Krimi, Drama, Psychogramm: Der "Tatort: Eine andere Welt" ist der bislang stärkste Film des vierköpfigen Dortmunder Ermittlerteams. Insbesondere Jörg Hartmann offenbart in seiner Gänsehaut-Rolle als vom Schicksal traumatisierter Kommissar Faber sein ganzes grossartiges Potenzial: ein Cop, der wütet und schreit, säuft und prügelt und leidet wie ein Hund - dieser Auftritt geht unter die Haut. Dortmund ist mit dem dritten Fall in der ersten "Tatort"-Liga angekommen.
Worum geht's hier eigentlich?
Der Fall ist eine böse Parabel auf die nach Glamour und einem neuen Leben dürstende "Generation Casting". Die falschen Freunde, die falschen Träume, die falschen Drogen: Die 16-jährige Nadine (Antonia Lingemann) kostet vom süssen Lifestyle der Reichen und Schönen. Um im dekadenten Partyrausch im Kreise ihrer arroganten Schampus-Freunde aus der Upper Class mithalten zu können, tut sie so manches, was sie lieber nicht getan hätte. Mit aalglatten Typen und bornierten Teenie-Girls feiert sie die Nächte durch. Ihrem Ex-Freund passt das ebenso wenig wie ihrer Familie. Und dann treibt ihre Leiche im See. Das Mädchen wurde verprügelt, vergewaltigt und ertränkt.
Wie nervenzerfetzend ist die Spannung?
Es gibt spannendere Konstellationen: Wenn ein junger Mensch seine Herkunft und sein altes Leben leugnet und den Freund verlässt, um sich in ein neues, vermeintlich besseres Dasein zu stürzen, ist das schlimme Ende fast programmiert. Packender als der im Grunde überschaubare Fall sind die emotionalen Achterbahnfahrten des Kommissars Faber und des Vaters (Markus John) des ermordeten Mädchens. Die gemeinsamen Szenen unter gebeutelten Männern gehören zu den stärksten des Films.
Ergibt das alles Sinn?
Das arme, sexy Mädchen, das so gerne mehr wäre, vom Luxus kostet und ein grausames Ende findet: Der Fall ist ein echter Klassiker, wie er auch in "Aktenzeichen XY ... ungelöst" erzählt werden könnte. Ob allerdings Faber in einer solchen Form den Plausibilitäts-Check bestehen kann, ist fraglich. Ein derart abstürzender Kommissar würde vermutlich nicht an einen Tatort, sondern zum Arzt beordert werden.
Braucht man das Drumherum?
Unbedingt. Ohne den krassen Faber, ohne die verliebten Jungpolizisten
Würde man diese Kommissare im Notfall rufen?
Nur wenn Faber einen seiner guten Tage hat. Dann hat er diesen besonderen Riecher, jenes kriminalistische Gespür, das nur Menschen haben können, die selbst schon viel erlebt haben. Erstaunlich mutig zeigt sich diesmal Nora Dalay, die undercover in den Schicki-Club geht und mit viel Lippenstift und im scharfen Kleid den jungen Schnöseln den Kopf verdreht und die entscheidenden Hinweise entlockt.
Wie fies sind die Verbrecher?
Wie so oft sind die meisten Verdächtigen leider eher schablonenhaft gezeichnet. Mit einer Ausnahme: Die smarte Nachtclubgrösse Konstantin Prinz, gespielt vom wieder mal beeindruckenden Jung-Star Sergej Moya, macht es Ermittlern und Zuschauern nicht ganz so leicht. Genau so geht fiese Socke.
Muss man das sehen?
Diesmal ja. Im dritten Fall haben die Kommissare aus Dortmund den Durchbruch geschafft. Und was sich da alles im Hintergrund abzeichnet, macht viel Lust auf mehr. © 1&1 Mail & Media/teleschau
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