Gestern Abend beendete TV-Moderator Stefan Raab seine langjährige Unterhaltungsshow "TV total", ohne grossen Bahnhof zu veranstalten: Keine Stargäste waren eingeladen, stattdessen setzte sich Raab mit Elton zusammen, um ohne grosse Wehmut über alte Zeiten zu plaudern.

Mehr News über TV-Shows

Gefühlt war er schon doppelt so lang fixer Bestandteil des Fernsehprogramms, gezählt waren es 16 Jahre und 2242 Folgen, in denen Stefan Raab mit seiner Spott-Show "TV total" die Abendunterhaltung auf ProSieben bestritt. Entsprechend lang und donnernd ist sein Applaus zu Beginn der 2243. und allerletzten Sendung. Raab winkt ab: "Wir müssen noch 'ne Show machen heute Abend". Dann korrigiert er sich: "Wir dürfen noch."

Sendung ohne Luft

Das mit dem Müssen und Dürfen war schon seit einiger Zeit Thema: Seinen Fernseh-Rücktritt kündigte Raab im Juli an, die Sendung hatte sich nicht nur dank der YouTube-Konkurrenz tausender peinlicher Momente schon einige Zeit davor überholt. Es wirkte oft so, als würde Raab nur noch seinen Dienst bis zur Pension ableisten. Luft war lang keine mehr im "TV total"-Reifen.

Da passt es auch, dass selbst für den Abschied kein wirklicher Aufwand betrieben wird. Die Hälfte der Sendung verbringt Raab im Rückblick – nicht auf die gelungensten oder die merkwürdigsten oder die peinlichsten Momente, sondern auf irgendwelche. Es wirkt wie früher in den Sitcoms, wo man gerne aus zusammengeschnittenem Material vergangener Folgen billig eine neue basteln konnte.

Star- und Dauergast: Elton

Dabei scheint Raab zu Beginn sogar gut aufgelegt zu sein. Es mag die Freude des jahrelangen Arbeitstiers sein, der sich ausmalt, morgen mal ausschlafen zu können. "Als wir angefangen haben, war der Berliner Flughafen noch eine Baustelle", witzelt er. Das war am 8. März 1999, als die Late-Night-Sendung noch als wöchentlicher Beitrag ins ProSieben-Programm purzelte. Die Zeit war damals reif für die Idee, im Fernsehen das Fernsehen selber aufs Korn zu nehmen.

Für seine Querbeet-Erinnerungen hat sich Raab passenderweise einen Gast geholt, der ihn sowieso schon seit Jahren begleitet: Seinen Kumpanen und Handlanger Elton, der im Februar 2001 als "Show-Praktikant" zur Sendung kam und Raab fortan auch bei zig anderen Projekten unterstützte. Es werden Clips aus verschiedenen Elton-Auftritten gezeigt, unter anderem sein allererster, und Showvater Raab und Ziehsohn Elton plappern dazu, ohne damit etwas zu sagen.

Krawall-Humor und Gonzo-TV

In den Ausschnitten wird nochmal deutlich, warum Raab mit seiner Show umstritten war: Sein Humor ging auf Kosten anderer. In einem Streich mit versteckter Kamera setzt sich Elton mit Bauchrednerpuppe auf eine Parkbank, aber die freche Stimme der Puppe kommt per Funk von Raab. Ein Mann auf der Bank bittet mehrfach, nicht weiter belästigt zu werden. Nachdem Elton ihm die Puppe immer wieder ans Gesicht hält, weist der Mann darauf hin, dass hier seine Privat- und Intimsphäre gestört wird. Das Publikum lacht ihn aus.

Auch Elton war immer wieder die Zielscheibe von Raabs Spott, aber als guter Söldner und braver Comedy-Sidekick hielt er alles mit leidgeprüfter Miene aus – selbst wenn ihn Raab mit zur Beautyfarm nahm und dort unter grossem Gelächter die Haare von Eltons Hintern mit Wachs entfernen liess. Vor allem in solchen Momenten war "TV total" Gonzo-Fernsehen, das davon lebte, einen niederen Instinkt in uns anzusprechen: Das Gefühl, klüger und besser zu sein als all die ach so dummen Leute, die da vorgeführt werden.

Abschiedslieder

Zwischen den Plaudereien preist Raab seine Band an, die heavytones: "Die beste Band der Welt". Er nennt Lieder, die die Musiker auf Kommando spontan zu spielen beginnen, wirft dann eine kurze Parodie auf "Living Next Door to Alice" ein, bei der das Publikum die Zeile "Elton? Who the fuck is Elton?" skandieren darf. Noch ein Song kommt, und noch einer wird ein paar Takte lang angestimmt. "So könnte das stundenlang weitergehen", schwärmt Raab, der einfach nur noch Sendezeit füllt. Zum Glück tut es das nicht.

Raab ist nicht wehmütig bei seinem Abschied und bedankt sich nur kurz fürs Zusehen. Beim Abgang verzieht er dann doch etwas das Gesicht, scheint sich eine Träne aus dem Augenwinkel zu wischen. Vielleicht ist es eine einstudierte Geste, vielleicht ein echter Anflug von Melancholie. Vielleicht ist es aber auch die Müdigkeit nach so vielen Jahren beruflicher Heiterkeit. Samstag muss er nochmal bei "Schlag den Raab" antreten, dann kann er ausschlafen.

JTI zertifiziert JTI zertifiziert

"So arbeitet die Redaktion" informiert Sie, wann und worüber wir berichten, wie wir mit Fehlern umgehen und woher unsere Inhalte stammen. Bei der Berichterstattung halten wir uns an die Richtlinien der Journalism Trust Initiative.