Wenn auf einer Party plötzlich ein Pur-Song gespielt wird, gibt es zwei Möglichkeiten: Entweder die Gäste verabschieden sich grusslos oder aber alle springen auf und grölen mit. Bei der gestrigen Folge von "Sing meinen Song" hatten die geladenen Promis die erste Option schon einmal nicht. Und das war auch gut so – zumindest bei den Damen.

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Im Mittelpunkt von "Sing meinen Song" stand diesmal Hartmut Engler. Der Sänger und seine Band Pur bringen seit Jahrzehnten Stadien mit ihren eingängigen Deutsch-Pop-Liedern zum Toben und die Karaoke-Maschinen der Republik zum Glühen. Pur, das ist eine riesige Erfolgsgeschichte.

Die singende Einbauküche

Dabei ist es mit der Band irgendwie wie mit der "Bild"-Zeitung. Keiner hört sie, aber trotzdem verkaufen sie sich millionenfach. Man mag sie oder man hasst sie, den allerwenigsten dürfte die Band und Sänger Engler einfach egal sein. Oder wie es Xavier Naidoo gestern ausdrückte: "Ich wäre vielleicht früher Pur-Fan gewesen, wenn du nicht so komisch ausgesehen hättest." Dass dann ausgerechnet Die Prinzen den Abend eröffneten, hatte schon fast etwas Subtiles: Schliesslich wurde den beiden Bands zu ihren erfolgreichsten Zeiten eine gewisse Feindschaft nachgesagt.

Trotz der Beteuerungen von Sebastian Krumbiegel und Tobias Künzel, dass an dieser Fehde nie etwas dran gewesen sei, könnte man ihren Auftritt aber als verspätete Feindschaftsanfrage werten. Ihr Medley aus den Pur-Klassikern "Ich denk an dich" und "Lena" hatte nämlich etwa so viel Esprit wie eine Einbauküche aus den 1990er Jahren. Während Krumbiegel sein "Ich denk an dich" so gekünstelt langweilig einsprach, wie einst seine Prinzen-Songs, machte Künzel aus "Lena" eine Junggesellenabschieds-Karaoke-Nummer. Viel uninspirierter geht es nicht! Die erste Erkenntnis des Abends: Prinzen oder Pur – da mag jeder seine Vorlieben haben. Aber Prinzen, die Pur singen, das geht gar nicht.

Der Pur-Effekt

Doch was, wenn die armen Prinzen gar nichts dafür können? Wenn Pur-Songs einfach immer nach Pur-Songs klingen und deshalb am besten gleich von Pur gesungen werden sollten? Der Verdacht liegt nahe, denn schliesslich gab Sänger Hartmut Engler in der vergangenen Folge zu, dass er aus jedem Lied, das er singt, immer einen Pur-Song macht. Warum sollte es also nicht auch anders herum so sein?

Als ob sie genau diesen Beweis antreten wollten, brachten die anderen Herren der Runde zwar immer ihren ganz eigenen Touch in die Lieder, aber spätestens beim Refrain klang dann wieder alles nach der Band aus Bietigheim-Bissingen. Bourani drehte sein "Funkelperlenaugen" durch den Soul-Fleischwolf, Xavier Naidoo überraschte in seiner Version der Pur-Hymne "Abenteuerland" mit einer Rap-Einlage, und Rocker Daniel Wirth sorgte mit einer ganz reduzierten Interpretation von "Wenn sie diesen Tango hört" dafür, dass Engler auf der Couch heulte wie ein Schlosshund. Das waren beseelte, verblüffende und rührende Momente, aber eben doch immer noch irgendwie Pur.

An sich ja nichts Schlimmes, wenn man Pur mag. Aber der Reiz dieser Sendung liegt ja nun mal darin, dass jeder Sänger, jede Sängerin aus den Liedern der anderen etwas ganz Besonderes macht. Ob es an dem erzählenden Gesangsstil von "Märchenonkel" Engler liegt, an den eigenwilligen Wortkreationen wie "Funkelperlenaugen" oder einfach an der kompositorischen Individualität der Band: Man bekommt Pur einfach niemals aus den Liedern raus.

Die Waffen der Frauen

Oder etwa doch? Ja! Und nochmals Jaa! Und, ach komm, noch einmal: Jaaaa! Ob man nun Pur mag oder nicht: Auch am gestrigen Abend gab es diese Momente, bei denen einem der Mund nicht zugeht. Und das lag diesmal einzig und allein an der Damenwelt. Die schafften nämlich das Kunststück, an dem sich die Herren vergeblich versuchten: Pur aus den Liedern zu singen und ihr ganz eigenes Ding daraus zu machen.

Yvonne Catterfeld sang mit ihrer Version von "Geweint vor Glück" Hartmut Engler regelrecht an die Wand. Sparsam begleitet, trieb sie so gekonnt Silbe für Silbe diese tausendmal gehörte Eingängigkeit aus dem Lied, dass man ihr dafür nicht genug danken kann. Selbst einen Zungenbrecher wie "Zweifelsmarterpfeile", entliess sie in die Freiheit als sei es das banalste Wort der Welt und zerbrach damit das grosse Kennzeichen der Pur-Texte. Etwas Schöneres hätte sie dem Lied nicht antun können.

Ihr in nichts nach stand die Österreicherin Christina Stürmer. Sie brachte, wie Engler es ausdrückte, "eine Körperlichkeit" in ihren Song "Herzbeben", der vergessen machte, dass es jemals von Pur überhaupt gespielt wurde. Vielleicht ist eine Frauenstimme ja der Weg, um Pur-Hasser mit der Band zu versöhnen. Das hat vielleicht sogar Hartmut Engler selbst erkannt, denn über Stürmers Auftritt sagte er selbst "Ich glaube, es muss tatsächlich eine Frau singen." Also bitte.

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