Aus Altbewährtem mach neu Angestrichenes: Das Bayerische Fernsehen, ORF und SRF gönnen ihrem "Musikantenstadl" eine Rundumerneuerung. "Stadlshow" heisst das Ganze jetzt. Das neue Konzept hakt noch ein bisschen, geht auf – irgendwie.
Jetzt also "Stadlshow". Das Bayerische Fernsehen, ORF und SRF kehren mit eisernem Besen durch die bekannte Volksmusiksendung, und zwar gründlich. Nichts soll mehr an die Zeiten erinnern, als zuerst Karl Moik und später dann Andy Borg Altherrenwitze reissend durch die Hallen der Welt zogen und den Menschen das Schunkeln brachten. Einen "modern gemütlichen Showcharakter" soll die "Stadlshow" bekommen. Altbewährtes darf bleiben und Neues wird hinzukommen. Deshalb gönnt man sich neue Moderatoren, eine frische Bühnendeko und auch die Musik soll den Entwicklungen der Schlager- und Volksmusik Rechnung tragen. Kurzum: Man will sich verjüngen, ohne das gewohnte Publikum zu vertreiben. Kann das gut gehen?
Ja, kann es – zumindest was die Moderatoren betrifft. Mit der Schweizer Sängerin
"Die Stadlshow": Aus alt mach alt und neu
Auch bei der Saalgestaltung setzt sich das Konzept fort, eine Mischung aus Altbewährtem und Neuem zusammenzurühren In der Halle regiert nach wie vor Pragmatismus - die Bierzeltgarnituren bleiben der Show erhalten. Auf einer zünftigen Bierbank lässt es sich eben nach wie vor am besten zur Blasmusik stampfen und klatschen. Auf der Bühne selbst hat man den Gelsenkirchener-Barock-Stil früherer Tage gegen eine Wohnwelt aus einem Möbel-Roller-Prospekt getauscht. Wer so was schön findet, bitte sehr. Das Ambiente passt jedenfalls in seiner Beliebigkeit zu den Textinhalten der Stadl-Musik.
Alt und neu, das Konzept der Sendung wird einem dermassen um die Ohren gehauen, dass man es gar nicht nicht kapieren kann. In den Einspielerchen macht sich Francine Jordi auf Tour durch den Schwarzwald. Dort trifft sie Ortsansässige, die das Schwarzwälder Brauchtum pflegen, und auch eine Designerin, die alte Trachten neu interpretiert. Oder sie besucht einen Kuckucksuhrmacher, der die Schwarzwaldklassiker modern gestaltet.
Wer so viel Subtilität immer noch nicht versteht, dem hilft vielleicht die Gästeauswahl weiter. Es finden sich Haudegen wie
Jürgen Drews? Echt jetzt?
Und damit wären wir bei der Musik, bei einer Musikshow ja ein nicht ganz unwesentlicher Bestandteil. Dass die Sender die treuen Anhänger, die sowohl die Zeiten von Karl Moik und Andy Borg unbeschadet überstanden haben, nicht vergraulen wollen, geht ja völlig in Ordnung. Aber braucht es dazu wirklich Jürgen Drews, der ungefragt an seinem Banjo nesteln und dabei "Ein Bett im Kornfeld" anstimmen darf? Wir haben 2015! Gibt es irgendwo einen Geheimvertrag?
Muss ein Wolfgang Fierek tatsächlich mit einer äussert beklemmenden Blasmusik-Variante von "Sweet Home Alabama" die Mittfünfziger bei der Stange halten? Und braucht es für das jüngere Publikum wirklich einen DJ Ötzi, der "seinen" neuen Song vorstellt - eine unerträgliche Autoscooter-Cover-Version des Cheap-Trick-Klassikers "I Want You To Want Me"? Und warum dürfen Die Powerkryner Tom Jones' "Sexbomb" mit Klarinetten, Akkordeon und Posaunen musikalisch derart verprügeln? Crossover hin oder her: Man kocht ja auch nicht Knödel und Sushi in einem Topf.
Lila Nilpferd mit Strass in Ed Hardy
Nun soll an dieser Stelle nicht der Geschmäcker-Kampf geführt werden. Niemand, dessen Herz für Schlager- und/oder Volksmusik schlägt, wird sich je eines Besseren belehren lassen. Und wer diese Musik noch nicht einmal unter Narkose erträgt, wird sich auch nicht durch eine Modernisierung des "Musikantenstadls" dafür begeistern können.
Und genau hier liegt das Problem. Da können die Produzenten mit ihrer "Stadlshow" noch so auf jung machen: Auch wenn man ein Nilpferd lila anmalt, mit Strass und Glitzer beklebt und ihm eine Ed-Hardy-Kappe aufsetzt - es bleibt halt trotzdem ein Nilpferd. Mit anderen Worten: Selbst ein neues Moderatoren-Duo, eine neue Bühnendeko und junge Bands ändern nichts daran, dass Schlager eben Schlager bleibt und Volksmusik eben Volksmusik.
Auch wenn das nun alles modern und hip aussieht, die Texte bleiben so schlicht und geradeaus wie früher. Da gibt es keine Ironie, keine Doppeldeutigkeit, keine Wortspiele, keinen Witz, nichts, das zum Nachdenken anregt, nichts, das einen Text einzigartig macht. Er muss halt nur irgendwie zur Musik passen, irgendwo zwischen das Klatschen und Stampfen auf den Bierbänken. Das war früher so und ist es heute auch noch, egal, ob das nun "Stadlshow" heisst oder "Musikantenstadl".
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