Ein unsterblicher Blutsauger trifft den berühmtesten Psychoanalytiker der Welt: In der österreichisch-schweizerischen Komödie "Der Vampir auf der Couch" begibt sich ein lebensmüder Vampirgraf im Wien der Zwischenkriegszeit bei Sigmund Freud in Behandlung. Doch so originell wie die Ausgangsidee ist der Film keinesfalls.
Graf Geza von Közsnöm ist Vampir und somit auch nur ein Mensch – weshalb er sich in psychotherapeutische Behandlung begibt. Die Jahrhunderte langweilen ihn, seiner kratzbürstigen Vampirgräfin ist er überdrüssig, und seine vor langer Zeit verschollene Liebe hat sich in keiner anderen Person mehr manifestiert.
Vielleicht kann ihm ja der berühmte Psychiater helfen: Nachdem der Graf im Wien der Dreissigerjahre lebt, liegt er bei keinem Geringeren als Sigmund Freud auf der Couch.
In der Praxis findet er ein Gemälde eines jungen Malers, der seine Verlobte porträtiert hat. Das Bild könnte die Antwort auf die Probleme des Grafen sein: Besagte Verlobte erinnert ihn nämlich an seine verblichene Liebe – und den dazugehörigen Maler könnte er doch einfach seiner Gräfin unterjubeln, die schon seit einer Ewigkeit darunter leidet, kein Spiegelbild mehr zu haben.
Umsetzung gelingt nicht richtig
"Freud therapiert Vampir": Das ist eine clevere, zündende Idee, das will man sehen. Zudem konnten die Produzenten Tobias Moretti für die Hauptrolle gewinnen. Doch die Umsetzung von "Der Vampir auf der Couch" ist nicht richtig gelungen. Der Film überschätzt die Tragkraft seiner Grundidee und löst ihr Versprechen einfach nie ein.
Es beginnt schon damit, dass – plump gesprochen – der Vampir einfach so gut wie nie auf der Couch liegt. Es gibt nur eine minimale Anzahl von Szenen, in denen der Vater der Psychoanalyse tatsächlich auf das ewige Wesen trifft und dessen ausufernde Neurosen untersuchen kann. Tatsächlich dient der Besuch bei Freud prinzipiell nur der Wendung, dass der Graf das Gemälde entdeckt – und somit hätte der Film ohne grosse Handlungsänderungen auch "Der Vampir beim Trompetenlehrer" heissen können.
Brave Handlung, ausgelutschte Klischees
Die Elemente für ein wirklich originelles Spiel mit dem Blutsaugermythos und der nicht weniger klischeeumrankten Psychoanalyse sind da – aber sie wirken, als wären sie als unsortierte Notizen auf dem Schreibtisch des Autors gefunden worden, der sie dann mit dem bravsten Handlungsgerüst aneinandergereiht hat, das er finden konnte.
Da wären beispielsweise die Fragen der Identität, die den lebensmüden Grafen ebenso plagen wie seine Frau, die sich mangels Spiegelbild einfach nicht mehr als Person wahrnehmen kann. Auch die Verlobte des Malers durchläuft so eine Identitätskrise, weil ihr Mann sie gerne zur erotischen Ikone hochstilisieren will, andererseits aber ihre emanzipatorischen Anwandlungen abblockt.
Aber was macht der Film aus diesen Ansätzen? Eine müde Abfolge platter Spässe und langsam ausbuchstabierter Eifersuchtshandlungen. Fledermaus vor dem Fenster, buckliger Gehilfe als Chauffeur, blutige Steaks, verführerische Bisswunden und staubige Showdowns: Die – mit Verlaub – vampirhaft ausgelutschten Allgemeinplätze der Blutsaugergeschichten werden hier so brav aufgesagt, dass sie den Witz zu Boden zerren.
Charmante Details, verschenkte Möglichkeiten
Spassig sind also alleine einzelne Momente, gelegentliche Ideen und isolierte Witze: Die teils charmanten Wortspiele etwa, wenn der spiegelbildlose Vampir dem Therapeuten sagt, dass er es nicht so mit der "Selbstreflektion" hat. Oder die schön verdrehte (und schon im Trailer angeführte) Szene, in der der Maler seiner Verlobten erklärt: "Jetzt will ich wieder, dass du so bist, wie du warst, bevor ich wollte, dass du wirst, wie ich wollte, dass du bist".
Und Freud-Fans wird es sicherlich entzücken, dass seine Schlaftabletten im Jahr 1900 abgelaufen sind – nach Erscheinen seines Buchs "Die Traumdeutung" brauchte er sie wohl nicht mehr.
Aber was hätte "Der Vampir auf der Couch" alles mehr sein können: Man stelle sich einen Film vor, in dem Freud als Hauptfigur einen Patienten behandelt, dessen Vampirdasein er als eingebildete Krankheit empfindet – und das soweit, dass der Vampir irgendwann aufhört, sich wie ein Vampir zu verhalten, weil er auf seinen Arzt hört. Man stelle sich vor, wie dieses Aufeinanderprallen von historischer Figur und berühmter Gruselmär die üblichen Annahmen über beides auf den Kopf stellen könnte. Man stelle sich vor, wie die Erfahrungen des Vampirs vielleicht erst Freuds Gedanken über das Menschsein formen könnten – und der dafür den Blutsauger erst darauf bringt, dass es etwas Sexuelles hat, wenn er jungen Frauen in den Hals beisst.
"Mir ist der Biss abhandengekommen", seufzt der Graf in der Therapie. Treffender könnte sich der Film gar nicht selber beschreiben.
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