Die fünfte Woche im Sommerhaus der Injurie-Akrobaten wird als eine der am sehnlichsten erwarteten Episoden des inzwischen auf neun Staffeln angewachsenen Verdummungs-Franchise in die Trash-TV-Historie eingehen. Warum, fragen Sie jetzt zurecht.

Eine Kolumne
Diese Kolumne stellt die Sicht von Marie von den Benken dar. Informieren Sie sich, wie unsere Redaktion mit Meinungen in Texten umgeht.

Vorsicht! Diese Kolumne dreht sich um Folge 5 vom "Sommerhaus der Stars", die seit 8. Oktober auf RTL+ zu sehen ist und am Dienstag, 15. Oktober, im linearen TV ausgestrahlt wird.

Mehr News zum "Sommerhaus der Stars"

Nun, das ist gleichsam betrüblich wie einfach erklärt: Die Cliffhanger-Olympiasieger von RTL haben es geschafft, den perfekten Spannungsbogen von Folge 4 auf Folge 5 zu kreieren. Schöner hätte man es sich nicht malen können. Zum einen steht das nach wie vor intern meistgehasste Paar des Hauses, Tessa Bergmeier nebst Freund Jakob, erneut in einer Exit-Challenge, obwohl sie auch in der vergangenen Woche wieder mit Abstand die meisten Stimmen für einen sympathiebedingten Abgang aus der romantischen Ruhe des Bocholter Ferienidylls erhalten hatten (dieses Mal gegen Beinverlängeruns-Testimonial Theresia Fischer und ihren Stefan).

Zum anderen hatte sich Willi Herrens Tochter Alessia Herren in der Vorwoche vom ruhigen, unscheinbaren Wellness-D-Promi zu einer ausgewachsenen Hass-Furie hocheskaliert und mit Vokabeln wie "Missgeburt" einen Empörungs-Tsunami bei den Zuschauern ausgelöst. Zu Tausenden tippte man sich die Finger in den Kommentarspalten wund und forderte strenge Konsequenzen für das durchaus stellenweise als menschenverachtend einzuordnende Verhalten von Alessia Herren. Ein Rauswurf, da war man sich im Couch-Tribunal schnell einig, wäre das Minimum.

Nun muss man bei der aufgeladenen Erwartungshaltung und dem daraus entstandenen Druck auf RTL, die diese hochemotionale Zuschauer-Reaktion fraglos erzeugt haben, eines wissen: Das Sommerhaus der Stars ist vollständig vorproduziert. Eine Ad-hoc-Reaktion auf Zuschauerempörung kann RTL daher nicht liefern.

Alessia Herren mutiert zur Pöbelweltmeisterin

Nachdem in den vergangenen Staffeln mehrfach hoch toxische Situationen und unwürdige Dynamiken kommentarlos von RTL durchgewunken wurden, kann man sich allerdings zurecht die Frage stellen, warum man beim Trash-TV-Marktführer noch immer nichts aus den Fehlern vergangener Feldversuche mit niveau- und stilseitig eingeschränkten Kandidaten gelernt hat und direkt produktionsseitig eingriff, spätestens als die Vokabel "Missgeburt" fiel oder die Drohung "wenn hier keine Kameras wären, ich schwöre ..."

Statt die mit Hass- und Bedrohungsausrastern auffällig gewordenen Alessia zum Selbstschutz und zum Schutz der letzten verbliebenen Relevanz des Formates aus dem Rennen zu nehmen, bietet RTL ihr jedoch kommentarlos weiterhin eine Bühne. Und die nutzt die zu Pöbelweltmeisterin mutierte Alessia Herren mit Bravour. Schon im Teaser für die fünfte Folge im west-münsterländischen D-Promi-Paradies pöbelt sie sich wieder in Fäkalstimmung. Dieses Mal trifft es ihren Lebensgefährten Can, dem sie unter anderem "was bist du für ein ekeliger Alter" hinterherbrüllt.

Alessias Verhalten der Vorwoche rief übrigens sogar Jasmin Herren auf den Plan, die Witwe von Alessias Vater Willi. Die sah sich umgehend zu einem Statement gezwungen und stellte eilig klar: "Alessia ist nicht meine Tochter. Bitte versteht das endlich mal. Ich schäme mich, mit der Person überhaupt jemals etwas zu tun gehabt zu haben und möchte das nie wieder." Besagte Alessia übrigens stellte noch während der Ausstrahlung der letzten Episode ihren Instagram-Account auf privat. Vermutlich hätte sie sonst für die Löschung aller mit 15.000 bk/h eintrudelnden Reaktionen ein 40-köpfiges Social-Media-Team einstellen müssen. Die Abkürzung bk/h, das nur für alle, die nicht bereits zur Geburt einen Instagram-Account hatten, steht für Beschwerde-Kommentare pro Stunde.

Nachdem die von Klaviergenie Raúl Richter in der vergangenen Episode orchestrierte Nominierungsabsprache ins Leere lief, da sich das hochintellektuelle Elitepaar Theresia/Stefan ("mit Leuten auf diesem Niveau haben wir im richtigen Leben nichts zu tun") nicht an die zuvor ausgemachte Strategie gehalten hatte, hängt aber auch noch an anderer Stelle der Haussegen schief. Beste Voraussetzungen also für einen unterhaltsamen Abend im Kreise der Karriere-Pleitiers.

Zunächst aber muss geklärt werden, wer nach dem Nominierungs-Fiasko vor sieben Tagen nun tatsächlich das Haus verlassen muss. Team A, bestehend aus Theresia Fischer und Stefan Kleiser, bereitet sich vor allem mit optischer Kriegsführung auf das Duell mit Team B (Tessa/Jakob) vor. Theresia beginnt den Tag in einem grellen Regenbogen-Sweater, den sie farblich mit Regenbogen-Augenbrauen flankiert und damit aussieht wie ein Demo-Plakat auf einer "Queers for Palestine"-Kundgebung. Ex-Zahnarzt Stefan Kleiser wählt einen schnittigen Jagdhut, von dem er vermutlich annimmt, er würde ihn wie Frank Sinatra aussehen lassen. Mit der Frisur von Rainer Langhans.

Neuer Fremdschamrekord im Sommerhaus?

Hut hin oder her, die Nerven vom wenig Trash-TV erprobten Stefan liegen vor der Exit-Challenge ziemlich blank. In der Sicherheit einer grossen Supportergruppe aus den Intellekt-Abstinenzlern Gloria Glumac nebst Freund Michael, Sam Dylan sowie Alessia Herren nebst Can lässt er sich im Angesicht einiger Yoga-Übungen von Jakob zu der Aussage "So einen animalischen Hirschauflauf mache ich jetzt nicht" hinreissen, die er - beseelt vom eigenen Denkradius der Grösse eines Stecknadelkopfes - vermutlich für gleichsam clever wie geistreich hält.

Auf welchem Diskursniveau sich der selbsternannte Vollzeitintellektuelle Stefan augenscheinlich befindet, dokumentiert er mit seinem Folgesatz: "Ich würde mich dahinstellen und hinpinkeln!" Potzblitz kann man da nur sagen: Urinalhumor, für den sich sogar Sechstklässler schämen würden. Das muss er sein, dieser Niveauvorsprung, von dem das Gripsgranatenduo Theresia/Stefan seit Tagen schwadroniert: Hihihi, ich pisse dahin, wo die, die ich doof finde, Sport machen! Man kann nur hoffen, es schauen nicht zu viele Familienmitglieder von Stefan Kleiser zu, denn das an Momenten höchstpeinlicher Selbstbeerdigungen wirklich nicht arme Format "Sommerhaus der Stars" benötigt eines ganz sicher nicht: Einen weiteren Fremdschamrekord.

Natürlich sieht es auch beinahe abenteuerlich derangiert aus, wie Tessa Bergmeier mit Fluppe und Matrix-Ledermantel in den herabschauenden Hund runtergleitet, um die Antisympathiewerte von Theresia, Stefan und Alessia zu erreichen, müssten Tessa und Jakob jetzt aber mindestens noch 23 Robbenbabys mit eigenen Händen erwürgen, einigen gebrechlichen Rentnerinnen ihre Altersvorsorge klauen und zur Wahl der AfD aufrufen.

"Die Hexe ist weg!"

Soweit zu Vorspiel und Theorie. Wie sagte schon die Sommerhaus-Ikone Otto Rehagel: Die Wahrheit ist auf dem Platz. Und da siegt das menschgewordene Ingeniositäts-Dilemma Theresia/Stefan auf der Spiele-Koppel recht ungefährdet gegen Tessa/Jakob. Als hätten sie soeben den Nobelpreis gewonnen, den Welthunger besiegt und den Nahostkonflikt gelöst, rasten beide vor Freude derartig aus, dass insbesondere die Gesichtszüge der vollkommen durcheuphorisierten Theresia Fischer in der Superzeitlupe vermutlich Stoff für etwa 452 Internet-Memes ergeben werden. Ihre auch geistige Komplettaufgabe untermauert Theresia Fischer mit einem unmittelbar nach ihrem Sieg herausgepressten "Die Gerechtigkeit hat gesiegt!" Der perfekt auf ihren moralischen Kompass abgestimmte Stefan brüllt mehrfach "alle freuen sich!" über die Steppeneinöde der Gamesarena.

Die Einschätzung von Jakob zu diesem Verhalten lautet "würdelos" und ist damit noch verhältnismässig wohlwollend beschrieben. Falls eine der kommenden Generationen mal nach der Definition eines schlechten Gewinners suchen wird, bietet sich seit Dienstagabend das Studium der Verhaltensanalyse der Idiosynkrasie-Testimonials Fischer/Kleiser an.

Zurück im Sommerhaus der Bösartigkeit bricht, mal abgesehen von Umut Tekin und Emma Fernlund aus Team Tessa, umgehend Partystimmung aus. Niveauprinzessin Alessia Herren feiert mit einem ausgelassenen "Die Hexe ist weg!" und erläutert umgehend im Sprechzimmer, Tessa hätte sie die ganze Zeit über provoziert. Stefan Kleiser ist auch im Kreise seiner Denkfähigkeitsklone Gloria, Sam, Rafi Rachek, Can, Alessia, Raúl und Vanessa weiterhin in bildungsrelevanter Topform und skandiert minutenlang: "Fleisch! Fleisch! Fleisch!" In Gestik, Inhalt, Qualitätslevel und Lautstärke von einem Dreijährigen, dem man seine Schokolade weggenommen hat, mit blossem Auge nicht mehr zu unterscheiden.

Nur zur Sicherheit möchte ich an dieser Stelle aus dramaturgischen Gründen nochmals daran erinnern, dass exakt dieser Stefan seit Wochen bei jeder Gelegenheit erläutert, er wäre allen anderen im Sommerhaus intellektuell um ein Vielfaches überlegen. Ich hoffe wirklich, Theresia und Stefan starten nach dem Sommerhaus eine Karriere als Comedy-Duo, denn so eine groteske Fehleinschätzung der eigenen kognitiven Leistungsfähigkeit - das muss doch gespielt sein. Das kann, mal nüchtern betrachtet, nicht echt sein.

Unverhoffter Personalzugewinn zieht ein

Damit die veganfeindlichen Karriereattrappen nicht zu euphorisch über den Abgang von Tessa und Jakob werden, ersetzt RTL das polarisierende Exit-Paar umgehend durch die Neuankömmlinge Oliver Sanne (Bachelor) und seine Verlobte Jil Rock (DSDS). Sam Dylan, dessen einzige Aufgabe im Sommerhaus offenbar im Lästern und Anstacheln liegt, kommentiert den unverhofften Personalzugewinn wie folgt: "Ich habe vor lauter Botox gar nicht erkannt, wer das ist!"

Oliver Sanne hat allerdings bereits eine ganz faktensichere Einschätzung für Dylan parat: "Wir haben uns in anderen Formaten immer ganz gut verstanden, aber ich hatte immer das Gefühl, dass er mir hintenrum den Dolch reinhaut!" Und was soll ich sagen: Wenn man die ersten Wochen im Sommerhaus revisioniert, muss man zu dem Schluss kommen: Das ist exakt die Berufsbezeichnung von Sam Dylan.

Amtlich die Fetzen fliegen dann aber erst, als Theresia in der lauschigen Abendrunde plötzlich beichtet, dass es vor der letzten Nominierung eine Absprache gab und sie sich daran dann aber nicht gehalten hatte, weil sie am Ende doch nicht Emma und Umut wählen wollte. Der durch diese Enthüllung ungewollt, aber wahrheitsgemäss ins Zwielicht des heimlichen Strippenziehers geratene Raúl Richter (Klavierspieler, schon länger) möchte den schwarzen Peter nicht allein durch den Rest des Sommerhausherbstes tragen und fügt an, dass "die ursprüngliche Idee, auch Emma und Umut zu wählen, aber von Theresia und Stefan kam". Die sind sogleich schockempört: "Das ist eine glatte Lüge!"

Kaum sind Tessa und Jakob weg, zerfleischen sich die Carnivoren. Ein fast schon ironischer Winkelzug des Trash-TV-Gottes.

In Panik verkündet Gloria Glumac der langsam dahinbröckelnden Kernallianz aus Dylan, Rachek, Can, Alessia und ihrem Michael, sie "könne das neue Paar erstmal auf unsere Seite ziehen und dann später entsorgen". Timonische Wortwahl und grenzenlose Selbstüberschätzung - Selten eine optimale Symbiose.

Lesen Sie auch

Als Neu-WG-Mitglied Jil Rock kurz dazustösst, gesellt sich auch noch das charakterrelevante Verhaltensmuster Lügner hinzu. Auf Jils Frage, ob sie immer noch über die Allianz-Vorwürfe diskutieren würden, platzt es unisono aus allen heraus: "Nein! Ach Quatsch! Was ganz anderes!" Mit einem geschulten Blick auf den knallrot anlaufenden Raúl Richter (Pianist der Herzen) hätte jeder Dreijährige feststellen können, dass es hier mit der Wahrheit nicht so genau genommen wird. Eine weitere höchst beschämende Situation im Mosaik der öffentlichen Selbstzerstörung.

Der fortlaufende Verfall der einstigen Vorzeigeallianz führt vor allem bei Can und Alessia für Zwietracht. Can unterstellt der Mutter seines Kindes, sie wäre "dumm" und "hängengeblieben" und solle ihre "Fresse halten".

Auf den Keks gegangen

Am nächsten Morgen geht es glücklicherweise mit einem weiteren Spiel in der Arena weiter. Gloria-Anhängsel Michael beschreibt das Dilemma dabei: "Diese Mischung aus Kopf und Kraft!" Ob jetzt Kopf oder Kraft bei den beiden das grössere Problem darstellt, definiert er nicht exakt - aus dem Kontext der ersten vier Wochen im Sommerhaus lässt sich allerdings eine eindeutige Tendenz ableiten.

Die erste Frage der Challenge lautet: "Was ist eine Fleischmütze?" Die Antworten sind facettenreich und reichen von "Irgendwas mit Metzger" (Alessia Herren) über " Penis" (Emma Fernlund) bis zu "Vorhaut" (Raúl Richter/Klaviervirtuose) und "Salami" (Sam Dylan). Noch legendärer wird es bei der Frage "Worauf ist man gegangen, wenn man veräppelt wurde?" Statt auf "Leim" tippt Emma auf "Heu" oder "Eierschalen" und Vanessa Schmitt auf "Keks".

In der traditionellen Probeabstimmung namens "Stimmungsbarometer" erhalten Theresia und Stefan eine Stimme, Alessia und Can zwei sowie Raúl und Vanessa vier Stimmen. Den Rest des Abends geht das Bocholter Tatort-Duo Vanessa/Raúl auf Tätersuche. Von wem kamen die vier Stimmen? Der Fall "Nominierungsschock" scheint jedoch vertrackt und unaufklärbar, da alle Paare auf Nachfrage unisono beteuern, Raúl und Vanessa nicht nominiert zu haben. Das wird eine spannende sechste Woche. Bis dann!

JTI zertifiziert JTI zertifiziert

"So arbeitet die Redaktion" informiert Sie, wann und worüber wir berichten, wie wir mit Fehlern umgehen und woher unsere Inhalte stammen. Bei der Berichterstattung halten wir uns an die Richtlinien der Journalism Trust Initiative.