Sie mögen Witze über ältere Menschen? Oder über Menschen, die mehr wiegen als Sie selbst? Dann dürfte Ihnen die neueste Folge von Stefan Raabs "Du gewinnst hier nicht die Million" am Mittwochabend gefallen haben. Wer hingegen gutes Fernsehen mag, sollte sich in Zukunft lieber woanders umsehen.

Christian Vock
Eine Kritik
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Stefan Raab, das ist der Mann, der in den 1990er-Jahren das Rüpelhafte im Fernsehen zwar nicht salon-, aber zumindest sendefähig machte. Mit seinen Songs mischte er mal den ESC, mal den Bundestrainer und mal des Deutschen Faible für Ulk-Songs auf. Mit "TV total" verlieh er der Late-Night-Show einen neuen Anstrich, mit "Schlag den Raab" der Spiel-Show. Und seine "TV total"-Events spielten noch einmal in einer ganz anderen, selbst kreierten Liga. Mit anderen Worten: Was Stefan Raab anfasste, das war mal innovativ.

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Dann, vor aufgerundeten zehn Jahren, als er seine Shows mehr lustlos als innovativ dahin moderierte, machte Raab erst einmal Schluss mit Fernsehen, zumindest vor der Kamera. Dann kam er zurück. Mit mächtig viel Getöse, einem aufwändigen Show-Box-Kampf und dem Versprechen auf eine regelmässige TV-Präsenz. Nun ist diese Rückkehr ein paar Wochen alt und mit ihr die Gewissheit, dass der von manchen erhoffte Knall, also eine weitere Fernseh-Innovation, ausgeblieben ist.

Mit "Du gewinnst hier nicht die Million" (RTL+) hat Raab lediglich sein "TV total"-Konzept ein wenig überlackiert und mit "Schlag den Raab"-Elementen gemixt: Stand-up, Einspieler aus kuriosen TV-Momenten, ein prominenter Talk-Gast und im Anschluss ein paar Spielchen mit einem Normalo-Kandidaten. Nein, innovativ ist das beileibe nicht. Das ist stattdessen Nostalgie-Fernsehen für Fans der 2000er und für Menschen, deren Humor sich wie der von Raab über die Jahre nicht weiterentwickelt hat.

Witze übers Alter – ernsthaft?

Denn Raab macht sich auch in der neuesten Ausgabe von Mittwochabend über Menschen lustig, über die er sich immer schon lustig gemacht hat: alle, die nicht so alt, nicht so normalgewichtig, nicht so rhetorisch geschult und so männlich sind wie er. Das klingt dann zum Beispiel so: "Joe Biden hat Geburtstag, wird heute 85. Das heisst: Er darf jetzt offiziell beim 'Golden Bachelor' mitmachen." Das reicht Raab aber noch nicht und so macht er weiter mit seiner Schmähung der Teilnehmer beim "Golden Bachelor", einer Kuppelshow für ältere Menschen: "Was passiert mit dem Sieger? Kriegt der 'ne Packung Granu Fink?"

Und weil ihm Witze übers Alter offenbar so gut gefallen, kann er gar nicht mehr damit aufhören: Als es um GEMA-Abgaben für das Abspielen von Liedern geht, witzelt Raab: "Ich glaub, es gibt so eine Regel: Wenn der Urheber des Songs bereits seit 70 Jahren tot ist, dann fallen keine Kosten mehr an für diejenigen, die die Songs spielen. Das heisst im Klartext: Dieter-Bohlen-Songs sind okay."

Nun kann man sich streiten, ob das reine Alter einer Person als Witzgrundlage taugt oder nicht, aber alleine handwerklich strotzen die Biden-, Bachelor- und Bohlen-Witze nicht gerade vor Esprit, schliesslich ist die einzige Pointe die, dass jemand alt ist. Oder bereits "am Jenseits schnuppert", wie Raab es formuliert. Wow. Aber das Florett war noch nie Raabs Lieblingswaffe, er kloppt lieber mit dem Holzhammer und noch lieber dann, wenn er dabei eine Mehrheit hinter sich glaubt.

Darf's noch ein bisschen Bodyshaming sein?

Und weil Raab vielleicht glaubt, dass Menschen wie Markus Söder, Sahra Wagenknecht oder Alice Weidel ihm diese Mehrheit verschafft haben, weil sie seit Monaten die Grünen in einem ebenso irrationalen wie wahltaktischen Furor für so ziemlich alles im Land verantwortlich machen, nimmt auch Raab am Mittwochabend die Grünen ins Visier. Erst macht er sich über den Namen des Grünen-Politikers Klemens Griesehop lustig, dann zeigt er einen Ausschnitt, in dem sich Griesehop bei einer Rede verhaspelt. Noch einmal: wow.

Aber Raab hat sich warmgelaufen und so ist nun Ricarda Lang dran. "Oder wie wir sie nennen: die Maite Kelly der Grünen", kalauert Raab auf sogar für seine Verhältnisse unterirdischem Niveau und unterbietet sogar noch das. Als er einen Ausschnitt zeigt, in dem Annalena Baerbock neben einer weinenden Ricarda Lang sitzt und etwas auf dem Tisch mit einem Taschentuch wegwischt, fragt Raab: "Was hat sie weggewischt? Die Bratensosse oder was?" Bodyshaming im Jahr 2024 – ein drittes Mal: wow.

Und selbst die Abschlusspointe ist Raab nicht zu peinlich. Als ihm vermeintlich mitgeteilt wird, dass Lang nach ihrem Rücktritt als Parteivorsitzende weiter im Bundestag sitzt, witzelt Raab: "Das heisst, sie wird weiter von den Bürgern durchgefüttert?" Ein letztes Mal: wow. Und während die Kamera über feixende Männer schwenkt, dürften sich spätestens hier all diejenigen Zuschauer, die keine alten, weissen Männer sind oder sich trotzdem ein gewisses Mass an Anstand und Empathie bewahrt haben, wünschen, dass Stefan Raab in der Versenkung geblieben wäre.

Gekommen, um zu verlieren

Bis dahin sind gerade einmal zehn Minuten vorbei und es ist trotzdem bereits so dummes Fernsehen, dass einem übel wird. Da ist es umso absurder, dass Raab nur wenig später Designer Harald Glööckler zeigt, wie er eine Kandidatin seiner Show mit den Worten "Du kannst auf ein Dorf gehen – Käse verkaufen" runterputzt. "Was ist das denn? Die Landbevölkerung dissen?", fragt da Raab scheinheilig. Am Ende ist Glööckler aber auch wieder nur Ziel des Spotts, weil er anders ist, zumindest anders als Raab.

Raab
Laura Wontorra und Axel Rehker beobachten Stefan Raab beim Bierpong spielen. © RTL/ Raab ENTERTAINMENT / Christos Lappas

Damit diese Art von Humor funktioniert, braucht es allerdings ein gewisses Mass an Glauben, besser zu sein, als die, über die man spottet. Das überrascht, schliesslich liefert Raab am Mittwochabend in den restlichen Minuten seiner Show keinen Grund für dieses Selbstbewusstsein. Denn wie bereits erwähnt, hatte Raab neun Jahre Zeit, sich etwas Innovatives auszudenken und ist am Ende bei einem Mix aus "TV total" und "Schlag den Raab" gelandet. Und so spielt er mit seinem Kandidaten diesmal Bierpong oder Kart-Fahren – ganz so, wie er es damals schon gemacht hat.

In den 2000ern wäre das also ein Knaller gewesen, 2024 ist das doch reichlich altbacken, vor allem aber langweilig. Denn in den bisherigen Ausgaben lag der höchste Betrag, den ein Kandidat hier gewonnen hat, bei 1.000 Euro. Und auch wenn Axel, der Kandidat vom Mittwochabend, es mit viel Rateglück bis zur neunten von 14 Runden schafft, hat man nicht den Eindruck, dass er oder irgendein anderer Kandidat es jemals bis zur Million schaffen wird. "Du gewinnst hier nicht die Million" ist also offenbar nicht nur der Titel der Show, sondern auch deren Konzept. Das ist aber auch schon das einzig Innovative an Raabs Comeback.

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