Du hast einen leichten Gehirnschaden von den vielen Keksen. Du musstest den kratzigen Pullover, den Tante Rosa für dich geklöppelt und unter den Baum gelegt hat, den ganzen Weihnachtsabend tragen. Zudem warst du heute am 25. Dezember schwer komatös, weil die Melange aus Eierlikör, Wein, Gin Tonic und Jägermeister-Schorle sich am Tag danach irgendwie nicht mehr so toll anfühlt. Und dann weisst du: Die Helene-Fischer-Show steht dir jetzt auch noch bevor.
Ein satirisches Minutenprotokoll.
20:15 Uhr: Der
20:17 Uhr: Kleine Vorwarnung: Ich werde künftig auch häufiger englische Termini einstreuen. Eine Freundin, mit der ich heute geplaudert habe und die sehr smart über die Rolle von Müttern doziert hat, erklärte mir, dass sich Mamas häufig schlichtweg zu sehr aufopfern würden. "Und dann regrettens die Motherhood", so ihr Befund. Fand ich grossartig. Möchte jetzt auch öfter sowas sagen.
Die Fischer Helene startet den Reigen jedenfalls mit ihrem sehr schlechten Song "Jetzt oder nie". In den ersten drei Reihen vor der Bühne formiert sich dennoch Schaum in den Mundwinkeln vieler Fans. So als ob deren Körper nicht den blassesten Dunst hätten, wohin mit all der Euphorie und Ekstase. Eine rund 50-Jährige hat sich soeben zwei Zähne ausgerissen und diese behutsam in eine mit Samt ausgekleidete Schatulle gelegt, mit der sie jetzt gen Bühne monstranzt. Über dem Dach der Düsseldorfer Messehalle umärmelt ein Blitz zärtlich zwei Wolken. Die Welt steht nicht mehr lang.
Direkt aus dem Soli nach Düsseldorf
20:20 Uhr: "Hallo Düsseldorf! Da bin ich wieder! Ich hab euch vermisst", sagt die Fischer Helene, die sich für die Megasause extra ein halbes Jahr ins Braunarium gelegt hat und in der saukalten Stadt am Rhein jetzt einen auf "Ich komm gerade von den Bahamas" macht. Sie sei eine Frau von Tatsachen, erklärt sie. "Bei mir wird nicht lange geredet, sondern die Bühne gerockt. Und deswegen machen wir direkt weiter", droht die Gastgeberin.
20:22 Uhr: Ui, die Rosenberg Marianne schiebt sich jetzt auf die Bühne. Laut Fischer Helene "ein echter Kultstar". Sie hat heute irgendwie ihren Hals nicht dabei, scheint's, denn ihr Kopf steckt direkt im schwarzen Anzug, den sie sich offenbar von einem befreundeten Bestatter geliehen hat. Und bitte jetzt nicht blöd fragen, warum die Rosenberg Marianne einen Bestatteranzug trägt!!! Ich kann da ja auch nur spekulieren. An sich ist der Jesus ja zu Weihnachten mehr geboren als gestorben, aber vielleicht ist die 69-Jährige nicht so bibelfest und wähnt sich hier auf einer Karfreitagssause. Ah, die Fischer Helene trällert jetzt mit. Die muss eigentlich unfassbar transpirieren in ihrer Frischhaltefolie.
20:30 Uhr: Na Wahnsinn, der Zarrella Giovanni wurde auch eingeladen. Vermutlich, damit er seine neue Single "Universo" präsentieren kann. Mein Italienisch ist nicht wahnsinnig gut, aber ich kann sehr wohl konkretisieren, dass es im Text um das "Universo" geht. Das mit dem Bewegen der Lippen muss er aber noch ein bisschen üben, der Italo-Deutsche. Zu seiner Verteidigung: Während seine Lefzen nur ein bis eineinhalb Sekunden hinter der Musik liegen, ist die Rosenberg Marianne, die in ihrer Garderobe schon seit einer halben Ewigkeit versucht, sich aus dem Bestatteranzug zu schälen, mit ihren Lippenbewegungen immer noch nicht fertig.
Ein schlechter Treppenwitz
20:35 Uhr: Okay, jetzt steckt die Fischer Helene in einem roten Kleid und intoniert die zweihundertfünfundfuffzigste neue Version von "Atemlos". Es ist die zweitschlechteste. Die 40-Jährige steht dabei jedenfalls auf einer hohen Treppe, die von Tänzern deppat durch die Gegend geschoben wird. Wann zur Hölle steht man im Leben mal auf einer Treppe, die von anderen herumgeschoben wird? Oder ist das eine Notfallübung?
20:39 Uhr: "Mich versetzen seine Songs direkt in Sommerfeeling", sagt die Fischer Helene am 25. Dezember. Sie meint die Songs vom Soler Álvaro, der ja ein ansehnlicher Kerl ist, aber lieber irgendwas mit Stummfilm hätte machen sollen.
20:42 Uhr: Ich werde vermutlich der erste Mensch sein, der wegen pathologischem Medley-Hass in eine Therapie muss. Schreibt man eigentlich Álvaro oder Alvaró? Oder doch Alváro? Okay, der Joke ist albern. Álbern? Albérn? Aus jetzt! "Ganz, ganz viel Glück. Auch für dich privat, mein Lieber!", sagt die Fischer Helene zum Dings.
20:43 Uhr: An dieser Stelle: Danke GMX und danke WEB.de für den Auftrag, aber ich kann jetzt schon nicht mehr wirklich. Ich möchte künftig nur mehr über gute Backrezepte, die Mannigfaltigkeit von Walgesängen und den Dalai Lama schreiben.
20:45 Uhr: Unfassbar, der Mey Reinhard tritt nach rund einem Vierteljahrhundert wieder mal in einer Show auf. "Ich kannte alle Flugzeuge allein an ihrem Klang", singt er, der inzwischen 82-Jährige, der in den 25 Jahren ganz ohne Frischhaltefolie maximal um fünf Jahre älter geworden ist. Der Berliner erntet stehende Ovationen.
20:52 Uhr: Die Fischer Helene trägt jetzt einen ärmellosen Latexanzug in der Farbe Altrosa und hat ein paar Kinder zum Singen genötigt. "Hände waschen, Hände waschen muss ein jedes Kind. Hände waschen, Hände waschen bis sie sauber sind", wird uns vorgesetzt. Man will sich daraufhin aus Trotz natürlich nie wieder die Hände waschen. Das ist alles sehr cringe!
21:00 Uhr: Deutschlands berühmteste Blondine singt jetzt ihren Track "Wenn alles durchdreht". Der würde sogar als Jingle für Zäpfchen gegen Eierlikörsucht durchfallen.
Maite Kelly, Ayliva und der Host in Polyethylen
21:05 Uhr: Die
21:17 Uhr: Ayliva und die Fischer Helene, die schon wieder ihre absurd aussehenden Frischhaltefolien trägt, weil die Beinchen in den letzten 30 Minuten wieder um eineinhalb Jahre gealtert sind, legen den Song "Beifahrer" hin.
21:22 Uhr: Der Kerkeling Hape singt auch? Aja, klar: Hurz!
21:35 Uhr: Die Show beginnt jetzt extrem langweilig zu werden. Wollen wir was spielen? Oder vielleicht können wir etwas Tolles aus alten Geschenkpapier-Schnipseln basteln? Nein, das ist fad, spielen ist besser. Was ist mit "Ich packe meinen Koffer" und man darf ihn nur mit Weihnachtlichem vollräumen? Oder wie wäre es mit "Schnick, schnack, schnuck" mit Schere, Stein, Papier und Feuerzangenbowle? Wir müssen aber auch nix spielen und könnten einfach schon mal unsere Zähne putzen, um nach der Schlagerchose nur mehr den Köpfer in die Horizontale machen zu müssen.
Endlich Bescherung: Der Williams Robbie ist da
21:43 Uhr: "Ich kann es wirklich nicht glauben, dass er heute da ist", sagt die Fischer Helene jetzt. Sie spricht vom Williams Robbie, der seinen brandneuen Song "Forbidden Road" mitgebracht hat. Da sitzt er nun, der inzwischen leicht angegraute Ex-"Take That"-Man, der "Hello Gorgeous!" zur Fischerin sagt und in seinem neuen Biopic "Better Man" allen Ernstes von einem Schimpansen gespielt wird, was ja irgendwie herrlich abgedreht ist. Dennoch: Wenn schon ein "Better Man", dann das von Pearl Jam, bitte.
21:52 Uhr: Die Gastgeberin und der 1974 in Stoke-on-Trent Geborene singen noch gemeinsam dessen Hit "She's the one". "Jedes Jahr singt die Fischer mindestens ein Lied kaputt", schreibt jemand auf X.
21:55 Uhr: Comedian
22:03 Uhr: "Ich freu mich, dass ich hier bei dir sein kann in dieser fantastischen Show", sagt der Silbereisen Flori mit einer Stimme, als ob er zwei Minuten zuvor noch den Hauptdarsteller eines albanischen "Low Budget"-Softpornos zu synchronisieren hatte. "Mein Guter, wenn wir uns treffen, ist das immer wieder schön und ehrlich freundschaftlich", sagt die Fischer Helene zu ihrem Ex. Leider singen die beiden dann auch noch. Ich glaub, es ist ein Song aus dem Soundtrack des albanischen Softpornos.
22:08 Uhr: Jetzt schraubt sich auch noch der De Angelo Nino auf die Bühne. Im schwarzen Rolli macht er einen auf Werbeagentur-CEO. Der Auftritt ist aber insofern bemerkenswert, als dass in der langen Historie von Playback-Auftritten nie zuvor eine grössere Distanz zwischen dem Mikrofon und den Lippen eines Sängers gemessen wurde. Das ist toll!
Ein strammer Mittelfinger beim Gewürze erraten
22:16 Uhr: Wenn man einen kleinen Dachschaden hat, könnte man in der Weihnachtszeit theoretisch auch super Gewürze erraten spielen. Ist mir nur gerade so eingefallen. Während der Garrett David, der Schnura André und der Piano Emilio performen, ist Gewürze erraten aber vielleicht eine echte Option. Was mir auffällt: Jene im Publikum, die noch vor eineinhalb Stunden vor Glückseligkeit gewinselt und liebestrunken ihre Zunge über ein Ölgemälde von der Fischer Helene gleiten haben lassen, werden jetzt auch schon etwas unrund. Hat da gerade eine 80-Jährige dem Garrett David den Mittelfinger entgegengestreckt und ostentativ ausgespuckt?
22:23 Uhr: Achtung, Achtung, es folgen weitere Spieletipps! Mit Dubai-Schokolade kann man einen grossartigen Schoko-Wackelturm bauen. Man kann sich aber auch einen 500-Gramm-Ziegel davon einfach nur auf die Birne knallen, während sich die Fischer Helene und die Kelly Maite an Cindy Laupers "Time after Time" vergehen.
22:26 Uhr: Lange rote Gummihandschuhe tragende Tänzer, die in der Garderobe vermutlich viribus unitis versucht haben, ein verstopftes WC zu reparieren, gehen mir jetzt auch schon auf den Sack. Ja, tut mir echt leid, inzwischen geht mir das alles auf den Sack. Apropos: Sackhüpfen kann man in der Weihnachtszeit auch immer ganz gut mit seinen Lieben.
22:40 Uhr: Ich musste wegen eines Treffens morgen eben schnell eine Freundin anrufen und wollte das Gespräch vor dem Hintergrund, dass ich hier ja Schwerstarbeit verrichten muss, natürlich kurzhalten, aber leider haben wir uns dann ein bisschen verplaudert, weil sie mir unbedingt erzählen musste, dass ihr gestern völlig betrunkener Lebensgefährte vor ihren Eltern "Merry Xmas" in den Schnee uriniert hat. Eine sehr schöne Weihnachtsgeschichte, wie ich finde. Hab ich was versäumt?
Am Ende noch ein bisschen Pantera und Ted Bundy
22:47 Uhr: War der De Angelo Nino eigentlich irgendwann schon mal irgendwo, ohne seinen grossen Hit gesungen zu haben? Wenn der irgendwas aus dem Baumarkt holt, singt der sicher auch immer zwischen Fliesen, Spülkästen und Kabelbindern sein fucking "Jenseits von Eden".
22:54 Uhr: Ah, im Publikum röcheln sie wieder vor Verzückung und Daseinsfreude, weil sich die Fischer Helene nun mit dem Zarrella Giovanni durch den Musical-Katalog leiert. Wer grätscht da jetzt wem deppat in den Song eigentlich?
23:02 Uhr: Man muss aber nicht immer spielen oder basteln. Man kann in der stillsten Zeit des Jahres im Kreise seiner Lieben auch ein paar Pantera- und Slayer-Nummern unter dem Christbaum singen oder sich gemeinsam ein paar schöne "Serial Killer"-Dokus anschauen.
23:11 Uhr: Ayliva schlurft noch einmal auf die Bühne, um zu singen. Sie bemüht sich sicher.
23:15 Uhr: Endlich hat sich die Fischer Helene wieder mal umgezogen. Ich konnte mit dem bordeauxroten Irgendwas nicht mehr gut umgehen. Sie trägt jetzt einen knallgelben Anzug und performt das 39. Medley des Abends. "Die Menschen im Publikum singen synchron zum Playback, warum schafft sie es nicht?", stellt jemand auf X eine berechtigte Frage.
23:18 Uhr: "Ihr Lieben, was für ein Abend. Unglaublich! Ich bin so voller Dankbarkeit", sagt die Fischer Helene am Ende einer Chose, die irgendwie gar nicht mehr aufhören wollte. Ich für meinen Teil bin nicht voller Dankbarkeit, denn es war wieder ein hartes Stück Abend und ein gewaltiges Stück Lebenszeit. Ich freu mich jetzt total aufs Gewürze erraten.
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