Bei "Temptation Island" werden in Folge sieben und acht die Daumenschrauben angezogen und die Alkohol-Reservetanks geöffnet. Das Ergebnis: Jetzt fummeln endlich auch die Frauen. So sieht also Emanzipation bei RTL aus.
Beziehungen sind ein vollkommen überholtes Konzept. Ehrlichkeit, Treue, Vertrauen - wer braucht schon all diesen Unsinn. Der Mensch ist einfach nicht für nur einen Partner geschaffen. Es könnte immer noch jemand vorbeikommen, der besser zu einem passt. Oder weniger Kleidung trägt. Betrunkener ist.
Und wenn das nicht der Fall ist: Sorgt man einfach dafür, dass definitiv sehr viele Menschen von genau diesem Schlag zusammentreffen. Womit das Konzept von "Temptation Island" ziemlich genau umrissen wäre: Sind sie zu stark, bist du nicht dicht genug. Die wöchentliche Dosis Malle, jetzt, wo wir alle eine Weile nicht mehr dorthin kommen werden.
Die drei verbliebenen Paare von "Temptation Island" torkeln in Folge sieben und acht auf das Finale zu - was immer das in diesem Format auch bedeutet. Worauf RTL hinaus will, ist relativ klar: Ein getrenntes Paar ist nicht genug - sorgen wir dafür, dass es noch mehr werden!
Also öffnet der Sender die Zusatztanks mit Energy-Drinks und Billigfusel, damit auch noch der letzte Widerstand dahinschwindet. Sofern er denn je vorhanden war. Das System ist einfach: isolieren, dann irgendein williges tätowiertes Menschenmaterial draufwerfen und der künftigen ehemaligen schlechteren Hälfte das Ergebnis präsentieren.
Nicht aufregen? Sendezeit verwirkt
Versuch Nummer eins: Till und Hanna. Er hatte in den vergangenen Folgen seinen Spass, hat sich aber eines Besseren belehren lassen. Das war im Konzept der Sendung so nicht vorgesehen, weswegen ihm RTL vorspielt, wie in der Villa nebenan die Herren den Allerwertesten seiner Angebeteten mit dem Becken polieren. Till schaut verkniffen, brüllt dann aber freudig: "Danke, dass ich sie mal sehen durfte!" Womit er seine Sendezeit verwirkt hat. Dass einer bei diesen Bildern als natürliche Reaktion nicht irgendeiner anderen Frau im Dekolleté herumfummelt, will nun wirklich keiner sehen.
Dann doch lieber Mateo und
Sarah beispielsweise, die Mateo immer wieder einflösst, dass er eine bessere verdient hat - und wer würde schon der Weisheit einer Frau widersprechen, die sich in überschaubarer Badebekleidung an den eigenen Körper presst und mit ihrem Bodypainting die Bettwäsche versaut?
Moderatorin
"Mach Schluss!", fordern sie von Mateo. Wer will da widersprechen. Beziehungen sollten bekanntermassen immer von einem Mehrheitsvotum entschieden werden. Und es geht nichts über Kandidaten, die schlicht genug sind, um sich von Volldilettanten manipulieren zu lassen.
"Für manche wäre das Fremdgehen, für manche nicht"
Womit wir beim Star von "Temptation Island" wären: Calvin, der Mann, der sich nach dem Ende dieser Show vor Angeboten aus der Trash-TV-Branche nicht wird retten können. Über zwei Folgen bahnt RTL den grossen Showdown an.
Es beginnt wie jedes mal seit einigen Wochen: "Ich bin leider schon wieder mit Jacqueline aufgewacht", sagt Calvin mit einem Schädel, breit wie ein Flugzeugträger. Glücklicherweise hat er eine logische Erklärung dafür: "Ihr Zimmer war voll." Dafür sollte doch selbst die eifersüchtigste Frau Verständnis haben.
Überhaupt ist er sich gar nicht so sicher, ob er sich eigentlich etwas vorzuwerfen hat. "Was in diesem Zimmer schon abging - für manche wär' das Fremdgehen, für manche nicht." Eben. Fremdgehen, nicht fremdgehen oder einfach der schlechteste Amateur-Porno der Welt - wer kann das schon sagen?
Calvin zumindest wiegt sich in Sicherheit. "Das ist wie so ein Campingplatz hier, du kannst überall einpennen." Auf einer Blondine, einer Brünetten, wo man mit seiner Klorolle in der Hand halt hinfällt. Bis ihm Angela Finger-Erben die Reaktion seiner Freundin Pia vorspielt. Die sagt: "Ich spür nur noch Hass." Und: "Ich will auch gar nicht mehr mit ihm reden oder ihn sehen."
"Temptation Island": "Ich hab sie halt kurz vergessen"
Calvin seufzt. "Hätte ich nicht gedacht", sagt er. Wie soll er auch darauf kommen, dass seine Freundin es doof findet, wenn eine Frau ohne Schlüpper die ganze Nacht an ihm herumfummelt? "Ich hab sie halt kurz vergessen", murmelt er. Das passiert schliesslich jedem mal. Noch ist nichts verloren! Er muss nur diese Jacky mit dem Stripper-Tourette loswerden. Die wird sicher Verständnis haben, dass sie sich nun einen neuen Campingplatz suchen muss.
Doch das Gespräch läuft nicht ganz wie erwartet. Jacky macht es sich wie gewohnt auf Calvins Schoss gemütlich, der schiebt sie weg: "Ich hab ne Freundin." Sie antwortet: "Interessiert mich das?" Dann versucht er ihr zu erklären, dass sie ihn doch angemacht habe. Zu viel für die Inselbewohnerin deren Augenlider nach dem gewohnten Fässchen Alkoholika zum Nachmittagskuchen bereits auf Halbmast sind: "Wo hab ich dich angebaggert? Wenn du was anderes behauptest, kriegst du jetzt in die Fresse!"
Da feuert sie ihr Glas in die Hecke. Eine vollkommen verständliche Reaktion. Darf man denn nicht mal den Schlüpper vor einem Typen ausziehen, den man seit drei Minuten kennt und sich breitbeinig vor ihn setzen, ohne dass einem das als sexuelle Avancen ausgelegt wird? In so einer Welt möchte wirklich niemand leben.
"War das Pia?" "Ich seh doch nix!"
Zeit für den letzten Akt. Calvin liegt gelangweilt auf der Couch, der Fernseher springt an. Zwei Menschen hinter angelehnter Tür im Badezimmer. Flüstern, schmatzende Geräusche. Calvin sieht nicht einmal richtig hin. "Das ist deine!", schallt es ihm entgegen. "Echt, Pia?" Er bleibt liegen.
Diverse Sexualpraktik-Theorien werden aufgestellt. Der Konsens: "Auf jeden Fall haben sie geknutscht." Bei Calvin liegen die Synapsen offenbar immer noch im Eimersaufen-Koma: "War das Pia?", fragt er noch einmal. "Ich seh doch nix!" Was natürlich auch daran liegen könnten, dass der König von Besoffska immer noch kurz vor Bodennähe auf der Couch fläzt.
"Hat Pia einen pinken BH?", fragt eine, als eben jenes Kleidungsstück im Bild auftaucht. "Ich seh doch nix von hier!", raunzt Calvin zurück. Eben! Kann nicht endlich einer den Fernseher von der Wand losschrauben und zu ihm bringen? Nur weil seine Freundin sich von Meister Propers Tattoo-Schwippschwager Diogo im Bad die Klosteine zeigen lässt, muss er doch nun wirklich nicht aufstehen!
Stattdessen entgegnet er: "Das kann jede Olle gewesen sein!" Kollektiv schallt ihm entgegen: "DAS IST DEINE FREUNDIN!!!" Vielleicht versteht es nun auch Calvin. Die Reaktion: "Hä?" Gut, vielleicht auch nicht.
Glücklicherweise ist RTL so freundlich und jagt noch ein paar Bilder hinterher. Seine Freundin Pia und Diogo gehen schlafen. Eng umschlungen kuscheln sie sich aneinander. Jetzt muss doch auch bei Calvin der Groschen fallen oder zumindest ein paar Bitcoins. Seine Reaktion: "Aber geküsst hat man nix!" Geben wir es einfach auf.
Irgendwann an diesem Abend in Folge acht ist es dann doch so weit. Calvin wird nachdenklich. Seine weinende Freundin, war das alles nur Show? "Ich hab mir hier vier, fünf Tage den Kopf zerbrochen, das hat mir das Herz gebrochen", beschwert er sich. "Deine Freundin hat dich hier gerade betrogen und du machst dir immer noch Gedanken, weil sie geweint hat?", entgegnet ihm eine der anderen Teilnehmerinnen. Die simple Antwort: "Ja."
Gedanken machen ist schliesslich im Fall von Calvin ein hoch diffiziler Prozess. Den sollte man auf keinen Fall unterbrechen. Vielleicht kommt er bis nächste Woche zu einem Ergebnis. Und wenn nicht: auch egal.
Das Leben ist bekanntlich ein Campingplatz. Man bleibt einfach bei der, wo man nach zwölf Eimern Sangria umfällt. So war es schon immer, so wird es immer bleiben. Zumindest auf "Temptation Island".
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