Je grausamer der Scherz, desto grösser der Lacher: Das scheint das Motto der zweiten Staffel von "The Big Surprise" zu sein. Palina Rojinski versucht, die versteckte Kamera der Generation Smartphone näherzubringen. Doch der Zuschauer merkt schnell, dass viel Schaden wenig Freude bringt.
Ein wenig kann
Natürlich, bei ProSieben sieht das auch in Staffel zwei wieder alles ein wenig jugendlicher aus. Die Kandidaten haben crazy Namen wie "Genzana", sind Tätowierer und wünschen sich Dinge wie einen Pick-up-Truck oder mit Schildkröten zu schwimmen. Und sie müssen selbstverständlich viel grausamere Scherze erleiden als damals bei Kurt und Paola Felix. Palina Rojinski begann ihre Karriere schliesslich im Dunstkreis der sendereigenen Folterknechte Joko Winterscheidt und Klaas Heufer-Umlauf.
Erst zufrieden, wenn einer heult
Das wird bereits in den ersten Minuten klar. Der Sprecher kündigt an, dass die Kandidaten einen Tag lang ihren "persönlichen Alptraum" erleben, "bis an die Grenze ihrer Belastbarkeit." 100 Kameras beobachten sie. In ihrem Auto, an ihrem Arbeitsplatz, überall. Als sei George Orwells "1984" endlich Realität geworden. Bei einem Münchner Fernsehsender.
Katrin ist die erste, die diese Tortur durchleiden muss. Freund Silvio und ihre besten Freundinnen haben ihr das eingebrockt. Sie jagen ihr erst eine schlechtgelaunte Kundin im Beauty-Salon auf den Hals. Dann einen Beamten vom Bauamt, der Hygienestandards abfragt. Und zu guter Letzt gestehen ihre Kolleginnen, dass sie sich von der Konkurrenz haben abwerben lassen. Auch das kennt man bereits aus "Verstehen Sie Spass?". Doch dort ist man zumindest so gnädig, nicht alles einer einzigen Kandidatin zuzumuten. Bei "The Big Surprise" ist man erst zufrieden, wenn die Teilnehmerin heult und kurz vorm Nervenzusammenbruch steht. Dass sie nach der Auflösung gesteht, sie fände die Show lustig, macht es nicht besser.
Menschen werden von denen gequält, die ihnen am nächsten sind
Um so ein Konzept wie die versteckte Kamera einer jüngeren Zuschauerschaft schmackhaft zu machen, müssen neue Ideen her. Wie das geht, zeigte Christian Ulmen 2005 mit "Mein neuer Freund". Eine Komik, die dem Zuschauer im Hals stecken blieb. Weil Ulmen in seinen Verkleidungen da hinging, wo es unangenehm wurde - für ihn und das Publikum. Da er sich dabei aber vor allem selbst blossstellte, machte die Sendung ertragbar. Das grosse Problem von "The Big Suprise" ist: Menschen werden von denen gequält, die ihnen eigentlich am nächsten sein sollten. Darüber lässt sich nur schwer lachen.
Wie wahr das ist, beweist "The Big Surprise" gleich selbst. Die zweite Kandidatin Genzana will ihren Freund Sven reinlegen. Er soll "richtig leiden", so "dass er den Boden unter den Füssen verliert". Also das, was jeder seinem Partner wünscht. Ein Sympathieträger wird man so nicht. Aber genau deswegen funktionieren die nächsten Streiche. Der Spiess wird umgedreht. Genzana wird ohne ihr Wissen zur Leidtragenden. Ihr, die ihren Freund "richtig leiden sehen" wollte, gönnt man die Retourkutsche. Model Lena Gercke spielt eine unerträgliche Version von sich selbst, die Genzana herablassend behandelt und noch dazu die fiktive Affäre ihres Freundes ist.
Das funktioniert, weil "The Big Surprise" dann ganz nah an dem ist, wovon sich die Show absetzen will: den harmlosen Scherzen aus "Verstehen Sie Spass?". Aber natürlich belässt man es nicht hierbei. Am Ende ihres Horrortages weint Genzana. Das scheint die einzig neue Erkenntnis aus "The Big Surprise" zu sein: Wenn keine Tränen fliessen, ist es keine Unterhaltung.
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