Während viele Unternehmen unter den wirtschaftlichen Folgen der Coronakrise leiden, gibt es einen grossen Gewinner: Amazon. Der US-Onlinehändler verzeichnet Rekordumsätze und schafft ausserdem Tausende neuer Arbeitsplätze. Allerdings erntet das Unternehmen auch viel Kritik wegen seines Umgangs mit den eigenen Mitarbeitern und fehlender finanzieller Hilfen.

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Während die weltweite Wirtschaft strauchelt, konnte Amazon von der Coronakrise profitieren. Denn aufgrund des erhöhten Bestellaufkommens stieg der Umsatz des Konzerns im ersten Quartal deutlich mehr als erwartet – und zwar um 26 Prozent auf 75,5 Milliarden Dollar.

Auch wurden Tausende neue Arbeitsplätze geschaffen. Nur einen Monat, nachdem der weltgrösste Onlinehändler bereits die Einstellung von 100.000 neuen Beschäftigten angekündigt hatte, gab Amazon bekannt, weitere 75.000 Mitarbeiter einzustellen, um den Kundenansturm während der Pandemie zu bewältigen und bestehende Mitarbeiter zu unterstützen.

Vier Milliarden Dollar für zusätzliche Kosten

Der Quartalsgewinn hingegen fiel um rund 30 Prozent auf 2,5 Milliarden Dollar. Begründet werden die niedrigen Gewinne mit den hohen Ausgaben im Zusammenhang mit der Coronakrise. Amazon geht davon aus, dass vier Milliarden Dollar und vielleicht noch etwas mehr für COVID-bezogene Ausgaben fällig werden.

Diese resultieren aus Schutzvorkehrungen, Lohnerhöhungen, zusätzlichen Mitarbeitern, einer bewusst geringeren Effizienz, der Schaffung eigener Kapazitäten für Corona-Tests, Spenden und kostenlosen Diensten für kleine Unternehmen sowie das Sperren von Verkäufern mit Wucherpreisen.

Konkret nannte Amazon folgende Zahlen: 100 Million Schutzmasken, 1.000 Wärmebildkameras und 31.000 Thermometer. Zur Unterstützung von US-Schülern spendete der Konzern ausserdem 12.200 Laptops. Darüber hinaus hat Amazon Hilfsorganisationen in Europa 21 Millionen Euro zukommen lassen. Auch ein eigenes Labor für Covid-Tests ist geplant.

Amazon startet umfangreichen Massnahmen-Katalog

"Wir legen höchsten Wert auf die Gesundheit der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, Zusteller und Kunden. Mit den lokalen und internationalen Gesundheitsbehörden arbeiten wir eng zusammen und haben die Wirksamkeit unserer Massnahmen mehrfach bestätigt bekommen", teilte ein Unternehmenssprecher unserer Redaktion auf Anfrage mit.

Um Kunden zu beliefern und gleichzeitig die Sicherheit der Mitarbeiter zu gewährleisten, habe Amazon seine Prozesse in den Bereichen Logistik, Versand, Lieferketten, Einkauf und Verkaufspartner angepasst. So könne der Konzern die Lagerung und Lieferung von Artikeln, die für die Menschen eine höhere Priorität haben, vorrangig behandeln. Dies habe allerdings dazu geführt, dass einige der Lieferzusagen länger als üblich sind.

Amazon wende auch Erfahrungen und Best-Practice-Beispiele aus anderen Ländern an und verfeinere so seine Massnahmen beständig. "Bislang haben wir mehr als 150 wichtige Prozessänderungen vorgenommen, um unsere Teams zu unterstützen. Darunter unter anderem die Anpassung von Pausen/Schichten, diverse Massnahmen zum Einhalten der Sicherheitsabstände, verstärkte Reinigungs- und Desinfektionsintervalle, Einführung von Temperaturkontrollen und das Tragen von Masken."

Zuvor gab es jedoch heftige Kritik an dem Händler

Mit diesen Massnahmen reagiert Amazon offensichtlich auf die Kritik am Umgang mit den eigenen Mitarbeitern und die fehlende finanzielle Unterstützung in der weltweiten Krise.

Denn die Ankündigung zusätzlicher Ausgaben für den Schutz der Mitarbeiter folgte erst, nachdem sich Amazon in den letzten Wochen mit Unruhe in der eigenen Belegschaft konfrontiert sah.

Beschäftigte in Distributionszentren hatten den Konzern beschuldigt, er schütze sie am Arbeitsplatz zu wenig vor Infektionen mit dem Coronavirus. Deswegen kam es an einigen Standorten auch zu Streiks, ein New Yorker Lagerarbeiter wurde wegen seiner Arbeitsniederlegung möglicherweise entlassen.

Amazon selbst wies die Vorwürfe zurück: "Durch die Massnahmen, die wir implementiert haben, erwarten wir, dass wir weltweit im ersten Halbjahr mehr als 800 Millionen Dollar für COVID-19-Sicherheitsmassnahmen ausgeben werden."

Dies umfasse unter anderem den Kauf von Gegenständen wie Masken, Händedesinfektionsmitteln, Wärmebildkameras, Thermometern, Desinfektionstüchern, Handschuhen und zusätzlichen Handwaschstationen.

Französisches Gericht stoppt Lieferungen

Das sehen die Kritiker in den USA offensichtlich anders. Auch eine französische Gewerkschaft reichte Beschwerde gegen den Händler ein, in der Amazon beschuldigt wird, das Leben seiner Arbeitnehmer zu gefährden.

Ein Gericht verhängte daraufhin folgendes Urteil: Amazon muss in Frankreich während der Pandemie alle nicht wesentlichen Lieferungen einstellen, sonst werde eine Million Euro Strafe pro nicht eingehaltenem Tag fällig. Wegen der "Komplexität der logistischen Aktivitäten" schloss Amazon alle Vertriebszentralen in Frankreich und legte zudem Berufung gegen das Urteil ein.

Verwendete Quellen:

  • Amazon Pressestelle
  • Amazon-Pressemitteilung Quartalszahlen
  • Tagesschau.de: Amazon im Corona-Boom: Hoher Umsatz, hohe Kosten
  • Faz.net: Hohe Umsätze, hohe Kosten: Auch Amazon spürt den Corona-Effekt
  • DerWesten.de: Amazon: Ärger wegen Corona! Gericht trifft drastische Entscheidung – kommen bald keine Pakete mehr?
  • Heise.de: New York droht Amazon wegen Kündigung kritischer Mitarbeiter
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