Es gibt keine einfachen Antworten in Sachen Asylpolitik: So lässt sich die Kernaussage von Roman Vitals Dokumentation "Leben im Paradies – Illegale in der Nachbarschaft" zusammenfassen. Vital zeigt darin anhand eines Zentrums für abgewiesene Asylanten was passiert, wenn sich die schweizerische Flüchtlingspolitik direkt vor der eigenen Haustüre abspielt.

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Das Bündner Bergdorf Valzeina ist die Kulisse für Roman Vitals preisgekrönte Dokumentation: Dort liegt das ehemalige Erholungsheim "Flüeli", das zu einem sogenannten Ausreisezentrum für abgewiesene Asylbewerber umfunktioniert wurde. Menschen, deren Asylantrag abgelehnt wurde und die die Schweiz verlassen müssen, sind in dem Heim untergebracht. Jeder Vierter in dem Bergdorf ist jetzt ein sogenannter illegaler Ausländer und erhält Nothilfe.

Regisseur Roman Vital dokumentiert mit grosser Sachlichkeit und visueller Gestaltungskraft den Alltag der Abgewiesenen und Einheimischen. Er "schafft es, dass die Dörfler erstaunlich offen über ihre Ängste und Erfahrungen berichten, er lässt den Heimleiter die Regeln erklären, einen Unterstützungsverein über mögliche Hilfe debattieren und er beobachtet den Alltag, den Frust der Bewohner", beschreibt die "Aargauer Zeitung" die Doku.

Schlechter Start

Die Voraussetzungen für das Zusammenleben zwischen den Einheimischen und den Bewohnern des Zentrums hätte schlechter nicht sein können: Stillschweigend und ohne mit der Gemeinde zu sprechen, kaufte der Kanton Graubünden 2007 das "Flüeli". Gegen den Willen der Mehrheit der Bevölkerung installierte der Kanton das Ausreisezentrum. "Da haben die Einheimischen auch das Vertrauen in die Regierung verloren", sagt Regisseur Roman Vital. Diese Vorgehensweise habe seiner Meinung nach die ablehnenden Haltung mancher Ansässiger verstärkt: "Die Leute haben es nicht gerne, wenn man nicht mit ihnen spricht. Dann kann es eben dazu kommen, dass man als Folge von verletztem Stolz sagt: Mit den neuen Nachbarn möchte ich nichts zu tun haben."

Der Zuschauer soll selber bewerten

Vital wollte die Situation in Valzeina möglichst wertfrei und neutral darstellen. Weder links- noch rechtspopulistische Vorurteile über die Schweizer Asylpolitik sollten bedient werden: "Denn wenn ich einen Film für Linke mache, erreiche ich die Bürgerlichen niemals. Und umgekehrt", sagt Vital. Den Zuschauer sieht der Regisseur als mündigen Bürger, der selber entscheiden soll, wie er das Gesehene bewertet: "Nur wenn ich versuche, jegliche Tendenz auszublenden, kann ich zeigen, dass die Situation in Valzeina nicht nur Schwarz oder Weiss ist".

Zäune bringen nichts

Roman Vital greift in seiner Dokumentation ein globales Thema auf, nämlich das Aufeinandertreffen von westlichen Privilegierten und illegalen Einwanderern. "Wir können die Zäune um Europa noch so hoch bauen wie wir wollen. Die Flüchtlinge werden so lange zu uns kommen, bis die Wohlstandsunterschiede getilgt sind. Und es ist ja auch legitim nach einer besseren Zukunft zu suchen", sagt Vital. Der Regisseur möchte mit seinem Film einen Denkanstoss bieten und zum Hinterfragen der eigenen Meinungen anregen.

Die Dokumentation "Leben im Paradies - Illegale in der Nachbarschaft" wurde unter anderem beim internationalen Filmfestival der Menschenrechte in Paris mit dem Spezial Preis der Jury ausgezeichnet. Sie ist am Donnerstag um 20.05 Uhr und am Freitag um 11:15 auf SRF 1 zu sehen.

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