Alle elf Minuten verdummt ein Zuschauer mit "Love Island". Seit Montagabend dürfen sich Singles, die auf dem ersten Liebesmarkt nicht fündig geworden sind, wieder bei der Kuppel-Show "Love Island" umschauen. Nettes Angebot von RTL2, für den Zuschauer ist das Werben und Beworbenwerden in Folge eins aber maximal unterfordernd.
"Temptation Island", "Paradise Hotel", "Take Me Out", "Der Bachelor", natürlich "Die Bachelorette", "Adam sucht Eva", "Are You The One", "Bauer sucht Frau", "UNdressed", "Naked Attraction", "Prince Charming" und so weiter. Inzwischen besteht die reale Gefahr, dass man an einer Kuppel-Show teilnimmt, ohne es zu merken. Dann wacht man nichts Böses ahnend neben lauter Unbekannten und einem Kamera-Team auf und muss sich plötzlich für irgendjemanden entscheiden.
Kein schönes Szenario, also immer schön die Augen offen halten. Für alle anderen war es seit der Erfindung von "Herzblatt" noch nie so einfach, sich eine Karriere als Dating-Show-Influencer-Trash-TV-Show-Hopper aufzubauen und mit ein bisschen Glück auch noch den passenden Partner als Beifang zu angeln.
Während bei RTL gerade der Bachelor dem Ende der Paarfindung entgegen flirtet, hält RTL2 nun seit Montagabend mit der neuen Staffel "Love Island" das sich ewig drehende Rädchen des Dating-TVs am Laufen. Das ist nur vernünftig, schliesslich ist dieses Rädchen ganz eng mit dem noch grösseren Trash-TV-Rad verzahnt, das ebenfalls in Bewegung gehalten werden will. Mit anderen Worten: der Nachschub läuft.
"Love Island" - Staffel 5: Bitte paarweise zusammenkommen
Doch bevor die "Love-Island"-Kandidaten eine Honorar-Stufe Richtung Dschungelcamp aufsteigen, müssen sie sich für diese höheren Weihen erst einmal empfehlen und ihre Einstiegsshow durchspielen. An den Regeln sollte es dabei nicht scheitern, denn die sind denkbar übersichtlich. Vier Damen und vier Herren werden in einer Villa zum gegenseitigen Kennenlernen isoliert. Wichtig ist dabei, dass man sich möglichst in einem permanenten Paarstatus befindet, sonst hat sich's ausgedatet.
Damit das Ganze nicht zu schnell vorbei ist, wird immer wieder mit neuen Kandidaten nachgeschenkt. Das Paar, das am Ende noch aufrecht beisammen steht, gewinnt nicht nur sich selbst, sondern auch einen mittelgrossen Geldbetrag. Um die Show und die Kandidaten aber nicht sich selbst zu überlassen, gibt es mit
Das machen die beiden zwar bereits seit Staffel drei zusammen, scheinen aber immer noch unterschiedliche Auffassungen vom Sinn der ganzen Partnersucherei zu haben. Während Zarrella die Show offenkundig ernst nimmt und Sätze sagt wie "Ich bin wieder auf Insel der ewigen Liebe", versucht Beeck, seinen Kommentaren einen ironischen Unterton zu verpassen - mit leidlichem Erfolg.
"Love Island": kann Spuren von Humor enthalten
"Wir haben beim Casting natürlich wieder voll auf Charakter und Persönlichkeit geachtet. Das sind wir bei RTL2 unserem guten Ruf einfach schuldig", witzelt Beeck mit Kipp-Stimme, als die Kandidatinnen und Kandidaten mit Kamera-Zoom auf ihre primären und sekundären Geschlechtsmerkmale vorgestellt werden. "Schöner kann man den Weltfrauentag doch gar nicht feiern", haut Beeck dann einfach nochmal einen raus und zeigt, dass er die Show offenbar auf Discounter-Humor-Niveau zu begleiten gedenkt.
Aber die Show wird ja nur mit und nicht wegen der Moderation gemacht. Bei den Kandidaten hat die Produktionsfirma jedenfalls auf den ersten Blick einen routinierten Job gemacht. Die Herren bei "Love Island" sehen aus wie "Love-Island"-Kandidaten eben aussehen: wie "Bachelorette"-Kandidaten. Will heissen: zu kurze Konfirmandenanzugshosen und am Hemd immer zwei Knöpfe zu viel geöffnet.
Äusserlich also alles beim Üblichen, sprachlich auch, wie zum Beispiel Adriano zeigt: "Was mich einmalig macht: meine Haare und die Sommersprossen", glaubt der 26-Jährige und weiss entweder nicht, was einmalig bedeutet oder was Haare sind. Fynns Unique Selling Point ist hingegen intellektueller Natur: "Ich kann sehr gut über tiefgründige Gespräche mit Frauen reden."
Überforderung der Kandidatin: Gut aussehen und gleichzeitig reden?
Bei den Damen ist die Lage ähnlich. Als sich Emilia und Bianca über ihren bevorzugten Männertyp unterhalten, erklärt Bianca "Ich will auf jeden Fall deutsch: blaue Augen, blonde Haare" und wirft damit den Diskurs über nationale Identität um Lichtjahre zurück. Emilia hat hingegen ganz andere Schwierigkeiten: "Ich bin ein bisschen aufgeregt, weil da werden jetzt gleich zwei Sachen von mir gleichzeitig abverlangt. Ich muss jetzt mehr oder weniger gut ausgucken und auch noch reden."
Emilia ist aber nicht die Einzige, die diese Mehrfachbelastung vor Herausforderungen stellt, wie auch die Gespräche beim ersten Kennenlernen zeigen. "Ey, ich muss dich was fragen: Was bist du für ein Sternzeichen?" - "Ist das wichtig?" - "Nee" - "Waage" - "Okay, keine Ahnung". Weil damit offenbar kein Land zu gewinnen ist, schmeisst die Produktionsfirma die obligatorische "Granate" ins Rennen. Das ist ein Mensch, in diesem Fall eine Frau, die der Konkurrenz offenbar in Haaransatz, BMI oder einer anderen Äusserlichkeit überlegen ist und die Runde ein bisschen aufmischen soll.
Für den Zuschauer ist das in Folge eins weitgehend irrelevant, denn selbst mit "Granate" ist das Ganze so langweilig, dass man währenddessen nicht nur seine Haare wachsen hören kann, sondern so langweilig, dass das sogar spannender ist. Ja, derzeit ist der Markt überschwemmt mit Dating-Formaten, aber offenbar gibt es noch genügend Nachfrage, dass es Shows wie "Love Island" immer noch gibt.
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