Wenn Kinder fragen, wo denn bitte Gott wohnt, dann gibt es jetzt eine Antwort: im Taunus. Dort liegt nämlich das Zentrum der Religionsgemeinschaft Bhakti Marga um ihren Guru Swami Vishwananda. Und was der so treibt und woher er sein Geld bekommt, das sieht sich Jan Böhmermann am Freitagabend im „ZDF Magazin Royale“ einmal genauer an.

Christian Vock
Eine Kritik
Diese Kritik stellt die Sicht von Christian Vock dar. Informieren Sie sich, wie unsere Redaktion mit Meinungen in Texten umgeht.

In der vergangenen Woche machte Jan Böhmermann aus dem „ZDF Magazin Royale“ eine TV-Gerichtsshow und liess von „Richter Ralf Richter“ mehrere Fälle verhandeln. Auf der Anklagebank: die neue deutsche Bürgertumsfamilie, Alltagsrassismus oder die AfD. Am Freitagabend nun hängt die Richterrobe wieder im Schrank, das bedeutet aber nicht, dass Böhmermann weniger klagefreundlich ist.

Mehr News über TV-Shows

"Es wird heute spirituell im 'ZDF Magazin Royale', es wird heute spirituell", führt Böhmermann aber erst einmal in eine andere Richtung, und biegt dann auch noch kurz ab. Deutschland, so Böhmermann, gehöre einer neuesten Umfrage zufolge nicht mehr zu den 20 glücklichsten Nationen, allerdings gibt es ein Gegenmittel: "Das Glück kehrt zurück nach Deutschland, wenn wir es so machen wie unsere Nachbarn im Süden – die Bayern", scherzt Böhmermann vor dem Hintergrund, dass dort jüngst das Gendern verboten wurde.

In der Tat ist es nicht ganz ohne Ironie, dass ausgerechnet Markus Söder und seine CSU sich damit als Verbotspartei outen, wo sie doch genau das immer ihrem Erzfeind, den Grünen, vorwerfen. Aber Böhmermann will auf etwas anderes hinaus: "Wer andere Leute sprachlich einschliessen will, der wird in Bayern ab sofort ausgeschlossen", fasst Böhermann das bayerische Gender-Verbot zusammen.

Bhakti Marga: Jan Böhmermann will Transparenz schaffen

Dann biegt Böhmermann in Richtung des eigentlichen Themas des Abends ein. Unter dem Hashtag #Würg geht es diesmal um die Religionsgemeinschaft Bhakti Marga. "Die gibt’s in 53 Ländern auf der ganzen Welt", rechnet Böhmermann vor und findet: "Ganz schön grosse Religionsgemeinschaft – dafür, dass die keiner kennt. Darum ändern wir das heute im 'ZDF Magazin Royale'". Damit sind die Segel gesetzt, denn wenn Böhmermann jemanden in seiner Satire-Show bekannter machen möchte, dann nicht, um für ihn zu werben, sondern um Transparenz zu schaffen.

Die scheint auch dringend nötig: "Bhakti Marga, das ist Sanskrit und heisst: Weg der Hingabe. Bei Bhakti Marga können im Grunde genommen alle mitmachen – wenn das Ego klein genug ist", deutet Böhmermann an und zeigt dann einen Video-Ausschnitt, in dem ein Guru der Gemeinschaft behauptet: "Ich kann Dir geben, was andere Dir nicht geben können." Im Grunde versuchen das ja alle Religionsgemeinschaften, warum also hat es nur Bhakti Marga ins "ZDF Magazin Royale" geschafft?

Dazu zitiert Böhmermann über deren Guru Swami Vishwananda aus dem "Tagesspiegel": "Gelegentlich habe er Stigmata, die Wundmale Christi, an Händen und Füssen. Zum Beispiel zu Ostern […] Dafür gebe es Zeugen. Zudem könne der Guru Gegenstände, etwa Schmuck, materialisieren, indem er sie aus seinem Körper herauswürge." "Ich hab schon schlechtere Wunder in besserer Bildqualität gesehen", witzelt Böhmermann über ein krisseliges Video, das den Guru beim vermeintlichen Herauswürgen eines Gegenstandes zeigt.

Mit Rolex und Mercedes geht Enthaltsamkeit ganz leicht

Aber halbgare Zaubertricks reichen wohl kaum für einen Platz im "ZDF Magazin Royale" und so lastet Böhmermann dem Guru, der sich auch mit Stars wie Cristiano Ronaldo oder Anthony Kiedis von den Red Hot Chili Peppers ablichten lässt, anderes an. "Im Kern von Vishwanandas Lehre steht die bedingungslose Liebe. 'Just Love'", zitiert Böhmermann aus der "Süddeutschen Zeitung" und weist dann auf den Anspruch des Gurus, ein enthaltsames Leben zu führen und der materiellen Welt zu entsagen.

Beides kommt Böhmermann komisch vor, sieht er doch am Handgelenk des Gurus eine 10.000-Euro-Rolex baumeln und ihn selbst in einem 87.000-Euro-Mercedes herumfahren. Auch dazu findet Böhmermann einen passenden Bericht, diesmal im "Wiesbadener Kurier": "Aussteiger kommen zu Wort, die die Glaubensgemeinschaft verlassen haben, weil sich das Verhalten des Gurus nicht mit dem deckte, was er predigte – Enthaltsamkeit." Da stellt sich der Satiriker die Frage: "Woher hat Bhakti Marga eigentlich das heilige ganze Geld für diese fetten Autos und die dicken Uhren?"

Die Geldquellen seien zum einen die Anhänger, Spenden sowie Einnahmen aus dem Gästebetrieb, dem Souvenir-Shop und durch Vorträge oder Kurse. Dann listet Böhmermann das Firmen-Organigramm von Bhakti Marga mit seinen AGs, UGs, GmbHs, Stiftungen und Vereinen auf. "So viele Firmen und Vereine – da kommt man ja ganz durchvishnananda", witzelt Böhmermann und nennt den Jahresumsatz der Bhakti Event GmbH von fast sechs Millionen Euro.

Jan Böhmermann: "Gott geht zum Anwalt"

Bis zu dieser Stelle sind das alles Punkte, bei denen man vielleicht hellhörig, vielleicht auch skeptisch wird, die aber noch nicht nach Skrupellosigkeit oder gar Verbrechen klingen. Stutziger wird man, als Böhmermann erklärt, wie diese sechs Millionen unter anderem zustande kommen. Etwa, durch eine "virtuelle Reise" für 385 Euro. "Der Guru packt seine Koffer und fliegt nach Bali und man kann ihm per Stream live dabei zugucken. Zu Hause am Laptop zugucken, wie jemand anderes nach Bali fliegt – zum Preis eines Fluges nach Bali", erklärt Böhmermann sarkastisch.

Weitere Finanzierungsquellen, die Böhmermann nennt, sind Verkäufe, etwa eines Modells der Füsse des Guru, freiwillige Arbeit oder zehn Prozent des eigenen Einkommens dem Guru zu geben, um "seine Dankbarkeit auszudrücken." Aber es stehen auch nicht-finanzielle Punkte auf der Liste, die Böhmermann ebenfalls transparent machen möchte: Zum einen die Aufgabe der Mitglieder, ihrem Guru zu gehorchen und zum anderen Vorwürfe, der Guru sei sexuell übergriffig geworden.

"Mehrere Bhakti-Marga-Aussteiger werfen Gott sexuelle Übergriffe vor und haben darüber mit dem Hessischen Rundfunk gesprochen", berichtet Böhmermann. Der Guru wiederum hat gegen diese Vorwürfe rechtliche Schritte eingeleitet: "Der Guru geht gegen den Hessischen Rundfunk gerichtlich vor. Gott geht zum Anwalt", erklärt Böhmermann und sagt: "Wir kennen die Wahrheit nicht – es steht Aussage gegen Aussage. Mutmassliche Missbrauchsopfer gegen Gott."

"Wie bitte? Gott lebt in Hessen?"

Als Böhmermann eine Pressemitteilung des Guru einblendet, nach der dieser noch nie eine Person "gegen deren Willen zu sexuellen Handlungen veranlasst, gedrängt oder gar genötigt" habe, baut Böhmermann aus dem verordneten Gehorsam und den Übergriffen eine Logikkette: "Gegen deren Willen. Was auch immer Willen heisst bei Menschen, denen ihr Guru sagt, Ihr sollt vollständig ignorieren, was ihr fühlt", erklärt Böhmermann und lässt die Problematik zwischen Abhängigkeit, Gruppendynamik und Einvernehmlichkeit von einer Expertin bestätigen.

Es folgen noch der Hinweis auf des Gurus besten Freund und dessen offene Arme für Verschwörungstheoretiker, dann ist die neueste Ausgabe des "ZDF Magazin Royales" auch schon wieder vorbei. Was bleibt ist ein zwiespältiges Gefühl. Denn satirisch gesehen, kommt Böhmermann seiner Aufgabe voller Elan nach. So spottet Böhmermann etwa über die Tatsache, dass die internationale Gemeinschaft der Bhakti Marga für ihr Zentrum den Heidenroder Ortsteil Springen im Taunus ausgesucht hat: "Wie bitte? Gott lebt in Hessen?"

Humoristisch ist der Abend ein Gewinn, doch dabei geht im Gag-Gewitter vielleicht unter, dass viele der ex- und impliziten Vorwürfe Böhmermanns juristisch nicht so handfest scheinen wie sonst. Auch bei den Übergriffsvorwürfen, wie auch Böhmermann selbst erwähnt, gilt die Unschuldsvermutung. Und so ist Böhmermanns Ausgabe über Bhakti Marga weniger ein TV-Prozess, sondern vielmehr eine Warnung, ganz genau hinzuschauen, wem man sein Seelenheil überlässt – und seinen Geldbeutel.

JTI zertifiziert JTI zertifiziert

"So arbeitet die Redaktion" informiert Sie, wann und worüber wir berichten, wie wir mit Fehlern umgehen und woher unsere Inhalte stammen. Bei der Berichterstattung halten wir uns an die Richtlinien der Journalism Trust Initiative.