Mit einem "Jetzt neu: mit 100 Prozent mehr Substanz", meldet sich Jan Böhmermann am Freitagabend mit seinem "ZDF Magazin Royale" aus der Sommerpause zurück und gibt dann einen Hinweis, um was für eine Substanz es sich denn dabei handelt: "Es geht um die beste Flaggenfarbe nach Schwarz und Rot." Doch nach Böhmermanns Substanzsuche kann von glänzendem Gold keine Rede sein.
Gold hat eigentlich einen tadellosen Ruf, dazu muss man nur einmal gedanklich durch Redewendungen scrollen: "Morgenstund hat Gold im Mund", "Reden ist Silber, Schweigen ist Gold" und selbstverständlich haben besonders liebenswerte Menschen ein "Herz aus Gold". Ist Gold also Gold wert? Wenn man einen Anlageberater fragt: vielleicht. Wenn man
Denn der Chefsatiriker nimmt sich am Freitagabend des Untergangspropheten liebsten Kindes an, dem Gold. Und Böhmermann muss nur ein bisschen an der goldenen Oberfläche kratzen, um festzustellen, dass tatsächlich nicht alles Gold ist, was glänzt. Zum Beispiel der Glaube, Gold sei eine gute Anlagemöglichkeit in unruhigen Zeiten. Deutschland, so zitiert Böhmermann die "Wirtschaftswoche", habe die zweitgrössten Goldreserven der Welt, in einem Gegenwert von 184 Milliarden Euro.
Jan Böhmermann: "Gold ist einfach 'ne Drecksau"
Eine stattliche Zahl, doch für Böhmermann ist eine andere Nachricht der "Wirtschaftswoche" interessanter: "Die Deutschen halten sehr viel mehr Gold als der Deutsche Staat." Und damit ist Böhmermann mittendrin im Thema, denn offenbar glauben die Deutschen an Gold. Diesen Glauben vermiest ihnen Böhmermann allerdings mit ein paar weiteren Zitaten: "Der Wert von Gold ist heftigen Schwankungen unterworfen und bleibt daher eine riskante und spekulative Geldanlage", heisst es etwa auf der Seite der Verbraucherzentrale.
Andere Dinge, die die Goldparty laut Böhmermann stören: "Gold bringt nicht mal 'ne Dividende, keine Zinsen […] und um Gold sicher zu lagern, muss man viel Geld bezahlen." Weitere Kritikpunkte: Goldabbau durch Kinderarbeit, Gesundheitsschäden und Umweltzerstörung durch den Einsatz von Quecksilber beim Abbau, Gold als Objekt der Begierde von Mafiosi oder russischen Söldnern im Bürgerkrieg in der zentralafrikanischen Republik. Böhmermanns Fazit: "Gold ist einfach 'ne Drecksau."
Aber Gold an sich ist natürlich weder 'ne Drecksau noch Heilsbringer und deshalb haben sich Böhmermann und sein Team einmal "den Lebenslauf von Gold genauer angeschaut" und eine Menge Fingerabdrücke gefunden. Schliesslich muss irgendwer ja die Deutschen vom Goldhorten überzeugt haben. Einer davon ist, so Böhmermann, August von Finck junior und bei ihm nimmt Böhmermann den goldenen Faden auf, aus dem er am Ende ein braunes Netz spinnt.
August von Finck juniors goldene Verbindungen zur AfD
Auf seiner Spurensuche stolpert Böhmermann nämlich über die Firma Degussa, die sich laut "Welt" an Plünderungen beteiligte und Zwangsarbeiter beschäftigte und laut "Süddeutsche Zeitung" "mehr als eine Tonne Gold einschmolz, das den Juden geraubt worden war, und unterstützte die Atompläne Hitlers". 2010 erwarb, so Böhmermann, ebenjener August von Finck junior die Namensrechte des Konzerns Degussa und gründete die Degussa Sonne/Mond Goldhandel GmbH.
Über von Finck und seine Firma schrieb "Der Spiegel" seinerzeit "Mit Fincks Geld wurden offenbar indirekt diverse Parteievents finanziert. Seine Handelsfirma Degussa war zudem […] an einem lukrativen Goldhandel beteiligt, mit dem die anfangs klamme AfD in den ersten Jahren ihre finanzielle Basis stärkte."
Damit kommt Böhmermanns goldener Lebenslaufcheck im rechten Milieu an, in dem sich noch weitere Personen tummeln. Zum Beispiel Heinrich XIII. Prinz Reuss, seinerzeit bei einer Grossrazzia festgenommener "Reichsbürger", bei der neben Waffen auch 50 Kilo Gold und Edelmetalle gefunden wurden. Ein anderer in Böhmermanns Gold-Netz ist Markus Krall, "einer der erfolgreichsten Crash-Propheten Deutschlands", so Böhmermann.
Lesen Sie auch: Das ist für Meg Ryans Kinder besonders peinlich
"Ey, Gold, mal ganz ehrlich: Mit was für Leuten hängst du eigentlich ab?"
Krall wiederum wird auch zu einer AfD-Veranstaltung eingeladen, wird Geschäftsführer von von Fincks Degussa und hat offenbar Fans in der "Reichsbürger"-Gruppe um Prinz Reuss, wie "Zeit Online" schreibt: "Teile der mutmasslichen Terrorgruppe wollten Markus Krall als Wirtschafts- und Finanzminister für ihr Schattenkabinett gewinnen, das nach einem Sturz der Regierung die Macht übernehmen sollte."
Und Krall soll Kontakt zum ehemaligen Chef des Verfassungsschutzes, Hans-Georg Maassen, gehabt haben, wie ein Chatverlauf zeigt. "Zeit Online" wiederum schreibt über Krall "In einem Gespräch zwischen Prinz Reuss, der allerlei Verschwörungsideologien anhängt, und einem seiner Vertrauten, der von sich behauptet, übersinnliche Fähigkeiten zu haben, kam man nach Informationen von 'Zeit Online' schliesslich überein, dass Krall verrückt sei." Böhmermann dazu: "Ey, Gold, mal ganz ehrlich: Mit was für Leuten hängst du eigentlich ab?"
Anklage statt Anlage
Ja, es war ein wilder Ritt am Freitagabend, bei dem Jan Böhmermann ein wenig hinter die Kulissen der vermeintlich sicheren Geldanlage Gold guckte. Hinter der satirischen Aufarbeitung ging es ihm darum, Gold-Mythen zu entzaubern, über das Blut, das an Gold klebt, aufzuklären und unseriöse Machenschaften aufzudecken. Wer sich tatsächlich aus guten Absichten Gold kaufen möchte, weiss jetzt, worin er da wirklich investiert.
Ob es auch seriöse Anbieter und "sauberes" Gold gibt, erwähnt Böhmermann dabei nicht. Aber er moderiert ja auch nicht das Verbrauchermagazin "WISO", sondern die Satiresendung "ZDF Magazin Royale". Daher gibt es hier selbstverständlich keine Beratung für eine Anlage, sondern eine Anklage – und damit wären wir bei Böhmermanns zweitem Anliegen.
Denn Gold ist am Freitagabend Zielobjekt und Weg zum Ziel zugleich. Böhmermann sieht sich nämlich an, wessen Fingerabdrücke denn eigentlich an Goldbarren kleben und das wiederum erklärt seinen wilden Ritt durch die vielen Verbindungen, vor allem in rechten Kreisen. Am Ende gilt daher in beiden Bereichen: Bei Gold lieber einmal genauer hinschauen.
"So arbeitet die Redaktion" informiert Sie, wann und worüber wir berichten, wie wir mit Fehlern umgehen und woher unsere Inhalte stammen. Bei der Berichterstattung halten wir uns an die Richtlinien der Journalism Trust Initiative.