"Make Love" ist wieder da. In der gestrigen Auftaktfolge der ZDF-Doku-Reihe räumt Psychologin Ann-Marlene Henning mit den gängigen Klischees über Sex bei Jugendlichen auf. Erstaunlich sind nicht nur die Ergebnisse, sondern vor allem das Verhalten der Teenager.
Vor knapp zweieinhalb Jahren war sie plötzlich da. Ann-Marlene Henning. Im Fernsehen sprach die dänische Psycho- und Sexologin offen über das, was zwischen den Schlafzimmerwänden der Republik so abläuft: über Sex. Zuerst bei MDR und SWR, ab Staffel drei schaffte es "Make Love – Liebe machen kann man lernen" dann ins ZDF.
Zwar ist das Thema Sex immer noch nichts für den Kaffeetisch bei Omas Siebzigstem aber 2016 hat Sexualität im Vergleich zu früher doch einiges an Tabu-Strahlkraft verloren. Wirklich? "Wenn Mann weniger Lust hat", "Sex ohne Leistungsdruck" oder "Sex ab 40" sind Themen, die – jeder mag das persönlich anders halten – immer noch eher mit dem Therapeuten als unter Freunden oder Partnern besprochen werden – wenn überhaupt.
Ann-Marlene Henning spricht darüber. Ehrlich, unverkrampft, sympathisch. Es ist vor allem diese Selbstverständlichkeit, mit der Henning das Thema Sex angeht, die auch ihre Gesprächspartner offen über das menschliche Ineinander sprechen lässt. Insbesondere, wenn es im Detail heikel wird. Wie zum Beispiel bei Episode eins der neuen Staffel, die das ZDF gestern Abend ausstrahlte: "Wie lieben Teenager?"
"Make Love": Wie liebt die Jugend?
Teenager und Sex. Bei diesen beiden Schlagwörtern kommt man am "Dr. Sommer"-Team aus der Jugendzeitschrift "Bravo" nicht vorbei. Inzwischen klärt das Team auch online auf. Dazu kommen andere Online-Kanäle, auf denen Jugendliche seriöse Antworten auf ihre Fragen finden. Da verwundert es nicht, wenn laut "Make Love" 80 Prozent aller Jugendlichen angeben, gut aufgeklärt zu sein.
Aber Ann-Marlene Henning will es genauer wissen und fragt: "Wie liebt die Jugend im Zeitalter von Internet und Pornos?" Eltern, so Henning, befürchten nämlich aufgrund der freien Zugänglichkeit von Pornos, dass ihre Kinder verrohen und eine falsche Vorstellung von Sexualität und Partnerschaft bekommen. Ob das wirklich so ist und was Jugendliche darüber denken, darauf erhofft sich Henning Antworten von der 9. Klasse einer Gesamtschule in Leipzig.
Wie hältst du's mit dem Sex?
Eines der Ergebnisse, die Henning vorab bei den Schülern abfragte: Rund ein Drittel der 14- bis 16-Jährigen hatte schon einmal Sex, etwa 35 Prozent der Jugendlichen fanden ihn gut, etwa ebenso viele nicht so. Das hat natürlich nichts Repräsentatives und dient erst einmal nur als anonymer Einstieg zum Herantasten. Danach geht es ans Eingemachte: "Was ist guter Sex?", "Wie lange soll man warten bis zum ersten Sex?", "Können Frauen alle kommen und kann man das lernen?" - Henning nimmt kein Blatt vor den Mund und das kommt bei den Jugendlichen offenbar gut an.
Denn mit der gleichen Selbstverständlichkeit, mit der Henning fragt, antworten auch die Jugendlichen. Ob das die gleichen Antworten sind, die die Teenager auch ohne Henning und Kamera gegeben hätten, kann man natürlich anzweifeln, aber es ist doch wahrscheinlich. Hennings Art und Seriosität verfängt und gibt Raum für Offenheit auch und gerade in einem Lebensabschnitt, der von noch so vielen Unsicherheiten über sich, den eigenen Körper und den eigenen Platz im Leben geprägt ist.
Alles Porno? Nein, alles gut.
Umso erstaunlicher also, mit welcher Klarheit die Jugendlichen auf Hennings Fragen antworten und zum Beispiel die Realitätsnähe von Pornos einschätzen: "Manche Pornos gehen zwei Stunden. Als würde man das durchhalten", erklärt ein Jugendlicher. Genauso reflektiert zeigen sich die Schüler in den Gesprächen mit Henning, wenn sie über Liebeskummer, den Körper oder Homosexualität sprechen.
Diese Reflexion zeigt sich auch in den Zahlen, die "Make Love" immer wieder präsentiert. So findet Sex bei 99 Prozent der Mädchen und bei 91 Prozent der Jungen in festen Partnerschaften statt. Die Jugendlichen zeigen sich dabei nicht nur aufgeklärt, sondern streben auch in Bezug auf Sex Gleichberechtigung an. Sex drückt für Jugendliche Liebe, Intimität und Zusammenhalt aus. Alles in allem also ein Bild, das Jugendliche erwachsener aussehen lässt, als es die gängigen Klischees vermuten lassen.
Also alles gut? Wenn es bei allen Jugendlichen so läuft wie in der ausgewählten Leipziger Schule, dann ja, alles gut. Dann kann man Leuten, die gerne Sätze mit "Die Jugend von heute" anfangen sagen: Die Jugend von heute ist nicht verroht, sondern aufgeklärt, stark und klar im Kopf. Die Jugend von heute treiben die gleichen Sorgen um wie die Jugend von gestern und die fangen oft weit vor jedem Sex an. So stand auf einem der Zettel, auf denen die Schüler Fragen an Henning aufschreiben konnten: "Wie kann man ein Mädchen für sich gewinnen?" Alles Liebe oder was?
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