Kay One hat seine Prinzessin gefunden. Und das deutsche Fernsehen seine beste Dating-Show. So gnadenlos wie der Rapper hat bisher noch niemand dieses Trash-Format demontiert.
Kay One stiefelt schwankend die Treppen zum Meer herunter, sein erster Satz ist: "Scheisse, bin ich am Arsch." Spätestens da ist klar: Das ist nicht der "Bachelor"-Schmierlappen, wie wir ihn aus anderen Formaten kennen.
Das ist umso bemerkenswerter, als dass es die beiden grundlegenden Prinzipien einer Dating-Show verletzt: Sag nie, was du denkst. Und tu gefälligst so, als seist du wirklich auf der Suche nach der grossen Liebe. In der US-Ausgabe des "Bachelors" hielt sich Juan Pablo Galavis Anfang des Jahres genauso wenig an diese Vorgaben. Im Finale weigerte er sich, der Gewinnerin seine Liebe zu gestehen. In den sieben Staffeln zuvor kam es sogar zum Heiratsantrag. Auch von minutenlangem Insistieren des Moderators liess sich Galavis nicht dazu bringen. Und das alles, während seine Auserwählte direkt neben ihm sass. Seitdem gilt er in den Vereinigten Staaten als der schlimmste "Bachelor" aller Zeiten.
Liebe muss es am Ende schon geben
In Deutschland ist das nicht anders. Zwar spart man sich hier bisher den Heiratsantrag des "Bachelors", aber verliebt sein, das muss am Ende schon sein. Insofern ist "Kay One – Prinzessin gesucht" die ehrlichste Dating-Show im TV. Sie versucht erst gar nicht so zu tun, als sei sie "echt". Hier ist alles Show. Das ist spätestens klar, als Kay Ones "Butler" auftaucht: Kay Two, ein kleinwüchsiger Mann in den 50ern. "Austin Powers" lässt grüssen.
Aber durch diese Überzeichnung liefert "Kay One – Prinzessin gesucht" viel deutlichere Einblicke in die Mechanismen eines solchen Formats. Der Hip-Hopper auf Brautschau benimmt sich so, wie man es von ihm erwartet: grossmäulig, frauenfeindlich, gnadenlos direkt. Er ist das Sprachrohr aller erbosten Zuschauer, die diese schlecht gescripteten Formate nicht mehr ertragen. Er sagt das, was wir alle denken. Er tut das, was wir uns alle wünschen.
"Ich werde jetzt keinen Spruch drücken, aber ..."
Als zwei streitende Damen nicht zusammen auf ein Boot wollen, versteckt er eine der beiden, denn: "Wenn die erst mal auf dem Wasser sind, können sie eh nicht mehr weg. Und dann zicken die sich richtig an." Dabei grinst er über beide Backen. Wenig später schiebt er hinterher: "Zickenkrieg, Terror, ich liebe es!" Und er hat recht. Genau darin liegt der Unterhaltungswert dieser Shows: die Kombination aus Klischees und Menschen, die für ein bisschen Ruhm alles tun. Als sich eine der Kandidatinnen gar als transsexuell outet, sagt er nur: "Ich werde jetzt keinen Spruch drücken, aber deine Titten und dein Arsch sind immer noch geil."
Natürlich könnte man kritisieren, dass das sexistisch ist. Genauso wie die "Challenge", in der sich die Frauen gegenseitig den Hintern bemalen, damit sie Kay One daran erkennen kann. Mit Worten wie: "Unser Hohlkreuzarsch. Für 32 echt noch gut in Schuss."
Das ist aber nicht der Punkt. Diese Damenriege hat niemand dazu gezwungen, ihre Rückseite dem Fernsehpublikum zu präsentieren. Es sind Frauen, die Implantate im Hintern haben, die sich unter dem Rock wie Topflappen abzeichnen. Es sind Frauen, die es bei DSDS und "Das Supertalent" versucht haben. Es sind Frauen, die kurz zuvor auf Anweisung von Kay One in einer belebten Fussgängerzone herumgeschrien oder einen Stuhlgang simuliert haben. Eine wollte sich sogar seinen Namen tätowieren lassen. "Nach einer Woche", wie der Rapper entsetzt feststellt. Es sind Frauen, die offensichtlich alles tun für die Chance auf ein kleines bisschen C-Promi-Ruhm.
Sympathisch? Nur die ersten 20 Sekunden
Es war schon längst Zeit, dass einer wie Kay One im Fernsehen erscheint, um all die Dating-Show-Floskeln zu demontieren. Als eine der Frauen ihm minutenlang von ihrem Job erzählt, sagt er: "Sie ist cool, sie ist sympathisch, aber nur die ersten 20 Sekunden." Bei ihrer Gesangsdarbietung muss er lachen. Eine andere fragt er, ob sie auch mit einem 50-Jährigen zusammen sein könnte. Sie ist 19, schwafelt aber natürlich etwas von: "Wenn ich ihn liebe, ist das Alter egal!" Er antwortet trocken: "Mit einer 50-Jährigen? Könnte ich ja gar nicht." Als sie ihn naiv auffordert, ihr doch etwas von sich zu erzählen, was sonst keine Frau weiss, sagt er nur: "Google doch."
Das zieht sich wie ein roter Faden durch die Show. Mitleid gibt es hier für keinen. Eher immer wieder eine neue Portion Alltagshärte in Sachen Fernsehen. Als Kay One im Finale den letzten beiden Kandidatinnen gegenübersteht, erklärt er ihnen freimütig, dass sie beide nichts für ihn seien. Er entscheidet sich trotzdem für eine von ihnen. Welche, ist eigentlich egal. Er hat ihren Namen wahrscheinlich schon vergessen, nachdem er ihn ausgesprochen hat. Genau wie der Zuschauer.
"So arbeitet die Redaktion" informiert Sie, wann und worüber wir berichten, wie wir mit Fehlern umgehen und woher unsere Inhalte stammen. Bei der Berichterstattung halten wir uns an die Richtlinien der Journalism Trust Initiative.