Muhammad Ali gegen George Foreman. Conor McGregor gegen Floyd Mayweather Jr. oder wenigstens Gigi Birofio gegen Can Kaplan: Berühmte Zweikämpfe gab es viele. In der jüngsten Ausgabe des "ZDF Magazin Royale" fügt Jan Böhmermann der Geschichte des Duells ein weiteres Kapitel hinzu. Und bei dem geht es ums Ganze.
Die vergangene Folge der Satire-Show "ZDF Magazin Royale" hatte nur wenig Satire und noch weniger Show. Stattdessen nutzte
"Heute geht es bei uns in der Sendung um 'Deine Mudder!'", beginnt Böhmermann und man fragt sich kurz: Hat Böhmermann zu lange in 2000er-Schulhof-Teenager-Slang-Wörterbüchern geblättert? Daher fragt der Moderator ebenso zu Recht wie rhetorisch "Was wird das für eine Sendung?" und antwortet sich selbst: "Es wird eine sehr gute Sendung." Da sind wir nun auch nicht schlauer, auch nicht, als Böhmermann wenig später ein bisschen konkreter wird: "Heute beschäftigen wir uns im 'ZDF Magazin Royale' mit dem Kampf des Jahrtausends."
Dann wird er endlich deutlich: "Heute gehts um Biene vs. Borkenkäfer." Natürlich ist damit kein Ringkampf gemeint, einen Preis gibt es aber trotzdem: "Der Gewinner bekommt das Wichtigste, was ein Insekt sich erkämpfen kann: die Sympathie von uns Menschen – und das Recht, zu überleben. Weil: Es ist allgemein keine gute Zeit für Insekten", erklärt Böhmermann und löst dann endlich auf, welche "Mudder" er eingangs meinte: "und für Mudder Natur."
Sterben die Bienen aus?
Damit beginnt er, der kleine Exkurs in die Welt der Bienen und Borkenkäfer, in deren Verhältnis zum Menschen und schlussendlich darüber, was das alles mit unserem eigenen Überleben zu tun hat. Los geht es wie immer im "ZDF Magazin Royale" mit ein paar Schlagzeilen: Auf der einen Seite über das massenhafte Bienensterben und auf der anderen Seite über die massenhafte Verbreitung des Borkenkäfers.
Bereits hier macht Böhmermann klar: von den einen gibt es zu wenig, von den anderen zu viel. Böhmermann macht aber auch klar: Mit dieser Aufteilung in zu viel und zu wenig geht eine Aufteilung in gut und böse einher – allerdings eine menschengemachte. Aber, und nun taucht Böhmermann in die Hintergrundinformationen ein: Gibt es wirklich weniger Bienen? Offenbar nicht, denn die Zahlen, die Böhmermann zeigt, widersprechen der Nachricht vom Bienensterben: 2012 gab es 699.000 Honigbienenvölker, 2022 hingegen 996.000.
Die Auflösung: Es geht beim Massensternen nicht um die Honigbiene, sondern vielmehr um die Wildbienen. Nach Schwein und Rind ist die Honigbiene sogar das drittwichtigste Nutztier für den Menschen. Aber auch wenn, sofern man es hören will, meist nur die Zustände in der Massentierhaltung von Rind und Schwein bekannt sind, heisst das nicht, dass beim Nutztier Biene alles in Ordnung ist.
Die Honigbiene – im Einsatz für einen grünen Anstrich
So macht Jan Böhmermann zum Beispiel auf die Nutzung von Gelée Royale, dem Futtersaft der Bienenköniginnen, in der Kosmetikindustrie aufmerksam. Das Entfernen der Königin sei dabei für das Bienenvolk "eine extreme Stresssituation und ein massiver Eingriff in das Gleichgewicht des Volkes", zitiert der Moderator die Verbraucherzentrale. Hinzu kommt: Mit dem Irrglauben, die Honigbiene sterbe aus, betrieben Unternehmen durch das Ansiedeln oder Mieten von Honigbienenvölkern Greenwashing: "Honigbienen auf dem Firmengelände – das sieht einfach geil aus im Nachhaltigkeitsbericht."
Aber wo ist das Problem? Seit 2017 ist ein Nachhaltigkeitsbericht für Unternemen mit mehr als 500 Mitarbeitenden in der EU Pflicht und da sei so eine Ansiedelung und auch für die Unternehmens-PR schon hilfreich. Okay, aber noch einmal: Wo ist das Problem? Hier: "Dabei ist, sich einen Honigbienenstock aufs Dach zu stellen oder zu mieten, ungefähr so nützlich für die Artenvielfalt wie, sich einen Schweinemast-Stall aufs Dach zu stellen", erklärt Böhmermann.
Die perfekte Gelegenheit eigentlich, der Wildbiene an dieser Stelle mehr Aufmerksamkeit zu schenken, über die Funktion von Ökosystemen aufzuklären oder über deren Bedeutung für das Überleben der Menschen oder über die Diskussion, die gerade in Fachkreisen geführt wird, ob die vermehrte Ansiedlung von Honigbienenvölkern der Wildbiene, die ohnehin schon mit dem Verlust ihres Lebensraums zu kämpfen hat, nicht noch zusätzliche Konkurrenz beschert.
Der deutsche Märchenwald, eine Fichten-Plantage
Aber Böhmermann hat ja den "Kampf des Jahrtausends" versprochen und der lautet bei ihm nicht "Honigbiene gegen Wildbiene", sondern eben "Honigbiene gegen Borkenkäfer". Denn dem Satiriker geht es um die Frage: Wenn wir uns bei der Biene geirrt haben – dann vielleicht auch beim Borkenkäfer? Denn der gilt als Forstfresser, als Wüterich des Waldes, der ganze Landschaften kahl frisst. So einer kann doch nur ein Schädling sein, oder?
Um diese Frage zu klären, räumt Böhmermann erst einmal mit ein paar Mythen über den deutschen Wald auf. Denn der ist in Wahrheit gar nicht der Märchenwald, den wir so in unseren Köpfen haben, sondern ein Forst. Also ein bewirtschafteter Wald, der nicht in erster Linie der Natur dient, sondern dem Einkommen des Menschen. Da aber im Dritten Reich für den Bau und danach für Reparationszahlungen viel Wald gefällt wurde, wurden nach 1945 viel Fichten angepflanzt – "mehr aus der Not heraus als gut durchdacht. Überall entstanden schnell wachsende Monokulturen", wie Böhmermann die "Deutsche Welle" zitiert.
Mit anderen Worten: Der deutsche Wald wurde zu Fichtenplantagen umgebaut und die sind, durch die Klimakrise noch mehr, bei Hitze besonders anfällig für den Borkenkäfer. Böhmermanns Fazit: "Menschengemachter Klimawandel küsst menschengemachte Monokultur. Wir sind selber schuld." "Der Borkenkäfer muss das jetzt ausbaden", so Böhmermann weiter, aber eigentlich hilft der nur bei der Erneuerung des Waldes – wenn man die Natur nur sich selbst überliesse. "Borkenkäfer schaffen Lebensraum für Wildbienen", fasst Böhmermann zusammen und schliesst damit den Kreis.
Der eigentliche "Kampf des Jahrtausends"
Damit ist auch klar, was Böhmermann mit dem "Kampf des Jahrtausends" eigentlich meint: "Es geht gar nicht um Borkenkäfer gegen Biene. Der wahre Kampf ist: Mensch gegen Natur." Bei der Beschreibung dieses Kampfes hat Böhmermann viel erklärt, aber auch viele Lücken gelassen. Zum Beispiel über die Unterscheidung zwischen Kulturlandschaft und unberührter Natur, über die Besitzverhältnisse beim deutschen Wald, warum manche Entscheidungen so gefällt werden, wie sie es werden und noch vieles mehr.
Das wären alles Aspekte, die das Thema runder gemacht hätte, dafür hätte Böhmermann aber in der knappen halben Stunde, die er nun mal hat, an anderer Stelle sparen müssen. Entweder beim Kampf der Biene oder aber bei der satirischen Aufarbeitung. Die fällt nämlich diesmal grosszügiger aus. "Sonst noch jemand, dem die Honigbiene seinen ramponierten Ruf aufpolieren darf?", spottet Böhmermann beispielsweise über die Nachricht, dass der Waffenhersteller Heckler & Koch der Nachhaltigkeit wegen auf seinem Betriebsgelände Bienenvölker ansiedeln wolle.
Am Ende muss sich Böhmermann eben entscheiden, wie er macht, was er da macht und manchmal erklärt ein treffender Witz mehr als die längste Erklärung. Daher ist es Böhmermanns Verdienst, das Thema Mensch vs. Natur überhaupt auf den Tisch gebracht, dabei trotzdem viele Informationen übermittelt und bei all dem die wichtige Botschaft platziert zu haben, dass der Mensch die Natur vielleicht nicht immer aus menschlicher Perspektive betrachten sollte. Oder wie Böhmermann über den "Kampf des Jahrtausends" sagt: "Und raten Sie mal, wer den am Ende gewinnt. Kleiner Tipp: nicht wir."
Verwendete Quelle:
- spektrum.de: "Gefährdet die Bienenzucht die Wildbienen?"
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