Von vorgestern statt modern: Seit zwei Jahren läuft in der ARD die Neuauflage des Fernsehklassikers "Dalli Dalli", moderiert von Kai Pflaume. Zum 90. Geburtstag von Hans Rosenthal wollte das Erste in einer XXL-Ausgabe an die grosse Zeit der Show erinnern. Dummerweise geschah genau das Gegenteil: Dem Zuschauer wurde jäh bewusst, wie altbacken das Format heute wirkt.

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Die Mimik, sie ist fast die gleiche wie beim Vater. Der Tonfall, die Worte, das Daumendrücken. Es ist so, als stünde da wieder Hans Rosenthal. Der Mann, der über Jahrzehnte ganze Familien unterhielt und in die Luft sprang, wenn sein Publikum besonders viel Spass hatte. Aber es ist sein Sohn Gert, der das Vorwort zu einer besonderen Ausgabe von "Dalli Dalli" spricht beziehungsweise "Das ist Spitze!", wie die Sendung seit dem Reboot 2013 in der ARD heisst.

Am 2. April wäre der 1987 an Magenkrebs verstorbene Rosenthal 90 Jahre alt geworden. Die ARD ehrt ihn mit einer Ausgabe seiner Show in Überlänge. Seit 2011 moderiert Kai Pflaume die Neuauflage auf ausdrücklichen Wunsch der Hinterbliebenen von Rosenthal. Zuerst zwei Jahre im NDR, danach im Hauptprogramm. Warum, wird schnell klar.

Die Zeit ist stehengeblieben

"Herzlich willkommen!", sagt Kai Pflaume immer wieder, während er in den ersten Momenten der Show die Treppe herunter kommt und den Zuschauern zunickt. Es mögen fast 30 Jahre vergangen sein, als "Dalli Dalli" zum letzten Mal ausgestrahlt wurde. Aber in dieser Show ist die Zeit stehen geblieben. Öffentlich-rechtliche Unterhaltung 2015 unterscheidet sich kaum von öffentlich-rechtlicher Unterhaltung 1986. Selbst die Sprache wirkt seltsam antiquiert: "Ich hoffe, dass Sie einen vergnüglichen Abend haben, verehrte Zuschauer", sagt Pflaume.

Das Konzept von "Dalli Dalli" hat sich ebenso wenig verändert. Prominente treten in Frage- und Spielrunden gegeneinander an. Findet das Publikum das besonders unterhaltsam, geht die Sirene an. Pflaume ruft: "Sie sind der Meinung, das war spitze?", springt in die Luft und das Bild friert für einen Moment ein. Das wirkt so vertraut und weckt Erinnerungen an die eigene Kindheit. Es erzeugt ein wohliges, warmes Gefühl, ist aber irgendwie gleichzeitig befremdlich. Der Freudensprung und der dazugehörige Satz wurden zwischen 1971 und 1986 zum Markenzeichen Rosenthals. Doch wo der verstorbene Moderator immer eine gewisse Wärme ausstrahlte, da moderiert Kai Pflaume mit dem Charisma einer Tiefkühltruhe.

Das Publikum findet alles spitze

Dem Publikum ist das egal. Bereits in Runde zwei geht die Sirene zum ersten Mal los. Pflaume hüpft, der Saal tobt. Das wird sich auch im Verlauf der nächsten zweieinhalb Stunden kaum ändern. Bei den ersten vier Spielrunden muss Pflaume drei Mal hüpfen. Grundsätzlich scheinen die Anwesenden alles spitze zu finden. Die Sirene ertönt so oft, dass man den Eindruck gewinnt, dies sei keine ARD-Familienshow, sondern das Frühlingsfest der freiwilligen Feuerwehr.

Das liegt aber nicht am hohen Tempo von "Das ist Spitze", sondern vor allem an der süsslichen Macht der Nostalgie. Als Rosenthals noch moderierte, versammelte sich die Familie vorm Fernseher. Es gab Einschaltquoten in Rekordhöhe, nur zwei überregionale Sender und vor allem keine Smartphones, auf die die Kinder den ganzen Abend stieren konnten.

Selbst die Moderationen sind die gleichen

Damit diese Illusion nicht zerstört wird, übernahm die ARD sogar die Spiele aus der alten Show. "Dalli-Klick" etwa, ein Bildermemory, bei dem es gilt, ein sich langsam aufdeckendes Motiv zu erraten. Oder das Ausdenken von Schlagzeilen zu einem Pressefoto. Selbst die Moderationssätze sind identisch: "Ihr habt 45 Sekunden!" Die Illusion wäre fast perfekt, wenn, ja wenn, eben nicht an diesem Tag Hans Rosenthal 90 Jahre alt geworden wäre. Die ARD fühlte sich deswegen offenbar verpflichtet, an dessen grosse Zeit zu erinnern. Also sieht der Zuschauer Ausschnitte mit den Stars der 70er- und 80er-Jahre: Uschi Glas, Mario Adorf, Klaus-Maria Brandauer, Harald Juhnke. Zurück in der Gegenwart sitzen im Studio Gerhard Delling, Mike Krüger, Elton und Gloria von Thurn und Taxis. Da platzt auch die grösste Fernsehblase.

Als Zuschauer wird einem spätestens in diesem Augenblick bewusst: Es ist nicht mehr 1984, man sitzt nicht mehr im Schlafanzug vor dem Fernseher der Oma. Diese Zeit kommt nie wieder. Man bemerkt, wie altbacken diese Show heute wirkt, mit ihren Spielchen aus dem Partykeller der Eltern. Zum Beispiel wenn die Schauspieler Jürgen Vogel und Anja Kling mit albernen Hühnermützen ausgestattet sich gegenseitig Ostereier ins Nest spucken. Oder wenn Gerhard Delling und Mike Krüger als Feuerwehrauto verkleidet Wasserbomben werfen. Und man stellt mit Unbehagen fest, was Kai Pflaume doch für ein hölzerner Moderator ist, eine laufende Moderationskarte im Massanzug.

So ist "Das ist Spitze!" letzten Endes kein heimeliger Nostalgie-Trip, sondern vor allem der Beweis, wie mutlos das öffentlich-rechtliche Fernsehen heute ist. Innovation oder Lust auf Neues, Fehlanzeige. Man kann sich sicher sein, dass es sie irgendwo da draussen gibt, die jungen und wilden Fernsehmacher. Mit neuen Ideen, die nicht nur nur ihre Kindheit kopieren. Im Ersten gibt es offenbar keinen Platz für sie. Und das ist definitiv nicht spitze.

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