In "Sofa Stars" dreht RTL die Kamera um und zeigt seine Zuschauer beim Betrachten des eigenen Programms. Leider sind die genauso schlimm, wie man es befürchtet.

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"Second Screening" ist seit einigen Jahren das Zauberwort der TV-Branche. Der Zuschauer interagiert mit dem Programm mittels Smartphone oder Tablet. Aber eigentlich ist der Begriff Ausdruck eines Problems: Das, was ich sehe, interessiert mich so wenig, dass ich mich lieber mit meinem Handy beschäftige. Im besten Fall teile ich das der Welt auf Twitter oder Facebook mit. Böse Zungen behaupten, der "Tatort" erfreue sich genau deswegen seit einigen Jahren immer grösserer Beliebtheit: Weil man sich so herrlich darüber aufregen kann, wie schlecht die letzte Folge mal wieder war.

Aber Fernsehsender wollen natürlich, dass ihr Programm gesehen wird - oder zumindest eingeschaltet. Die Quote entscheidet über den Preis der Werbeblöcke. Also versucht man, dem Zuschauer mit jedem Mittel zurück in die Fernsehwelt zu holen. Das hat dazu geführt, dass uns in vielen Sendungen Twitter- und Facebookbeiträge vorgelesen werden. RTL geht jetzt einen anderen Weg: Die Zuschauer werden zum Programm.

Darum ist das RTL-Programm so, wie es ist

In "Sofa Stars" schauen "sieben deutsche Haushalte mit sieben schonungslosen Meinungen" Shows des Kölner Senders. Seit 2010 läuft das Format in unregelmässigen Abständen innerhalb des RTL-Magazins "Punkt 12". Nun produzierte der Sender testweise die erste eigene Folge. In der Pressemeldung heisst es, das Format sende aus der "Sicht der Menschen, für die Fernsehen gemacht wird". Zumindest weiss man jetzt, warum das Programm von RTL so ist, wie es eben ist.

Die Teilnehmer sind offenbar aus dem Reality-TV-Pool des Kölner Senders gecastet, mit Fokus auf Bedienung des maximalen Klischees. Ein kölsches Ehepaar sitzt in seinem Campingwagen auf der Couch, natürlich stilecht mit gezwirbeltem Schnurrbart und einer Lache, als gurgele man schon morgens Jägermeister. Ein anderes Paar mit offensichtlicher Vorliebe für Bräunungscreme beschimpft sich fortwährend, während Hund "Rolex" auf der Couch fläzt. Zwei weitere Damen fungieren als Werbeträger der Silikonindustrie und tragen von Ausschnitt zu Ausschnitt mehr Ausschnitt. Wahrscheinlich sehen wir sie in zwei Wochen beim Start der neuen "Bachelor"-Staffel wieder.

"Ich habe seinen Pipi gesehen"

Es ist also klar: Dies sind keinen echten Zuschauer. Aber wenn sich das RTL-Team schon die Mühe gemacht hat, diese Menschen zu casten, warum hat es ihnen nicht auch noch ein paar witzige Dialoge spendiert? Eine Stunde sieht man ihnen dabei zu, wie sie "Bauer sucht Frau", "Schwiegertochter gesucht", "Adam sucht Eva" und einen Kampf von Wladimir Klitschko auf der heimischen Couch verfolgen. Das bietet eigentlich jede Menge Angriffsfläche. Doch die Kommentare reichen nur von "Ich habe seinen Pipi gesehen" (bei "Adam sucht Eva") bis zu "Ja, Mann. Ich hoffe er kriegt die Nase aufgebrochen" (Wladimir Klitschkos Boxkampf). Da ist selbst ein Fernsehabend mit den Grosseltern unterhaltsamer.

Überhaupt ist unklar, was RTL mit diesem Format bezweckt. Satire in der Satire? Ein Sender, der seine peinlichsten Formate hervorkramt, um sie von peinlichen Menschen kommentieren zu lassen? Damit die Zuschauer vorm Fernseher sich wiederum peinlich berührt fühlen? Diese verquere Logik macht selbst im Senderkosmos von RTL keinen Sinn. "Sofa Stars" ist nur eine weitere Show, die dem Zuschauer weismachen will, dass es unterhaltsam ist, Mitmenschen mit ihren Macken zuzusehen. Zumindest das wäre jetzt ein für alle Mal geklärt: Das ist es nicht.

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