Eine Schülerin vernascht beim Klassenausflug den Busfahrer, eine andere provoziert im Unterricht mit Strapse und offener Bluse. So sind die jungen Mädchen eben heutzutage! Das behauptete zumindest der "Schulmädchen-Report", die erfolgreichste deutsche Filmproduktion aller Zeiten. Vor 45 Jahren kam der erste Teil in die Kinos.
Schamlos sind sie, die jungen Dinger! Mit seiner Sensationslüsternheit wirkt der "Schulmädchen-Report" heute vor allem albern, war bei seiner Premiere aber ein Tabubruch. Am 23. Oktober 1970 kam der erste Teil des "Schulmädchen-Reports" in die westdeutschen Kinos. Er wurde ein riesiger Erfolg, sodass bald weitere Folgen gedreht und auch ins Ausland verkauft wurden. Die Filme basieren lose auf dem gleichnamigen Buch von Günther Hunold. Der Autor war eigentlich ausgebildeter Musiklehrer, widmete sich aber bald dem Geschlechtsakt in all seinen Facetten.
Die Sex-Welle rollt durch Deutschland
Mehrere Dutzend Sexbücher und Ratgeber hat er im Laufe seines Lebens veröffentlicht, von "Abarten des Sexualverhaltens" bis "Liebe zu dritt". Der "Schulmädchen-Report" ist ein Protokoll von mehreren Interviews, die Hunold mit 14- bis 20-jährigen Mädchen in München über ihr Intimleben geführt haben will.
Sex sells, erkannte zu dieser Zeit auch die Buch- und Filmindustrie. Produzent Wolf C. Hartwig witterte das Geschäft seines Lebens und kaufte die Filmrechte von Hunold. Zuvor hatte er schon zahlreiche Horror- und Abenteuerfilme und auch Erotikkomödien gedreht.
Doch noch galt das Porno-Verbot. Filme wie Oswalt Kolles "Das Wunder der Liebe – Sexualität in der Ehe" von 1968, der sechs Millionen Zuschauer anzog, sollten der Aufklärung dienen – und waren deswegen erlaubt. Um der Zensur zu entgehen, wurde auch dem "Schulmädchen-Report" ein wissenschaftlicher Anstrich verpasst.
"Typisch für die heutige Jugend"
Die einzelnen Episoden des Films sollen Beispiele aus dem Alltag von jungen Mädchen zeigen. Viel Lust und Neugier auf Sex, immer und überall. Und wenn gerade kein Mann da ist, dann muss der Rüssel des Stoffelefanten eben dran glauben. Die Fälle seien "typisch für die heutige Jugend", behaupten die Macher. Die Fälle hätten sie selbst erlebt, beteuern die Darsteller in den Filmen immer wieder. Unterstrichen wird der Pseudo-Dokumentarstil durch den Auftritt des Psychologen Dr. Bernauer, der bei den Schülerinnen eine "neue Sexualmoral" feststellte.
"Ich behaupte, dass alles, was ich gezeigt habe, im täglichen Leben vorgekommen ist, alles", verteidigte sich Produzent Hartwig im Interview mit der Medienwissenschaftlerin Annette Miersch in ihrem Buch über die "Schulmädchen"-Serie. Ziemlich heuchlerisch, finden seine Kritiker. Statt um sexuelle Befreiung ginge es Hartwig um schnöden Mammon. Die 13 Teile der Reihe sahen insgesamt 100 Millionen Zuschauer und spielten viel Geld ein.
Die Darstellerinnen wurden zu einem grossen Teil unter Verkäuferinnen im Kaufhaus gecastet, die die Gage von 500 Mark lockte. Aber auch heute bekannte Schauspieler wie Heiner Lauterbach, Ingrid Steeger, Sascha Hehn, Konstantin Wecker oder Jutta Speidel wirkten beim "Schulmädchen-Report" mit. Friedrich von Thun mimt einen Reporter, der angebliche Passantinnen auf der Strasse nach ihren sexuellen Erfahrungen befragt. Die Filme entstanden in einer Zeit, in der gesellschaftliche Werteordnungen hinterfragt und auf den Kopf gestellt wurden. Homosexualität begann sich aus der gesellschaftlichen und gesetzlichen Ächtung zu befreien, das Interesse an sexueller Vielfalt, Stellungen und Spielarten wuchs.
Das führte bei Sittenwächtern zu Schnappatmung. Der katholische Filmdienst sah in den Reporten eine "manipulierte Propagierung der 'freien Liebe'" und "Polemik gegen christliche Moralauffassungen".
Nach den Aufklärungsfilmen kommen die Alpen-Pornos
Der Ruch des Verbotenen und die Vorstellung, dass die Reporte tatsächlich die Realität abbilden, trugen aber auch zu deren Erfolg bei. Junge aufreizende Mädchen, die jeden Mann, vom Lehrer bis zum Stiefvater, verführen wollen – das ist auch heute noch der Plot der meisten Pornos. Geschlechtsteile wurden allerdings nicht gezeigt. "Das Glied ist unhygienisch anzuschauen, das wollen die Leute nicht sehen", meinte Hartwig 2010 in der "Zeit". Die Reihe "Schulmädchen-Report" verlor mit der Zeit an Reiz und an Zuschauern. Im Zuge der Sex-Welle der 1970er Jahre begann sich das Porno-Verbot allmählich zu lockern. Nach den Aufklärungsfilmen boomten klamaukige Sexstreifen rund um juckende Lederhosen und jodelnde Dirndl.
Das Ende der "Schulmädchen"-Reihe fiel mit dem Siegeszug von Porno-Kinos und Sex-Videos zusammen. Der 13. und letzte Film von 1980 nimmt etwas sentimental Abschied. Er hiess: "Vergiss beim Sex die Liebe nicht."
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