Ein Blatt Papier verdeckt die Szene, in welcher ein Modell einer Vagina gezeigt wird – der Zensurfall während der Vorführung des Schweizer Films "Die göttliche Ordnung" ist kein Einzelfall in Myanmar.

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"Wir müssen unsere Vaginas kennenlernen", sagt die Hippie-Frau im Sexualitätsworkshop und zeigt den Frauen, die auf Kissen auf dem Boden sitzen, ein Plastikmodell des weiblichen Geschlechtsorgans sowie ein Poster mit grafischen Abbildungen verschiedener Vulven. Anschliessend verteilt sie Handspiegel, damit sich jede Frau zwischen den Beinen anschauen kann.

Dies ist eine Szene des Schweizer Films "Die Göttliche Ordnung" von Petra Volpe, der im appenzellischen Herisau im Jahr 1971 spielt. Die Komödie handelt vom Kampf für das Frauenstimmrecht und wird in Myanmar im Rahmen des diesjährigen Europäischen Filmfestivals in Yangon gezeigt.

Prüde Zensurbehörde

Nur: Anscheinend würde mit der grafischen Darstellung des weiblichen Geschlechtsteils dem Publikum hier zu viel zugemutet – deshalb wird bei der entsprechenden Stelle ein Stückchen Papier vor den Beamer gehalten, um den scheinbar anrüchigen Teil zu verdecken.

Nicht die ganze Szene, sondern nur das Modell sowie das Poster werden verdeckt – jedoch mehr schlecht als recht und ein paar Augenblicke zu spät, so dass das Publikum die Vulven trotzdem kurz zu sehen bekommt. Gelächter geht durch den Saal des Nay Pyi Taw Kino.

Der Ton läuft indes die ganze Zeit weiter; der Film wird in Schweizerdeutsch mit englischen Untertiteln gezeigt. Dasselbe geschieht bei der Schlussszene, bei welcher die Hauptdarstellerin von ihrem Ehemann oral befriedigt wird, aber wo man eigentlich nur den Kopf des Ehemanns zwischen ihren Schenkeln sehen würde.

Bei diesem Eingriff handelt es sich um keinen Einzelfall: In Myanmar müssen alle Filme, die in einem öffentlichen Kino gezeigt werden, zuerst vor die Zensurbehörde. Nicht selten kommt es dabei zur Zensur einiger Szenen, die dann vor Ort während der Vorstellung mit einem Stück Papier verdeckt werden.

Franz-Xaver Augustin, Direktor des Goethe-Instituts in Yangon, welches das Filmfestival zusammen mit der Delegation der Europäischen Union organisiert, hat jahrelange Erfahrung mit der Zensurbehörde: "Es werden immer nur Nacktheit oder Sexualität zensiert, nie aber politische oder gewalttätige Szenen", sagt er.

So wurden in Yangon am diesjährigen Festival auch Filme über Nazis, Homosexualität, Drogen, Zigeuner, den Prager Frühling oder alleinerziehende Mütter gezeigt. "Wir möchten mit dem Festival den kulturellen Austausch zwischen Myanmar und Europa fördern und mit den Filmen die Diversität Europas aufzeigen", so Augustin.

Filme mit politischer Botschaft

Die Schweizerische Botschaft in Myanmar nimmt bereits seit mehreren Jahren am Europäischen Filmfestival teil und reicht jeweils einen Gastbeitrag ein. In der Vergangenheit sei es bereits zu zensierten Szenen gekommen. Dass es nun auch "Die göttliche Ordnung" getroffen hat, überrascht Agnès Christeler nicht.

Der Chefin der Politik-, Wirtschafts- und Kultursektion der Botschaft in Yangon ist aber vor allem die politische Botschaft des Films wichtig: "Er zeigt auf eine gelungen warme, humorvolle und verständliche Weise das universell relevante Thema der Frauenrechte auf, welches wiederum ein wichtiger Bestandteil der Schweizerischen Aussenpolitik und unserer Entwicklungszusammenarbeit mit Myanmar ist."

Die Wahl sei auch deshalb auf diesen Film gefallen, weil er ganz allgemein vom Kampf für politisch und sozial benachteiligte Gruppen handle, sowie vom Mut, sich entgegen bestehenden sozialen Druckes für deren Rechte einzusetzen. "Da sich Myanmar zudem gegenwärtig in einer politischen Transitionsphase befindet, liefern auch die Einblicke ins direktdemokratische System der Schweiz für das vorwiegend junge Publikum spannendes food for thought", so Christeler.

Das Europäische Filmfestival in Yangon ist landesweit das älteste Festival für Kunst und Kultur aus dem Ausland. Es wurde 1991 von einem kleinen Kreis von Botschaften ins Leben gerufen, als Alternative zur damaligen staatlichen Propaganda unter der Militärdiktatur. Mit anspruchsvollen Filmen versucht das Festival auch heute, die Vielfalt Europas zu repräsentieren und einen Gegenakzent zu den üblichen Blockbusters aus Hollywood und Bollywood zu setzen.  © swissinfo.ch

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