• Das "Team Wallraff" hat sich die Zustände in privaten Pflegeheimen angeschaut.
  • Undercover haben sich Reporterinnen und Reporter ein Bild gemacht.
  • Das Ergebnis ist erschreckend.

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RTL hat in einer Investigativ-Reportage privatwirtschaftlich geführte Pflegeheime unter die Lupe genommen. Am Donnerstag (10. Februar) zeigte der Sender um 20:15 Uhr (und auf RTL+) das Ergebnis unter dem Titel "Abgeschoben und vergessen: Das würdelose Geschäft mit alten Menschen in unseren Pflegeheimen".

Das "Team Wallraff" wollte herausfinden, wie gut oder schlecht die alten Menschen dort untergebracht sind. Dafür waren Mitglieder undercover unter anderem in einem Altenheim in Augsburg, welches zur Kette "Sereni Orizzonti" gehört, sowie am Harz im "Alloheim" unterwegs. Dabei deckte das Team zahlreiche Missstände auf.

Was sind Private-Equity-Unternehmen?

Während dem Undercover-Einsatz erhärtete sich der Verdacht, dass Heime, die von Private-Equity-Unternehmen geführt werden, das Wohlergehen der Menschen aus den Augen verlieren. Die Reporterinnen und Reporter sind teilweise einsamen und vernachlässigten Bewohnerinnen und Bewohnern begegnet – oft mangelte es an der Hygiene. Das Pflegepersonal ist überlastet, zu wenige Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter kümmern sich um zu viele Personen.

Das Konzept von Private-Equity-Unternehmen: Sie nehmen Kredite auf, übernehmen Pflegeheime, betreiben diese gewinnbringend und verkaufen sie nach ein paar Jahren wieder. Um dies zu ermöglichen, wird an allen Ecken und Enden im Heim gespart: ob am Essensangebot, am Personal oder am Material. Laut des Sozialwissenschaftlers Prof. Dr. Stefan Sell liegen bereits Studien aus anderen Ländern vor, die belegen, dass in den Heimen eine höhere Sterblichkeit vorliegt.

Ein Pfleger auf 15 Demenz-Patienten

Im Pflegeheim "Alloheim" in Herzberg am Harz starb im Februar 2021 eine alte Frau, nachdem sie das Heim verliess und nicht mehr zurückfand – sie erfror. Ein Reporter bewarb sich im Sommer des gleichen Jahres als Pflegepraktikant. Dort muss sich nach Aussagen eines Pflegers einer um 15 Bewohner auf der Demenzstation kümmern. Auf drei Stockwerken seien nur drei Pflegerinnen und Pfleger im Dienst.

An seinem vierten Tag sollte sich der Reporter allein um 15 Pflegebedürftige auf der Demenzstation kümmern. Dazu äusserte sich ein Sprecher der Senioren-Residenz: "Aufgrund eines vorübergehend aussergewöhnlich hohen Krankenstands zum Höhepunkt der Urlaubssaison kam es im August zu unserem Bedauern kurzzeitig zu vorübergehenden Engpässen." Das Heim habe sofort gehandelt und im September hätte sich die Personalsituation bereits verbessert. Zudem sei nach einer Einweisung ein begleiteter Einsatz von Praktikanten möglich.

Hilflose Menschen werden "zu Opfern eines Systems"

Eine Reporterin nahm ein Seniorenheim in Augsburg (Sereni Orizzonti) in den Blick, machte im Sommer 2021 ein neuntägiges Praktikum. Auch sie dokumentierte zahlreiche Missstände. Vor allem im Gespräch mit dem Heimleiter bekam sie das Gefühl, dass die Bewohnerinnen und Bewohner auch als Geldquelle angesehen werden. Dieser erklärte ihr, dass kurz zuvor fünf Bewohner gestorben sind und er die grosse finanzielle Lücke schnell stopfen müsse. Alle Betreiber, die in der Reportage beleuchtet wurden, bestreiten die Vorwürfe, aufgrund von Gewinnmaximierung an Qualität oder Fachpersonal einzusparen.

Nach seinen Recherchen war Journalist Günter Wallraff schockiert und kritisierte den privatwirtschaftlichen Gedanken in der Pflege. "Spekulationsinteressen und Profitgier von Pflegekonzernen, der Kostendruck in rein renditeortientierten Unternehmen und der dramatische Personalmangel in der Pflege verschärfen sich zunehmend", erklärte Wallraff. "Die Leidtragenden dieses Systems sind neben den Pflegebeschäftigten alte und hilflose Menschen, die regelmässig zu Opfern eines Systems werden, das sich niemand für seine Angehörigen oder sich selbst wünscht."  © 1&1 Mail & Media/spot on news

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