Nina Kunzendorf verabschiedet sich nach nur fünf Fällen vom Frankfurter "Tatort", holt zum Ende aber noch einmal eine Topquote. Noch wichtiger allerdings: Nach dem erneut sehr klamaukig geratenen Saarbrückener Fall letzte Woche kann der ARD-Krimi diesmal auch wieder inhaltlich überzeugen.
Mit 9,04 Millionen Gesamtzuschauern holte sich "Wer das Schweigen bricht" mit weitem Abstand den Tagessieg, die Hollywood-Konkurrenz mit "Thor" (ProSieben) und "Fast & Furious Five" (RTL) hatte deutlich das Nachsehen. Noch erfreulicher für die ARD-Verantwortlichen dürfte allerdings sein, dass sich der "Tatort" auch in der werberelevanten Zielgruppe der 14- bis 49-Jährigen gegen die private Konkurrenz durchsetzen und einen Marktanteil von 20,6 Prozent erkämpfen konnte.
Für
Düster, dramatisch, gut - der Kunzendorf-Abschied vom "Tatort"
Nicht nur aus Quotensicht, sondern vor allem inhaltlich konnte der Fall am Sonntag überzeugen und machte nach dem missglückten Saarbrücken-"Tatort" in der letzten Woche wieder einmal deutlich, dass der "Tatort" in seinen besten Momenten mehr ist als ein Krimi. In "Wer das Schweigen bricht" geht es nur vordergründig um einen Mord in einer Jugendhaftanstalt, die Story ist daher schnell erzählt. Ein Häftling wird morgens tot in seiner Zelle aufgefunden - nachdem er abends noch lebendig in seine Zelle eingeschlossen wurde. Der erste Verdacht fällt auf das wenig zimperliche Wachpersonal, dem der Schlagstock des Öfteren ein wenig zu locker sitzt.
Ein wenig erinnert der Frankfurter "Tatort" an dieser Stelle an den letzten Münchner Fall, der ein wenig schmeichelhaftes, aber dafür wahrscheinlich umso realistischeres Bild von der Polizeiarbeit zeichnete. Auch hier sieht man den Vollzugsbeamten den Stress und Druck an, unter dem sie tagtäglich stehen und unter dem sie zu zerbrechen drohen. Düstere Bilder und Musik tun ihr Übriges für die trostlose Atmosphäre, die diesen "Tatort" prägt.
Um den Fall, der sich am Ende als Streit unter dealenden Häftlingen herausstellt, geht es hier aber nicht. Hier geht es um Frank Steier (Joachim Król) und Conny Mey (Nina Kunzendorf). Er, der cholerische Alkoholiker, der lieber beleidigt als ehrliche Emotionen zu zeigen. Sie, die unkonventionelle Kommissarin, die kein Blatt vor den Mund nimmt und genau weiss, dass ihr jeder auf den Hintern schaut. Deswegen sitzen die Jeans so eng und deswegen ist die Lederjacke so kurz.
"Tatort"-Ermittler Steier und Mey: ein einziges Missverständnis
Unterschiedlicher können "Tatort"-Ermittler kaum sein und es ist das persönliche Drama dieser beiden, dass sie diese Unterschiede nicht überwinden können - treffend beschrieben von Steier: "Wir sind zwei wie Pech und Unglück". Und auch der Titel des Falls - "Wer das Schweigen bricht" - bezieht sich nicht nur auf die Häftlinge, die eher sterben als mit der Polizei zu sprechen, sondern auch auf Steier und Mey, die eher beleidigend werden als ehrlich miteinander zu sprechen.
Deutlicher kann die Hassliebe zwischen ihnen nicht zu Tage treten als in der (wie der Rest dieses "Tatorts") famos gespielten, kammerspielartigen Szene in Meys Büro, als sie Steier nach mehreren Anläufen endlich erzählt, dass sie sich in Kiel an der Polizeischule beworben hat. Dieser scheint erst verständnisvoll, kann diesen aus seiner Sicht persönlichen Verrat aber nicht anders kompensieren als mit einem beleidigenden Wutausbruch. Der ansonsten so schlagfertigen Mey bleibt nach seinem Abgang nur ein gestammeltes zweifaches "Arschloch".
Dass Steier sehr wohl unter dem Abschied seiner Kollegin leidet, muss man zwischen den Zeilen lesen. Es sind die kleinen Blicke, die er ihr bewundernd zuwirft, wenn sie einen Zeugen in dessen Landessprache befragt und hinterher lapidar sagt: "Volkshochschule." Und es ist sicherlich kein Zufall, dass zwei Opfern in diesem "Tatort" die Fussnägel herausgerissen wurden - eine langwierige und sehr schmerzhafte Foltermethode.
Um seine wahren Gefühle gegenüber Mey zum Ausdruck zu bringen, muss Steier schon seinen Freund Edgar bemühen - der hat keine Probleme damit, Mey zu sagen, dass sie Steier fehlen. Edgar ist zudem todkrank und spätestens hier wird klar: Manchmal tun Trennungen eben nicht nur weh. Manchmal stirbt ein Teil von dir.
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