Dass Fast Fashion, also schnell produzierte und schnell wieder weggeworfene Billo-Klamotten, nicht besonders nachhaltig ist, sollte jeder schon mal gehört haben. Dass aber auch die Alternative, Secondhand-Kleidung zu kaufen, so ihre Tücken hat, versucht Jan Böhmermann in der neuesten Ausgabe seines "ZDF Magazin Royale" zu beweisen. Allerdings verheddert er sich dabei in der Beweisführung.

Wie immer dauert es auch an diesem Freitag ein Weilchen beim "ZDF Magazin Royale", bis Jan Böhmermann das Thema der Sendung klarzieht. In seiner Rubrik "Apokalypse Wow" ruft der Moderator die Kernkrise der Menschheit in Erinnerung, die bei all den anderen Krisen fast in Vergessenheit gerät: die Klimakrise.

Christian Vock
Eine Kritik
Diese Kritik stellt die Sicht von Christian Vock dar. Informieren Sie sich, wie unsere Redaktion mit Meinungen in Texten umgeht.

Über eine als Schaf verkleidete Mitarbeiterin dreht sich die Richtung dann zum eigentlichen Thema, als es um das sogenannte "Sheep dipping" geht. Das ist ein Verfahren in der Wollindustrie, bei dem Schafe von einer Maschine gruppenweise in einem Wassertank mit Antiparasitenmitteln unter Wasser gedrückt werden.

Mehr News über TV-Shows

Nach diesen verstörenden Bildern kommt Böhmermann dann relativ geradlinig zum Punkt: "Fast Fashion, schnelle Mode, ist so ne dumme Scheisse", urteilt Böhmermann und fragt dann: "Aber wie kannst du Fast Fashion vermeiden?" Eine der gängigen Antworten lautet "Secondhand-Kleidung" und damit ist Böhmermann nun endlich beim eigentlichen Thema. "Secondhand ist nachhaltig, günstig, individuell", erklärt Böhmermann, gleichzeitig boome das Geschäft mit Secondhand-Mode.

Vorwurf: geringe Impulskontrolle

Aber beim "ZDF Magazin Royale" war noch nie etwas Thema, das "nachhaltig, günstig und individuell" ist und auch noch boomt. Wo also ist der Haken? Hier: HUMANA, ein grosses Unternehmen für Secondhand- und Vintage-Mode mit Läden in ganz Deutschland, sagt über sich selbst: "Ein Teil des Gewinns, den die HUMANA Second Hand Kleidung GmbH erwirtschaftet, wird für Projekte in Afrika gespendet." Klingt gut, aber Böhmermann kommentiert dieses Engagement so: "Wie so viele im Secondhand-Business verkauft HUMANA ein Gefühl. Das Gefühl, dass man mit Secondhand was Gutes tut."

Das klingt etwas undifferenziert, schliesslich kann man so ein gutes Gefühl ja nur dadurch verkaufen, indem man vorher auch etwas Gutes getan hat – eben keine Fast- , sondern Secondhand-Fashion zu verkaufen. Oder? Böhmermanns Kritik startet zunächst eher soft: "[…] der Konsum von Second-Hand-Kleidung kann auch kritisch gesehen werden. Die niedrigen Preise verlocken schnell dazu, sich einfach mehr Teile mitzunehmen, als man ursprünglich geplant hat", zitiert Böhmermann von "wdr.de".

Etwas dünn, die mangelnde Impulskontrolle der Käufer als Argument gegen Secondhand-Mode anzuführen, was Böhmermann aber trotzdem durchgehen lässt. Aber der Satiriker hat noch andere Argumente mitgebracht. "HUMANA in Deutschland sammelt und sortiert Kleidung, verkauft sie in Second-Hand-Läden und erwirtschaftet damit Mittel für soziale Projekte", zitiert Böhmermann erneut das Unternehmen. Allerdings gingen etwa 2022 mehr als zwei Drittel der gesammelten Altkleidung nach Asien oder Afrika. Damit ist HUMANA aber nicht alleine. "Deutschland ist der zweitgrösste Exporteur von Altkleidern", zitiert Böhmermann die "Tagesschau".

Wohin geht das Geld?

Dort lande die Kleidung aber nicht zwangsläufig im Verkauf, sondern laut "Süddeutscher Zeitung" "auf riesigen Deponien, ihr Mikroplastik gelangt in Flüsse, ins Grundwasser, ins Meer". Gleichzeitig werde Altkleidung auch als Brennmaterial beim Kochen verwendet, giftiger Rauch inklusive. "Unsere Altkleider als Brennstoff zum Rösten von Erdnüssen in Afrika. Das ist das, was passieren kann, wenn Fast Fashion auf Secondhand trifft", beschreibt Böhmermann die Situation. Ein Grund, warum die Kleidung auf dem Müllberg und nicht auf einem Kleiderbügel landet, sei die schlechte Qualität von Fast Fashion.

Ein weiterer Kritikpunkt von Böhmermann ist, dass die HUMANA GmbH Teil des "Humana People to People"-Netzwerks sei, "eine Föderation von 29 unabhängigen Vereinigungen, die sich für humanitäre Hilfe und nachhaltige Entwicklung einsetzen." Wohin genau das Geld gegangen ist, das diese Föderation unter anderem auch von der deutschen HUMANA GmbH bekommen hat, wollte die Redaktion des "ZDF Magazin Royale" wissen, bekam aber nur eine "erfrischend unkonkrete" Antwort.

Für die "Magazin Royale"-Redaktion angeblich der Grund, das Unternehmen genauer unter die Lupe zu nehmen, etwa die Entstehungsgeschichte. Die begann mit einem Zusammenschluss linker Lehrer in Dänemark, doch bei ihrer satirischen Darstellung schiesst die Redaktion deutlich übers Ziel hinaus. Das hört sich zum Beispiel so an: "Die reisende Lehrer-Community wird immer mehr zur sektenartigen Freakshow", erklärt die Off-Sprecherin, ohne auch nur einen einzigen Beweis für ihre Behauptung zu liefern.

"Linke können Kapitalismus" – aber wo ist denn nun das Problem?

Gleichzeitig versteift man sich bei der Erzählung, dass aus der ursprünglichen Idee, Altkleider zu sammeln und zu Geld zu machen, ein internationales Unternehmen geworden ist, in den Slogan "Linke können Kapitalismus" – als sei damit das ganze Projekt diskreditiert. Das zweite Problem: Wie Böhmermann selbst sagt, habe die Redaktion sehr viel investiert, um das HUMANA-Netzwerk "mit all den Vereinen und Firmen" zu verstehen, aber "wie genau das HUMANA-Netzwerk funktioniert, ist uns immer noch ein Rätsel", so Böhmermann.

Das eigentliche Rätsel dabei ist aber, wie Böhmermann aus einer doch recht dünnen Beweislage eine dreissigminütige Anklage machen kann. Dass die Rätselhaftigkeit des HUMANA-Netzwerks nicht deren Fehler sei, erwähnt Böhmermann zwar, lässt es aber durch diese Erwähnung genau so klingen. Was er diesem Netzwerk ausser dem Aufstieg von einer Lehrer-Community zu einem globalen Unternehmen nun aber konkret vorwirft, benennt Böhmermann nicht. Er hätte HUMANAs Weg ja auch ganz anders beschreiben können, zum Beispiel als Vision, dass sich Nachhaltigkeit und Geldverdienen nicht ausschliessen. So aber bleibt einfach unklar, wo genau nun das Problem ist.

Böhmermanns Argumentation ist nicht immer schlüssig

Klarer war Böhmermann bei der Beschreibung der Probleme der exportierten Altkleidung nach Asien und Afrika. Allerdings ist dabei offenbar nicht das Altkleidersammeln selbst der Haken, sondern die fehlende Wiederverwendungsmöglichkeit der qualitativ miesen Fast Fashion. Dementsprechend kann man beim ersten Teil von Böhmermanns Fazit noch mitgehen, wenn er sagt: "Fast Fashion ist dumme Kackscheisse."

Wenn er aber fortfährt mit "aber Secondhand rettet auch nicht die Welt, in einer Welt, in der es Fast Fashion gibt", wird es schon holpriger. Denn erstens hat eine solche Weltrettung durch Secondhand-Mode auch niemand behauptet, zweitens lässt Böhmermann mit so einem Satz den Zuschauer bei der Einschätzung alleine, ob die eigentlich nachhaltige Idee, Klamotten gebraucht zu kaufen, nun gut oder schlecht ist. Aber diesen Luxus kann sich das "ZDF Magazin Royale" als Satireshow eben leisten.

JTI zertifiziert JTI zertifiziert

"So arbeitet die Redaktion" informiert Sie, wann und worüber wir berichten, wie wir mit Fehlern umgehen und woher unsere Inhalte stammen. Bei der Berichterstattung halten wir uns an die Richtlinien der Journalism Trust Initiative.