In den vergangenen Monaten musste sich Markus Lanz viel anhören. Das hat bald ein Ende. Der Moderator trägt nach 33 Jahren "Wetten, dass ..?" zu Grabe. Ein Abschiedsbrief an ein Format, das sich selbst überlebt hat und an einen Moderator, der dafür nun wirklich nichts kann.
Verehrter Herr
endlich, endlich haben Sie es geschafft. "Wetten, dass..?" (Sie wissen schon, diese dröge Show aus dem Mottenschrank des ZDF), sie ist endlich Geschichte. Nie mehr dabei zuschauen, wie ein Metzger aus Bad Salzuflen mit einem Bagger ein Ei pellt - das ist doch ein Grund zur Freude. Samstage lassen sich mit Sicherheit unterhaltsamer verbringen.
Ja, ich weiss, 33 Jahre sind eine ordentliche Menge angelutschter Buntstifte. Und nein, Sie sind nicht schuld. Ja, die Kollegen aus der Presse, ich weiss, die Schelte, das war nicht schön. Immer wieder sonntags lesen zu müssen, was man alles nicht kann (moderieren, unterhalten, witzig sein), das sollte niemand aushalten müssen. Doch Sie haben sich wacker geschlagen.
Die meist langweiligen Wetten fanden Sie immer fantastisch, die Hollywood-Prominenz auch. Das ist auch eine Leistung. Dass Letztere sich in regelmässigen Abständen im US-Fernsehen ausheulten, wie seltsam doch diese deutsche Sendung sei - geschenkt. Die waren einfach überrascht, dass jemand mal etwas anderes von ihnen hören wollte als die auswendig gelernten Floskeln zum Kinostart ihres neuesten Films ("Ich habe noch nie mit einem besseren Team gearbeitet!"; "Wir waren wie eine Familie!"; "Das ist mein bester Film bisher!").
"Wetten, dass..?": Nur Markus Lanz hat sich getraut
So gross die Kritik in den letzten Monaten aber auch war, eines muss man Ihnen zugestehen: Sie hatten als Einziger genug Schaufelbagger in der Hose, um diesen Job anzunehmen.
Wer wurde da alles gehandelt: Günther Jauch, Hape Kerkeling,
Aber das Ganze stand ja von Anfang an unter keinem guten Stern.
Hätten die Macher nämlich nur ein wenig aufgepasst, wäre ihnen aufgefallen, dass von Frank Elstners ursprünglichem Konzept nach Thomas Gottschalks Regentschaft sowieso nichts mehr übrig war. Der blonde Entertainer tätschelte und quasselte und dazwischen machte eben irgendeiner irgendwas mit einem Bagger. Und weil das so unterhaltsam vor sich hinplätscherte, fiel gar nicht weiter auf, dass es eigentlich gar kein "Wetten, dass..?" mehr gab. Bis auf einmal Sie da waren. Da gab es dann nur noch die Show. Also nichts. Und Markus Lanz.
Verstehen Sie das nicht falsch, Herr Lanz: Es liegt gar nicht an Ihnen, es liegt an uns. Wir haben auch Jahre gebraucht, bis wir uns einen anderen Kanzler als Kohl vorstellen konnten. So viel Zeit hatten Sie aber nicht. Das Fernsehgeschäft ist gnadenloser. Wenn etwas nicht funktioniert, dann wird man es los. In der Politik geht das leider nicht so einfach.
Es gab mal richtige TV-Moderatoren!
Aber eigentlich sind gar nicht Sie das Problem. Es ist viel eher Ihr Berufsstand. Seit Jahren setzt uns das Fernsehen diese aalglatten Moderatoren vor. Jörg Pilawa, Johannes B. Kerner und eben Sie. Schwiegermuttertypen, windschnittig und ohne jeden Wiedererkennungswert. Menschlich sicher alles dufte Typen, aber das ist mein Frisör auch, deswegen moderiert er aber noch lange nicht "Wetten, dass..?". Die Privaten machten das Dilemma noch schlimmer. Casting-Models, Boygroup-Sänger, Soap-Darsteller - alles, was sich in knapper Kleidung aufrecht vor einer Kamera halten konnte, wurde vor eben diese gestellt.
Das war nicht immer so. Sie erinnern sich bestimmt auch noch: Hans-Joachim Kulenkampff, Thomas Gottschalk, Jürgen von der Lippe - die Reihe grosser deutscher Moderatoren ist lang. Damit ist es heute vorbei. Es scheint, als fehle der Nachwuchs für die grosse Bühne. Der die Familie vor dem Fernseher zusammenführt. Daran sind Sie leider gescheitert, verehrter Herr Lanz.
Sicher, es gibt den jungen wilden Nachwuchs, die Jan Böhmermanns, die Klaas Heufer-Umlaufs und Kurt Krömers dieser Welt. Doch die sind noch lange nicht massenkompatibel - und werden es vielleicht auch nie sein. Denken Sie nur an das traurige Gastspiel von Harald Schmidt bei "Verstehen Sie Spass?".
Wir müssen uns alle damit abfinden: Der Samstagabend als grosse Familienzusammenkunft vor dem Fernseher - es gibt ihn nicht mehr. Und wer könnte es unseren Kindern verdenken? Auf ihren Smartphones stehen ihnen unzählige Unterhaltungsangebote zur Verfügung, abseits davon gibt es eine ganze Welt zu entdecken. Dagegen ist ein Metzger, der mit seinem Bagger Eier schält, nur leidlich spannend.
Aber vielleicht ist genau das Ihre grösste Leistung, lieber Markus, wenn ich zum Abschluss so vertraulich sein darf: Sie haben uns klargemacht, dass wir "Wetten, dass..?" gar nicht brauchen. Dass man loslassen muss. Dass sich die Zeiten ändern. Dass es auch ein Leben abseits der Mattscheibe gibt. Und es beginnt schon bald. Für Sie, und auch für uns.
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