Der Sänger und Juror bei "The Voice of Germany", Rea Garvey, sucht im Fernsehen einen Co-Writer für ein Lied. Doch statt Einblick in den Entstehungsprozess eines Songs zu geben, drängt Garveys gestrige Show "Mein Song – Deine Chance" den Zuschauern vor allem die Frage auf, warum man eigentlich aus allem einen Wettbewerb machen muss.
Nun also
So weit dürfte Garvey dieser Vergleich auch relativ egal sein, solange "Mein Song – Deine Chance" nicht das gleiche Schicksal ereilt wie
Speed-Dating für Song-Schreiber
"Mein Song – Deine Chance" ist denkbar simpel gestrickt. Der Ire sucht neue musikalische Inspiration und deshalb einen Co-Writer, also jemanden, der mit ihm zusammen einen Song schreibt. Anfang und Ende sind damit klar, dazwischen hat man sich Folgendes gedacht: Garvey durchsucht das Internet nach potenziellen Kandidaten. Aus den "mindestens 1.000 Videos", die Garvey laut Selbstauskunft angesehen hat, sucht er sich die drei besten Musiker aus.
Aus diesen dreien wählt er dann in einer Art Mini-Casting den oder die Songwriterin aus, die am besten zu ihm passt. Danach wird innerhalb von 24 Stunden ein Song geschrieben, produziert und veröffentlicht. Warum man sich dabei nur einen Tag Zeit lässt, weiss kein Mensch und wenn es doch einen gibt, wurde er gestern Abend nicht erwähnt.
Obwohl man den Eindruck haben könnte, dass im Fernsehen von Deutschlands bestem Hütchenspieler bis zum Super-Kohlrabi-Bauern inzwischen schon alles einmal in einer Casting-Show gesucht wurde, hat die Idee, mal einen Songwriter zu finden, in der Tat einen gewissen Charme. Songwriting, das verspricht Einblicke in künstlerische Schaffensprozesse und intime Momente der Kreativität. Bei den üblichen TV-Gesangswettbewerben fehlt diese Komponente zu oft.
"Mein Song – Deine Chance" geht also bewusst einen anderen Weg und landet am Ende dann leider doch im selben grossen Suppentopf der Castingshows. Denn es ist genau dieser durchchoreografierte Casting-Stil, der eine eigentlich gute Idee wieder kaputt macht. Die drei Musiker, die Rea ausgewählt hat, kriegen nämlich alle erst einmal ihre Schublade zugewiesen.
Da ist Alina, die Soul-Liebhaberin und laut Rea "perfekte Strassenmusik-Partnerin". Dann gibt es noch Darcy, den Vollblut-Musikus, der Rea an sich selbst in jüngeren Jahren erinnert. Und da ist MarieMarie, die Elektro-Pop-Künstlerin mit der riesigen Lockenmähne, von deren Individualität und Persönlichkeit Rea begeistert ist.
Casting-Grau statt Regenbogen-Bunt
Die Rollen sind also klar definiert und ab geht’s zum gemeinsamen Singen. Jeder Kandidat muss einen Garvey-Song in seinem ganz persönlichen Stil interpretieren. Danach noch ein kurzer Schnack mit dem Meister auf dem Sofa und dann sucht der sich seinen Partner oder seine Partnerin für das anschliessende Speed-Songwriting aus. Dieses Mini-Casting gewinnt schlussendlich MarieMarie, doch das ist am Ende eigentlich egal.
Statt die Entstehung eines neuen Songs in angemessener Form zu begleiten, dampft die Show diesen kreativen Prozess auf wenige Minuten ein, noch ein kurzer Hinweis, dass man den fertigen Song jetzt kaufen kann und Ende. Hätte man sich den ganzen Wettbewerbskram gespart, wäre am Ende vielleicht eine interessante Dokumentation übers Songwriting herausgekommen.
Rea Garvey wäre dafür auch die richtige Besetzung, wie man an manchen Stellen ahnen kann, wenn er über die Suche nach einem Co-Writer in nahezu poetische Analogien verfällt: "Wenn du ein Regenbogen bist und dir fehlt eine Farbe, dann suchst du nicht nach einer Farbe, die du schon hast." Leider schimmert bei "Mein Song – Deine Chance" dieser Regenbogen viel zu selten durch das übliche Casting-Show-Grau.
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