Er kam, sang und zeigte Haltung. Entgegen mancher Gerüchte über seinen Gesundheitszustand moderierte Entertainer Giovanni Zarrella am Samstagabend seine "Giovanni Zarrella Show" im ZDF. In der Göttinger Lokhalle sang und scherzte sich der "Italo-Schwabe", wie er sich auch mal selbst nennt, durch den Abend – und liess für einen kurzen, aber wichtigen Moment die heile Welt mal nicht heile sein.

Christian Vock
Eine Kritik
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Um 20:16 Uhr herrschte dann endgültig Gewissheit. Da steht Giovanni Zarrella nämlich tatsächlich im schwarzen Jackett auf der Bühne und begrüsst die Zuschauer vorm TV und in der Göttinger Lokhalle. Zarrella läuft mit seinen Tänzerinnen durch die Reihen, klatscht mit den Zuschauern ab und als er am Ende fragt: "Göttingen, geht's euch gut?", wird der eine oder die andere im Saal gedacht haben: "Ja, passt schon. Aber Giovanni, geht's dir denn gut?"

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Denn kurz vor Showbeginn kursierten plötzlich Nachrichten in der Boulevard-Presse, Zarrella habe wegen Nierensteinen plötzlich so starke Schmerzen gehabt, dass er in eine Klinik gehen musste – ob die Show stattfinden kann, sei ungewiss gewesen. Was auch immer an den Mutmassungen dran gewesen ist: Zarrella scheint so weit fit zu sein. Sogar so fit, dass er entweder die Gerüchte oder die tatsächlichen Ereignisse auf die Schippe nehmen kann.

Denn als er nach der Begrüssung von einer kleinen Stufe springt, guckt er zu seiner Band und witzelt: "Ich glaub' der Stein ist raus." Es sollte allerdings fast der einzige Moment sein, in dem Zarrella das Thema aufgreift und das ist auch sein gutes Recht. Niemand muss anderen Auskunft über seinen Gesundheitszustand geben, auch kein Giovanni Zarrella.

Familiär und edel – und live

Damit ist also alles gesagt, beziehungsweise eben nicht, und so können sich alle auf das konzentrieren, wofür sie an diesem Abend gekommen sind oder eingeschaltet haben: Die Sänger, um zu singen und die Zuschauer, um ihnen dabei zuzusehen. Bei diesen Künstlern hat die Produktion durchgeklingelt und Erfolg gehabt: Maite Kelly, Oli P., Peter Maffay, David Garrett und Stjepan Hauser, Ella Endlich, Max Giesinger, Roland Kaiser, Michael Schulte, Andrea Berg, Nino de Angelo, Marianne Rosenberg, Anna-Carina Woitschack, Santiano, LEA, Ben Zucker, Voices of UNICEF und die 90-jährige (!) Nana Mouskouri.

Für die hat man von der Bühne, auf der die Band spielt und das Talk-Sofa steht, einen Steg zu einer weiteren, runden Bühne in die Zuschauerreihen hinein gebaut. Mit ausreichend Abstand, aber doch mittendrin. Das schafft eine intime, familiäre Atmosphäre, die aber gleichzeitig vom dunklen, kalten Bühnendesign mit seinen vielen schwarzen Flächen und der goldfarbenen Beleuchtung zwar edel, aber auch ein wenig schummerig gehalten wird.

Zarrella
Zarrella singt "Caruso" von Lucio Dalla, während ihn David Garrett auf der Geige begleitet. © ZDF/Sascha Baumann

Mit anderen Worten: "Die Giovanni Zarrella Show" soll die klassische Samstagabend-Show mit Herzlichkeit vereinen und dazu gehört auch, dass Zarrella seine italienischen Wurzeln mit einbringt. Diesmal vielleicht ein bisschen seltener als sonst, aber doch genügend, um es noch als Alleinstellungsmerkmal zu haben. Der Höhepunkt: Zarrella singt "Caruso" von Lucio Dalla, während ihn David Garrett auf der Geige begleitet. "Ich warte seit Tagen drauf", gesteht Zarrella seine Vorfreude und Garrett wird nicht müde, zu betonen: "Das macht der Junge ja live hier!"

"Da lassen wir es nicht hinrutschen"

Zarrella ist also wieder Zarrella und auch die musikalischen Gäste machen, was sie sollen – aber zum Glück nicht nur. Denn, und das ist auch ein Alleinstellungsmerkmal der "Giovanni Zarrella Show": Zarrella singt nicht nur mit seinen Gästen, er redet auch mit ihnen. Nie lange, aber dafür ehrlich, im Kleinen wie im Grossen.

Zum Beispiel nach dem Auftritt von Oliver Petszokat, alias Oli P. Der ist ein wenig ausser Puste, muss kurz durchschnaufen. Das nutzt Zarrella für die Feststellung: "Ich weiss, wir werden nicht jünger. Wir sind ja beide 1978er." Petzokat kann das, wieder zu Atem gekommen, bestätigen und verrät: "Ich merk' das langsam. Unterer Rücken."

Oli. P
Mit Sänger Oli. P wurde es kurz politisch. © ZDF/Sascha Baumann/

Es hätte eine kurzweilige Plauderei zweier Mittvierziger bleiben können, hätte Zarrella Oli P. nicht nach einer ganz besonderen Zeile seines Liedes gefragt. "Einen Schritt nach vorne und keinen nach rechts" heisst es in "Bis zum Mond". Das sei für ihn kein politisches Statement, sondern "die geringste Menge, auf die wir uns in unserer Gesellschaft einigen sollten", erklärt Petszokat. Warum? "Ich möchte auch für meinen Sohn, für alle, dass es ein tolles Land bleibt", sagt Petszokat und erklärt dann, was ihm Angst macht: "Es rutscht in eine Richtung, die macht mich nicht glücklich."

"Da lassen wir es nicht hinrutschen", antwortet Zarrella und in jeder anderen Show wäre das vielleicht ein belangloser Satz gewesen, wie man ihn halt so sagt, um oberflächlich Haltung zu zeigen. Aber bei Zarrella steckt mehr dahinter. So erzählte der Sänger vor kurzem in einem Interview, wie ihn seine mit acht Jahren aus Italien eingewanderte Mutter nach dem Bekanntwerden der Deportationsfantasien unter anderem von AfD-Mitgliedern Anfang des Jahres fragte, ob sie, sollten die Dinge schlecht laufen, noch Zeit habe, ihr Haus zu verkaufen oder ob sie besser schnell verschwindet.

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Ja, es rutscht gerade in eine ganz falsche Richtung und gut, dass Zarrella zulässt, die heile Welt einer Samstagabend-Show für einen kurzen Moment mal nicht heile sein zu lassen. Sie kann es vertragen.

Giovanni Zarrella: "Das war ein heisser Ritt hier in Göttingen"

"Die schönste und gefühlvollste Musikshow" versprach Giovanni Zarrella am Samstagabend. Ob sie das war, kann man erstens nicht in dieser Bestimmtheit definieren, denn das hängt doch zweitens stark von den eigenen Erwartungen und Wünschen ab. Gleichzeitig kann man festhalten, dass Zarrella auch an diesem Samstagabend genau das gehalten hat, was er seit inzwischen drei Jahren mit seiner "Giovanni Zarrella Show" verspricht. Hatte er wirklich gesundheitliche Probleme – man hat es ihm nicht angemerkt, im Gegenteil.

Er moderiert den Auftritt der 90-jährigen Nana Mouskouri charmant und respektvoll, auch wenn er dabei den Zeitplan nicht aus dem Auge lassen darf. Er baut anlässlich des Mauerfall-Jubiläums kleine, persönliche Wende-Geschichten der Zuschauer ein und singt mit Max Giesinger und Michael Schulte den Scorpions-Klassiker "Wind of Change". Er streift genauso souverän mit Komponisten-Legende Joachim Heider durch dessen musikalisches Werk, wie er mit den drei Kinder von Voices of UNICEF darüber spricht, wie Erwachsene die Welt für die nachfolgenden Generationen besser machen können.

Das alles kann Zarrella deshalb so machen, weil er es authentisch macht. Weil er es offenbar liebt, auf der Bühne zu stehen, andere auf der Bühne zu sehen, mit ihnen zu sprechen, seinen Zuschauern einen guten Abend zu machen und weil er offenbar echtes Interesse an und Leidenschaft für all das hat. So viel zumindest, dass er und sein Team offenbar im Vorfeld alles getan haben, dass die Show stattfindet: "Ich weiss, was wir heute hier durchgemacht haben, redaktionell. Das war ein heisser Ritt hier in Göttingen", verrät Zarrella ganz am Schluss.

Eine Absage, verzeihen Sie den allzu naheliegenden Kalauer, wäre ihm wohl tatsächlich an die Nieren gegangen.

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