Eine der wichtigsten Zutaten für das RTL-Erfolgsrezept Trash-TV ist der so genannte Beef. Beef ist nicht nur das englische Wort für Fleisch (oder konkreter gesagt: Rindfleisch), sondern in Teenagersprache ein Begriff, der einen Streit bezeichnet.

Eine Kolumne
Diese Kolumne stellt die Sicht von Marie von den Benken dar. Informieren Sie sich, wie unsere Redaktion mit Meinungen in Texten umgeht.

Vorsicht! Diese Kolumne dreht sich um Folge 2 vom "Sommerhaus der Stars", die seit 17. September auf RTL+ zu sehen ist und am Dienstag, 24. September, im linearen TV ausgestrahlt wird.

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Man hat Beef miteinander heisst also nicht (schreiben Sie sich das gerne in ihren "Jungendwort des Jahres"-Kalender), man würde sich gemeinsam bei McDonald's einige Paletten tiefgefrorener Leichenteile reinpfeifen, sondern dass man sich wüst beschimpft, weil man in elementaren Dingen unterschiedliche Auffassungen vertritt. Mit den Teens in "Teenagersprache", das nur zur popkulturellen Einordnung, sind in diesem Fall übrigens nicht nur die Geburtenjahrgänge zwischen 2008 und 2014 gemeint, sondern im Prinzip alles ab Jan-Josef Liefers abwärts.

Diese Saison kommt besagter Beef jedenfalls in formvollendeter Doppeldeutigkeit. Ein lupenreiner Geniestreich des RTL-Ernährungsbeauftragten, der dieses Jahr zum vegetarischen Promivergraulen aufgerufen hat. Ein fleischloses Sommercamp der Karriere-Schiffbrüchigen, das gab es noch nie. Dabei hängt der Sommerhaussegen auch ohne Tönnies-Kaviar ohnehin zumeist schon schiefer als die Argumentationsketten von Tino Chrupalla im Sommerhaus der False Balance, das sich unter dem Decknamen "Der Talk mit Markus Lanz" beim ZDF ins Routineprogramm geschmuggelt hat.

Wutwurstbürger im Campingstuhl-Idyll

Jetzt gesellt sich zu den traditionell stets nach wenigen Sekunden in der Bocholter Einöde bereits blank liegenden Nerven auch noch ein vom Kölner Privatsender für D-Promi-Karrierestauauflösungen aufoktroyierter Fleischentzug. Da ist Veganer-Frontfrau Tessa Bergmeier nebst ihrem Sidekick Jakob naturgemäss freudig überrascht, aber gegenüber dem Rest der Billig-Fleischkäse-Liebhaber gleichzeitig auch unmittelbar in der Defensive. Die Wutwurstbürger, die sich dieses Jahr um das Campingstuhl-Idyll im Vorgarten des Sommerhauses scharen, sind durch die Bank hochdekorierte Kardiologen, und wissen daher: Mehrere Wochen kein Fleisch, davon kann man blind werden oder, noch schlimmer, Follower verlieren.

Entsprechend entrüstet fallen die Beef-Bataillone, angeführt von Gammelfleisch-Cheerleader Raúl Richter und seiner Argumentations-Adjutantin Vanessa, auch diese Woche wieder hemmungslos über Tessa und Jakob her, die am Ende der zweiten Episode während der Nominierungs-Zeremonie alle Stimmen der anderen sieben Paare erhalten. Ein Misstrauensvotum, das in dieser Eindeutigkeit nicht mal Olaf Scholz zu befürchten hätte.

Beef zwischen Sam und Umut

Der grösste Beef scheint sich dann am Ende aber doch nicht um Tessa und die Omnivoren-Fraktion zu entspannen, sondern um die intellektuellen Brandsätze Umut Tekin/Emma Fernlund sowie Sam Dylan/Rafi Rachek. Umut jedenfalls schreit bereits im Vorspann über den Gartenzaun an die Adresse von Dylan/Rachek: "Solange ich hier bin, wird das eure Hölle sein!"

Was genau diese Trash-TV-ikonische Drohung provoziert hat, verrät die Cliffhanger-Manufaktur RTL nicht sofort. Da muss man schon zwei Stunden investieren, um zu verstehen, was Umut (wie immer eine Mischung aus dem Minipli von Tony Marshall und der geistigen Frische von Lukas Podolski) erneut derartig in Rage bringen konnte. Schon vor Wochenfrist hätte er Discounter-Diva Sam Dylan um ein Haar nonverbal in die ewigen Jagdgründe strafversetzt, wenn dieser nicht geistesgegenwärtig geleugnet hätte, Umuts Freundin Emma kurz zuvor mit einer Prostituierten verglichen zu haben.

Insgesamt eine der bereits jetzt bizarrsten Handlungsstränge der Staffel ist, dass ausgerechnet Sam Dylan, der in seinen hautengen Ganzkörpertaucheranzügen, die er konsequent zumindest zu den Challenges trägt, immer aussieht, als hätte Ed Hardy nach einer Magenvergiftung sein Acht-Gänge-Degustationsmenü vom Vorabend auf sein Bodypainting erbrochen, andere in Stilfragen beurteilt.

Raúl Richter reicht's

Anschliessend gibt es noch schnell einen redaktionellen Querverweis auf die Absurdität der Fleischesser-Wahrnehmungsstörung, an jeder Ecke würden ihnen militante Veganer auflauern, um ihnen einen unangemeldeten Vortrag über Ernährungsphilosophie zuteil werden zu lassen. Raúl Richter demonstriert, dass er als Ernährungsberater ähnlich talentiert ist wie als Schauspieler.

Einen ganzen Abend lang referiert er darüber, dass er veganes Essen wirklich nicht leiden kann und dass er Fleisch braucht und dass er ein freier Mensch ist, der sich nichts verbieten lässt und was dieser vegane Quatsch überhaupt soll - nur um dann nach einem Monolog, während dem man auch locker hätte Mandarin lernen können, folgende Quintessenz zu präsentieren: "Ich kann dieses Gerede über vegan nicht mehr ertragen!" Das ist ein bisschen so, wie sein Auto anzuzünden, weil die Benzinpreise gestiegen sind, und dann zu verkünden: "Die Grünen wollen mich zum Kauf eines Elektroautos zwingen!"

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Was ist eigentlich eine Zeitungsente?

Zum Glück gibt es ja auch noch die Spiele. Oft eine Adaption aus bekannten Formaten mit Challengehintergrund. So auch das erste heutige Spiel, eine Mischung aus "Wer wird Millionär" und Ekelprüfung im Dschungelcamp. Wobei die Spielregeln lauten, dass die Paare widerliche Speisen essen müssen, wann immer ihr Wissen nicht ausreicht, eine relativ einfache Quizfrage zu beantworten. Oder anders gesagt: Genau genommen ist das Spiel ausschliesslich eine Ekelprüfung, denn schon beim Buchstabieren des Wortes "Silhouette" kann kein einziges der acht Paare mehr mithalten.

Besonders filigran als Fragen-Vorträger zeigen sich Umut Tekin ("Buchstabiere das Wort Silhoouhädd") und Rafi Rachek ("Sillulett"). Auch einen Ehrenplatz in der Sommerhaus Ahnengalerie müsste Emma Fernlunds Antwort auf die Frage "Was ist eine Zeitungsente?" erhalten: "Jemand, der Zeitungen austrägt?" Skandalöserweise lässt RTL diese Antwort nicht gelten, obwohl sie nachweislich richtig ist. Eine Zeitungsente ist jemand, der Zeitungen austrägt. Das darf man nur nicht mit einem Zeitungsboten verwechseln. Das ist jemand, der Schiffe aus alten Tageszeitungen bastelt. Ungekrönte Queen der Antworten ist dann jedoch eindeutig Rafi Racheks Vermutung, wie wohl die Wissenschaft heissen könnte, die sich mit der Beobachtung und Erforschung von Vögeln beschäftigt: "Sexualität!"

"Du hast dich herabgelassen gefühlt!"

Das Kölner Vordenkerduo Alessia Herren und Can scheidet nach wenigen Sekunden aus. Can erbricht sich bereits nach dem Verzehr der allerersten Speise und das Spiel wird entsprechend abgebrochen. Alessias Unverständnis, warum man es nicht wenigstens mal probieren würde, teilt der rheinländische Vollzeitmacho nicht: "Halt die Fresse!" Nach diesem argumentativ etwas schwachen Einwand schleicht Alessia heulend durch den Vorgarten, wo sie von Tobias Pankow und Ex-Freundin Sarah Kern sowie Paartherapeut Sam Dylan tröstend umsorgt wird. Dylan findet naturgemäss als erster die richtigen Worte: "Du hast dich herabgelassen gefühlt!" Allerdings möchte man da sagen. So richtig fies herabgelassen, wie so eine Hängebrücke. Ein paar Meter weiter in einem anderen Teil des westmünsterländischen Urlaubsparadies versucht Umut seinen Neubuddy Can aufzubauen: "Frauen kann man nicht verstehen! Die haben ganz andere Hormone, glaube ich!"

Diese Bemühungen von Endokrinologe Umut kommen nicht bei der gesamten Sommerhaus-Besatzung gut an. Berufslästerer Sam Dylan attestiert: "Umut fährt jetzt hier die Bro-Schiene!" Aber auch Umut-Herzdame Emma findet sein Engagement für fremde Paare befremdlich. Warum kümmert er sich um alle anderen - nur nicht um sie? Mit dieser Beobachtung konfrontiert eilt Umut zum Reflektieren auf das stille Örtchen, auf dem er gebetsmühlenartig sein Mantra "Nimm es nicht persönlich" aufsagt. Über der Toilette hängt ein langer, weisser Vorhang, damit die 529 Kameras den Prominenten nicht beim Toilettengang zusehen können. Dieser lange, schmale, oben spitz zulaufende Vorhang sieht immer so aus, als hätte der Geschichtslehrer Björn Höcke einen Ku-Klux-Klan-Aktivisten zum Schämen in die Ecke gestellt, weil er nicht korrekt aus "Mein Kampf" zitieren konnte.

Sorgen diese Promipaare im "Sommerhaus der Stars" für Stress?

Ramon Wagner, unser "Sommerhaus der Stars"-Experte gibt seine Einschätzung ab: Bei diesen drei Paaren könnte es Stress geben.

Beim Ekelspiel haben übrigens am Ende Theresia Fischer und ihr Zahnarzt immerhin zwei Fragen korrekt beantwortet - was vollkommen für den Tagessieg und den damit verbundenen Nominierungsschutz ausreicht. Damit die Abstimmung am Abend besonders dramatisch wird, gibt es noch ein zweites Spiel, bei dem Alessia vermutet, der G-Punkt stünde "für das G!" Klingt für mich plausibel. "Punkt 12" kommt ja auch um 12! In diesem Spiel können sich überraschend Gloria Glumac und Michael saven und somit nicht nominiert werden.

Showdown im Abendhimmel

Entsprechend stehen zum ersten Showdown im Abendhimmel nur mehr Alessia/Can, Tessa/Jakob, Sam/Rafi, Tobias/Sarah sowie Umut/Emma zur Wahl. Theresia/Stefan sowie Gloria/Michael haben sich diese Woche unwählbar gesiegt, Raúl/Vanessa bereits in der vergangenen. Zur Überraschung aller bedeuten die schon oben im Text gespoilerten sieben Stimmen für Tessa/Jakob nicht das automatische vorzeitige Ende. Das RTL-Regelwerk ist immer für eine Überraschung gut und schickt Tessa und Jakob für den Folgetag (gezeigt selbstredend spannungsbogenaffin erst nächste Woche) in ein Ausscheidungs-Duell mit Tobias Pankow uns Sarah Kern, die die einzige Stimme erhalten hatten, die nicht an Tessa ging: die von Tessa selbst.

Beide hadern anschliessend mit der Fairness und sind sichtbar schockiert. Vor allem Tobias Pankow zeigt sich gleichsam unversöhnlich wie Challenge-nervös: "Tessa ist eine radikale Aktivistin. Radikale haben im Fernsehen nichts zu suchen!" Hobbyjäger Tobias hat offenbar schon lange keine Talkshow mit Markus Lanz gesehen.

"Solange ich hier bin, wird das eure Hölle sein!"

Wie schon angedeutet eskaliert der Sommerhaus-Beef dann allerdings in eine ganz andere Richtung, Sam Dylan belauscht ein Gespräch, in den nochmals die Vorgänge des Vortags behandelt werden, als er Emma eine Nähe zum horizontalen Gewerbe nahelegte. Ehrgekränkt eilt er ins Wohnzimmer und fuchtelt bis in die durchblondierten Haarspitzen erregt mit einem langen Brotmesser vor Emmas Gesicht rum. Nach der Prostituierten-Analogie vom Vorabend ein neuerlicher Fauxpas: "Bist du geisteskrank, du fuchtelst mit dem Messer vor mir rum?"

Harmonieikone Theresia Fischer schlägt sich umgehend auf die Seite ihres Lästerbruders Dylan und verkündet: "Emma drückt auf den Tränenknopf!" Was natürlich zutreffend ist, denn jeder weiss: Bei Tessa kommen die Tränen auf Drüsendruck. Umut sieht den Mordanschlag auf seine Freundin überraschenderweise weniger locker und kündigt, hier schliesst sich nun der Kreis, quotengarantierend lautstark über den gesamten Gartenbereich hinweg: "Solange ich hier bin, wird das eure Hölle sein!"

Der an der Szene gar nicht beteiligte Rafi Rachek, der während des vermeintlichen Messerattentats auf Emma Fernlund nicht mal im Raum war, positioniert sich umgehend als Konterpart: "Du laberst Dünnpfiff, du Psychopath!" Ob der Psycho-Dünnpfiff oder der Messerstecher in der kommenden Woche für sein Verhalten in irgendeiner Weise diszipliniert wird, das verrate ich am Mittwoch direkt hier. Bis dann.

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