Neue Leute kennenlernen, Geschäfte anbahnen, sich selbst präsentieren, neue Jobs finden – für all das stehen sogenannte Business-Netzwerke wie zum Beispiel LinkedIn. In der jüngsten Ausgabe seines "ZDF Magazin Royale" zeigt Jan Böhmermann, dass LinkedIn allerdings auch für etwas anderes steht.
Nun ist es bei
Die Idee ist alleine deshalb schon interessant, weil Markus Söder nicht müde wird, den Grünen, wo es nur geht, das Image einer Verbotspartei anzudichten. Dass nun ausgerechnet er selbst etwas verbieten will, entbehrt also nicht einer gewissen Ironie. Böhmermann richtet sich aber nicht gegen die CSU als neue Verbotspartei, sondern gegen den Inhalt Söders Idee: "Immer mehr bayerische Jugendliche müssen sich darum hinter der Turnhalle zum heimlich Gendern treffen. Ich finde’s eine gute Idee. Auch weg mit diesen ganzen Gender-Sternchen auf den Schulterklappen von bayerischen Polizisten."
Markus Söders neue Freude am Verbot anderer Meinungen hätte eigentlich hervorragend in Böhmermanns jüngste Cancel-Culture-Ausgabe des "ZDF Magazin Royale" gepasst, als er einmal zeigte, wer denn hier eigentlich wen cancelt. Aber an diesem Freitag sollte es im "ZDF Magazin Royale" ohnehin nicht um Markus Söder und dessen neue Verbotskultur gehen, der Ministerpräsident war lediglich Böhmermanns Einstieg. Daher lässt er Söder und sein Verbot mit dem sarkastisch-zynischen Fazit stehen: "Aber keine Sorge: Das Gendern wird zwar verboten in Bayern, aber Antisemitismus ist weiterhin erlaubt."
Jan Böhmermann: "Ich mach die Anne Will. Ich hör auf"
Damit geht Böhmermann zum eigentlichen Thema des Abends über und leitet dies mit einer Ankündigung ein: "Ich mach die
Die beginnt unter dem Hashtag #StrengBeruflich mit den zum Teil lächerlichen Positionsbeschreibungen, unter denen sich die Mitglieder bei LinkedIn präsentieren. Böhmermann nennt sich hier etwa "Chief Substantial Content Presenter | Empath | Hilarity Consultant". Das ist noch eine vergleichsweise harmlose Kritik, genauso wie der Fall eines CEO, der bei LinkedIn über die Kündigung seiner Mitarbeiter Tränen vergiesst. "Bei LinkedIn gibt's keine problematischen Inhalte, nur ganz, ganz viele Gefühle", so Böhmermanns Fazit und gleichzeitig Einstieg in die tatsächliche Kritik.
Denn, man ahnt es, bei LinkedIn gibt es natürlich sehr wohl nicht nur Gefühle, sondern eben auch problematische Inhalt. "Wir haben mal einen kleinen LinkedIn-Deep-Dive gemacht und wer gehofft hat, dass es in Microsofts 'beruflichem Netzwerk' zu Treffen, Austauschen, Inspirieren und Finden irgendwie anders zugeht als überall sonst im Netz. Der ist wohl bisher von solchen triefend geilen 'Business Opportunities' in seinen LinkedIn-DMs verschont geblieben", erklärt Böhmermann und zeigt drei solcher DMs.
LinkedIn: Sexuelle Belästigung und Antisemitismus
"Mich interessiert, wie ich am besten 'investiere', um Dich zu einem Date zu bewegen. Ich wünsch Dir auf jeden Fall viel Erfolg bei deinem Business […]", heisst es in einer der DMs, die Böhmermann zeigt, und dementsprechend lautet sein Urteil: "LinkedIn ist also doch ein stinknormales soziales Netzwerk, nur, dass der Creep, der dir ungefragt in die DMs slidet, weiss, welche KW gerade ist."
Aber nur ein "Sliden in die DM" ist für Böhmermann nicht das Problem: "LinkedIn muss immer mehr Belästigungen löschen. Im ersten Halbjahr 2020 noch knapp 17.000", rechnet der Moderator vor und erklärt, sexuelle Belästigung am Arbeitsplatz habe sich während der Pandemie wegen des Homeoffices ins Netz verlagert, "und zwar zu LinkedIn". "Im zweiten Halbjahr 2020 musste Linked schon fast das Zehnfache an Belästigungen entfernen." Eine Menge Arbeit, trotzdem habe LinkedIn im Juli 2020 1.000 Mitarbeitern gekündigt. Auch nach der Pandemie gehe es weiter mit der Belästigung: "Im ersten Halbjahr 2023 hat LinkedIn über 250.000 Belästigungen entfernt."
Doch sexuelle Belästigung sei nicht das einzige Problem bei LinkedIn, denn es gebe auch antisemitische Hetzbotschaften oder Holocaustverharmlosungen, wie Böhmermann anhand dreier solcher Beiträge zeigt. Das deckt sich mit einem Beitrag von "Zeit Online": "LinkedIn galt lange als unpolitisches Business-Netzwerk. Inzwischen hetzen dort Nazis und Corona-Leugner unter Klarnamen. Und das Unternehmen lässt sie zu oft gewähren", heisst es dort im März 2022. Als Böhmermanns Team die drei Beiträge gemeldet habe, hiess es, die Beiträge entsprächen den Community-Richtlinien. Erst nach einer Nachfrage bei der Pressestelle seien die Posts verschwunden.
"ZDF Magazin Royale": nicht ganz so deeper "Deep Dive"
Eigentlich müssen solche Beiträge laut Gesetz gelöscht werden, warum dies nicht geschehen sei, dazu zitiert Böhmermann den "Stern": "Der Grund ist ein gesetzliches Schlupfloch. [2017] entschied das Bundesamt für Justiz, dass LinkedIn nicht unter das sogenannte Netzwerkdurchsetzungsgesetz, kurz NetzDG, fällt." Zunächst sei LinkedIn also nicht als soziales Netzwerk gewertet worden, obwohl dies laut Böhmermann eindeutig der Fall sei. Erst viel zu spät habe das Justizministerium hier reagiert. Allerdings sei inzwischen die EU-Kommission für Kontrolle zuständig – Böhmermann ist dennoch skeptisch.
Es sind also vor allem zwei Dinge, an denen Böhmermann Anstoss bei LinkedIn nimmt: sexuelle Belästigung und antisemitische Beiträge der Mitglieder. Alles wichtige und dringend zu lösende Probleme – gar keine Frage. Aber, das zeigen auch die Quellen Böhmermanns, keine allzu neuen. Das macht sie natürlich erst einmal nicht weniger wichtig, aber für das "ZDF Magazin Royale"-Team offenbar nicht so wichtig, dass man damit eine ganze Sendung gefüllt hätte. Das knappe erste Drittel der Show widmet sich Böhmermann jedenfalls einer Persiflage, ihm würden seine Inhalte von den Grünen vorgegeben – und eben Markus Söder.
Anderen Themen hatte sich Böhmermann in der Vergangenheit voll und ganz gewidmet und vielleicht wäre das hier auch besser gewesen. Dabei hätte Böhmermann mehrere Optionen gehabt, mindestens jedoch zwei. Zum einen hätte er noch ein bisschen tiefer bei seinem "Deep Dive" gehen und zeigen können, was noch so alles schiefläuft bei LinkedIn. Oder aber, er hätte sich auf ein anderes Thema konzentrieren können, das noch mehr Angriffspunkte liefert und da war er mit den populistischen Ideen von Markus Söder ja bereits auf der richtigen Spur.
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