Der blasse, dünne Junge ist zurück. Jan Böhmermann tauscht seit Freitagabend Spartenfernsehen gegen Hauptprogramm und meldet sich mit dem neuen "ZDF Magazin Royale". Wegen der Corona-Beschränkungen lässt sich das neue Konzept der Show nur erahnen. Und das drückt leider ein bisschen auf die Stimmung.

Christian Vock
Eine Kritik
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Am 12. Dezember 2019 war Schicht im Schacht. Jan Böhmermann verabschiedete sich mit seinem "Neo Magazin Royale" in eine elfmonatige Pause und klopfte zum Abschied mit einer fulminanten Ausgabe noch einmal so richtig auf die Sahne. Seitdem ist viel passiert auf der Welt und auch bei Böhmermann. Seit diesem Freitagabend begrüsst der Moderator die Nation nämlich jetzt aus dem ZDF-Hauptprogramm. Das erwartet die Zuschauer nun jeden Freitag um 23:00 Uhr.

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Die Ausgangslage im "ZDF Magazin Royale"

"Das letzte Wort, das jemals im 'Neo Magazin' gesprochen werden wird, soll unser Vermächtnis sein. Anfang und Ende geben sich die Hände." Ein wenig pathetisch läutete Jan Böhmermann vor knapp elf Monaten die letzte Ausgabe seine "Neo Magzin Royale" ein. Am Ende war "gepupst" jenes letzte Wort und damit Böhmermanns Vermächtnis – was auch immer das heissen mag.

In den Jahren zuvor hatte Böhmermann Fernseh-, mindestens aber Satire-Geschichte geschrieben: Varoufake, Veragate, Coinmaster-Skandal, Pol1z1sten0hn, Prism is a Dancer – um nur einige Highlights zu nennen. Mit dem Schmähgedicht auf Erdogan löste Böhmermann sogar eine Staatsaffäre aus. Nein, arbeitsscheu war Böhmermann in all den Jahren nicht. Allerdings war es immer eine Arbeit aus der Nische heraus. Bis jetzt.

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Das Studio

Es begann seinerzeit mit einem etwas düsteren Studio und einem 1970er-Jahre-Tresen-Schreibtisch, hinter dem sich Böhmermann verschanzen konnte, Gäste mussten auf einem Schreibtischstuhl Platz nehmen. Mit der Zeit wurde aus dem "Neo Magazin" das "Neo Magazin Royale" und das Ganze ein bisschen luftiger. Für Gäste gab es irgendwann sogar ein adrettes Bänkchen zum Hinsetzen.

Düster ist das Studio nicht mehr, richtig hell aber auch nicht. Böhmermann sitzt nun hinter einem braunen Schreibtisch, den Laptop aufgeklappt, hinter ihm eine grosse Videoleinwand. Dazu der obligatorisch schwarz lackierte Fussboden im gräulich-lilafarbenen Licht. Insgesamt eine atmosphärische Mischung aus edel gewollt und gewollt edel. Was man aber dazu sagen muss: Coronabedingt musste Böhmermann seine Premiere ohne Publikum, Band und eventuelle Gäste feiern, was der Atmosphäre im Studio nicht gerade geholfen hat.

Das Konzept

Dementsprechend darf man die erste Folge – und alle weiteren, die unter Lockdown-Bedingungen stattfinden – nicht unbedingt als Massstab für Böhmermanns "ZDF Magazin Royale" nehmen. Trotzdem kann man an Folge eins zumindest vorsichtig schon einmal so etwas wie eine Stossrichtung ablesen. Sehr wahrscheinlich wird es auf ein klassisches Late-Night-Show-Konzept hinauslaufen: Stand-Up-Part, vorbereitete Einspieler, Gäste und irgendein musikalischer Anteil.

Wie genau Böhmermann in Zukunft die 30 Minuten füllen möchte, da bleibt er in Folge eins erst einmal ein bisschen vage: "Das 'ZDF Magazin Royale' ist eine Art ganz langer Gute-Nacht-Kuss, bei dem Sie die Augen aufhaben müssen und ich die Augen schliessen darf", erklärt Böhmermann, um wenig später zu beweisen, dass seine Show mit einem Gute-Nacht-Kuss so gar nichts zu tun hat.

Zur Beschreibung taugt daher schon eher die Aussage von Gerhard Löwenthal, dem ehemaligen Moderator des "ZDF Magazin", die Böhmermann zitiert: "Unerbittlich wird das 'ZDF Magazin' ab sofort immer freitags nach den schadhaften Stellen in unserer Demokratie fahnden. Wir werden unabhängig, entschieden und furchtlos Stellung beziehen." In dieser Tradition sieht Böhmermann seine Show - "nur mit schlechteren Punch-Lines, ab und zu zeig ich meinen nackten Arsch."

Die erste Folge von Jan Böhmermann

Die beginnt mit einem hübschen Einfall. Die Redaktion hat sich für Böhmermanns Premiere ein paar Begrüssungsworte von dessen Weggefährten eingeholt – allerdings von denen, die Böhmermann bisher im Visier hatte, von frotzelnd bis todernst. Und so bekommt Böhmermann Grussworte von Vera Int-Veen über Christian Lindner bis hin zu Alexander Gauland.

Dann gibt es ein kleines Stimmungshängerchen: "Das ist kein schönes Gefühl, zu Corona-Zeiten die erste Sendung zu starten", erklärt Böhmermann und giesst sich erst einmal ein Gläschen Rotwein ein. Aber: "Nützt ja nichts, Unterhaltung will gemacht werden." Und unter Unterhaltung versteht Böhmermann keine sinnfreien Gags, sondern Humor mit Hirn und Satire mit Sinn.

Deshalb geht es in Folge eins um Verschwörungstheoretiker. Um die, die ihre Gesangskarriere deshalb aufs Spiel setzen, genauso wie um die, die auf der Strasse und in sozialen Netzwerken ihre kruden Theorien verbreiten. Eigentlich leichte Opfer, aber Böhmermann geht es nicht um kurzfristige Lacher, sondern um eine Botschaft.

Deshalb bahnt sich Böhmermann seinen Weg zu denen, die seiner Meinung nach wirklich ihre Macht missbrauchen: die Reichen und Superreichen. Die machten und machen ihr Geld nicht nur auf dem Rücken der Gesellschaft – von Zwangsarbeitern bis zu Steuerschlupflöchern – sondern beeinflussen auch die Politik zu ihren Gunsten. Böhmermanns Fazit: "Die ungleiche Verteilung von Geld und Gütern ist neben dem Klimawandel das grösste Problem der Gegenwart."

Das Fazit

Es hätte so schön werden können. Als sich Böhmermann vom "Neo Magazin Royale" mit allem Zipp und Zapp verabschiedete, wusste man natürlich nicht, was in seiner neuen Show kommen würde. Trotzdem hat man sich das Ganze ein bisschen fröhlicher vorgestellt. Natürlich ist man von Böhmermann eher gehaltvolle Kost gewohnt, aber die Realität sah unterm Strich dann doch ein bisschen freudlos aus.

Wenig Leichtes, bittere Wahrheiten, keine Gäste, Musik aus dem Home-Office, kein Publikum und ein Moderator, der mit der Flasche Rotwein (oder einer Ersatzflüssigkeit) in der Hand eine ziemliche Trostlosigkeit, und zwar eine ironiefreie, ausstrahlt. Man weiss natürlich nicht, wie die erste Folge ohne Corona ausgefallen wäre, aber Trost, wenn auch nur satirischen, kann man von Böhmermann in dieser ernsten Zeit erst einmal nicht erwarten.

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