuche der Erneuerung und nach wie vor erfolgreiche Formate und Formatabwandlungen gibt. Ich glaube aber auch, dass ein grosser Teil des Erfolgs vom jeweiligen Casting abhängt. Es zeigt sich, dass je skurriler die Kandidat:innen sind, desto erfolgreicher sind die Formate. Ich sehe gerade in den queeren Flirtcastingformaten, die auch immer eine gewisse Selbstironie beinhalten, sehr viel Zukunftspotenzial.

Früher wurden in Kuppelshows skurrile Teilnehmer teilweise regelrecht vorgeführt. Ein solches Vorgehen scheint mittlerweile dem Zeitgeist nicht mehr zu entsprechen. Ist das auch ein Grund, warum solche Formate nicht mehr so gut funktionieren?

Mittlerweile führen sich die Kandidat:innen selbst vor, wie die Beispiele "Love Island" oder "Temptation Island" zeigen. Ich glaube, "too much of the same" ist das Problem und daher liegt die Variation im Bereich der Strategien, da weiterhin das Interesse zu erhalten.

Breite Konkurrenz im Fernsehen

Bei Formaten wie "Love Island" oder "Der Bachelor" hat man oft den Eindruck, dass viele, die teilnehmen, eher auf zusätzliche Instagram-Follower oder eine Trash-TV-Karriere hoffen als auf die grosse Liebe. Ist das ein Grund, warum solche Formate derzeit Probleme haben?

Das war schon immer so, dass man eigentlich ins Fernsehen wollte und es mit der Suche nach der wahren, grossen Liebe nicht so weit her war. Zuschauer:innen haben oft den Eindruck, dass es mit der Liebe vorbei ist, sobald der Vertrag mit der Produktionsfirma ausgelaufen ist. Man hat es mit einer breiten Konkurrenz im Fernsehen zu tun.

Der Bereich des Reality-TV differenziert sich immer weiter aus, es kommen neue Formate dazu. Und es ist natürlich auch erkennbar, dass die traditionelle Fernsehrezeption abgelöst wird von einer sehr transmedialen Rezeption. Man schaut nicht nur Fernsehen, viele Menschen sind vor allem an den Instagram-Profilen der Teilnehmerinnen und Teilnehmer interessiert.

Wäre es eine Option, Dating-Formate künftig auf Instagram, Tiktok oder Youtube zu übertragen?

Diese Medien ergänzen sich. Ich würde Formate gar nicht nur in sozialen Medien übertragen, sondern die Ergänzungspotenziale, die Aufteilung zwischen Fernsehen und sozialen Medien nutzen.

"Nicht die Konkurrenz, sondern die parallele Nutzung verschiedener Angebote ist aus meiner Sicht wichtig."

Joan Kristin Bleicher über TV, soziale Medien und Streaming

Ist es ein Nebeneffekt des Streaming-Zeitalters, dass die Quoten von Datingshows im TV schlechter werden?

Ich weiss nicht, ob das ein Grund ist, dass es im TV nicht mehr funktioniert. Ich habe gerade schon davon gesprochen, dass in der transmedialen Ergänzung die Potenziale liegen. Nicht die Konkurrenz, sondern die parallele Nutzung verschiedener Angebote ist aus meiner Sicht wichtig. Man hat ja bereits auch in etablierten Formaten begonnen, damit zu arbeiten.

In der Corona-Zeit wurde sehr viel gestreamt, es gab ständig neue Serien und Formate. Aktuell könnte man den Eindruck bekommen, dass es eine gewisse Übersättigung gibt. Ist es im Moment generell schwer, eine neue Show zu etablieren?

Ich weiss nicht, ob man von einer Übersättigung sprechen kann. Es ist eher ein Prozess der Ausdifferenzierung. Durch die Vielzahl der Angebote ist es schwieriger geworden, ein Format in den Fokus der Aufmerksamkeit zu setzen.

Lesen Sie auch:

Eltern verkuppeln ihre Kinder, Kinder verkuppeln ihre Eltern, bei "Adam sucht Eva" oder "Naked Attraction" wird nackt gedatet. Kann es überhaupt noch Ansätze für neue Datingshows geben oder ist das Format ausgereizt?

Was komplett fehlt, ist das Flirtcasting von Haustieren. Es zeigt sich in anderen Formaten, dass Hunde immer wieder quotenträchtig sind. Das liesse sich noch weiter ausdifferenzieren. Bei den queeren Formaten ist noch längst nicht das letzte Wort gesprochen. Es gibt noch viele erfolgversprechende Bereiche. Ein weiteres Erfolgspotenzial sehe ich in dem Flirtcasting für Senioren. Da gab es schon wunderbare Formate wie "Hotel Herzklopfen" auf Sat.1, die aber leider nicht wieder aufgegriffen wurden. Diese Shows waren deutlich unterhaltsamer als das traditionelle "Love Island".

Wäre es vielleicht eine Idee, wieder zu ruhigeren Formaten zurückzukehren, anstatt auf Fremdscham zu setzen?

Das glaube ich schon, ja. Geschämt haben wir uns mittlerweile genug.

Zur Person: Prof. Dr. Joan Kristin Bleicher ist Medienwissenschaftlerin an der Universität Hamburg. Zu ihren Forschungsschwerpunkten zählt neben Fernsehwissenschaft und Mediengeschichte auch Reality-TV.
Jennifer Saro

Diese Klauseln stehen im Vertrag von "Bachelorette" Jennifer Saro

Im grossen Finale entscheid sich Bachelorette Jennifer Saro für Influencer Fynn und überreichte ihm die letzte Rose. "Bild" hat nun die geheimen Vertragsklauseln der diesjährigen Bachelorette veröffentlicht. (Bildcredit: picture alliance/dpa/RTL/Markus Hertrich)
JTI zertifiziert JTI zertifiziert

"So arbeitet die Redaktion" informiert Sie, wann und worüber wir berichten, wie wir mit Fehlern umgehen und woher unsere Inhalte stammen. Bei der Berichterstattung halten wir uns an die Richtlinien der Journalism Trust Initiative.