Wenn China eine App aus dem Apple Store nicht passt, fordert es den Konzern auf, diese zu löschen. Der iPhone-Hersteller ist schon oft eingeknickt – nicht erst vergangene Woche. Auch andere Tech-Firmen wie Microsoft halten sich an die Zensur, wenn das Regime es verlangt. Amnesty International kritisiert das scharf.
517 – das ist die Anzahl an Apps im Apple Store, die der chinesischen Regierung allein in der zweiten Jahreshälfte 2018 ein Dorn im Auge waren. Die Führung in Peking verlangte vom Konzern, die Anwendungen aus dem Store zu löschen. Was Apple auch tat, wie im Transparenzbericht von Mitte Juli steht.
Vergangene Woche kamen zwei weitere dazu. Auch sie verschwanden aus Chinas App Store. Der Hintergrund waren die Proteste in Hongkong.
Die Nachrichten-Anwendung qz.com hatte über die Proteste in der Sonderverwaltungszone berichtet – und dabei auch Apples Rolle kritisch beleuchtet. Die Karten-App HKmap.live hingegen nutzten Demonstranten, um sich die Standorte von Polizeieinheiten anzeigen zu lassen.
Die Menschenrechtsorganisation Amnesty International kritisiert Apple für das Einknicken vor der Volksrepublik scharf: "Amnesty hat massive und unverhältnismässige Polizeigewalt gegen Protestierende in Hongkong dokumentiert", sagt Lena Rohrbach von Amnesty International im Gespräch mit unserer Redaktion.
Wenn die App Menschen helfe, Gebiete zu vermeiden, in denen sie einem Risiko willkürlicher Festnahmen und Polizeigewalt ausgesetzt wären, "ist das klarerweise ein legitimer Einsatz".
Gelöschte Taiwan-Flagge und VPN-Apps
Apple hat mit dem Update auf iOS 13 noch mehr zensiert – speziell für Anwender in Hongkong und der zweiten Sonderverwaltungszone Macau: Die Taiwan-Flagge ist dort nicht mehr unter den Emoticons zu finden. Auf dem chinesischen Festland kann man sie bereits seit 2017 nicht mehr abrufen. Taiwan ist zwar ein unabhängiger Staat, China sieht das Land aber als Teil seines Staatsgebiets.
Das Reich der Mitte ist für Apple nach den USA der zweitwichtigste Markt weltweit. Ein Viertel seiner Gewinne stammt von dort. In der Vergangenheit warf Apple auf Wunsch von China deshalb unter anderem Hunderte VPN-Apps aus dem Store, mit denen Nutzer die Internetzensur umgehen konnten.
Auch die News-App der "New York Times" wurde gelöscht, weil Peking das so wollte. 2018 verlegte Apple ausserdem den iCloud-Service für chinesische Nutzer auf die Server eines staatlichen Cloudanbieters. Die Behörden können nun nach Belieben auf Fotos, Nachrichten und Kontakte der Nutzer im Land zugreifen.
Apple rechtfertigte sein Vorgehen etwa bei VPN-Apps und iCloud mit "nationalen Gesetzen". Amnesty International hält das für eine Ausrede. Lena Rohrbach sagt: "Apple kann sich seiner Verantwortung nicht entziehen: Unternehmen müssen auch dann die Menschenrechte respektieren, wenn die Regierung des Landes und lokale Gesetze dies nicht tun."
Microsoft zensiert Suchergebnisse
Aber Apple ist nicht der einzige Tech-Konzern, der vor den Machthabern aus Peking einknickt: Microsoft zensiert in seiner Suchmaschine Bing offenbar Ergebnisse in China.
Auch beim zu Microsoft gehörenden Netzwerk LinkedIn wurden schon kritische Einträge gelöscht. Der Business Insider nennt als Beispiel einen Post von 2014, der den Pekinger "Tiananmen"-Platz erwähnte. Dort wurde 1989 mit brutaler Gewalt eine Protestbewegung niedergeschlagen.
Facebook und Twitter blockiert
Eine "grosse Firewall" blockiert in China (Hongkong und Macau ausgenommen) ausserdem Facebook und Twitter. Auch Googles Dienste wie Suchmaschine oder Maps sind dort gesperrt. Das Betriebssystem Android läuft zwar auf vielen Smartphones, aber der Play Store ist nicht erreichbar. Die Handy-Hersteller installieren ihre eigenen App Stores auf den Smartphones.
Google hat keine weisse Weste: 2018 wurde bekannt, dass der Konzern an "Dragonfly" arbeitete, einer zensierten Suchmaschine nur für den chinesischen Markt. Nach Protesten unter anderem von Mitarbeitern und Amnesty International stellte Google das Projekt ein – "hat allerdings kein Versprechen abgegeben, auch in Zukunft keine Suchmaschine wie 'Dragonfly' zu entwickeln", kritisiert Amnesty-Expertin Rohrbach.
Amnesty fordert Tech-Firmen nicht dazu auf, China fernzubleiben
Die Menschenrechtsorganisation fordert Google und andere Tech-Unternehmen auf, keine zensierten Produkte zu entwickeln und zu veröffentlichen. Sie sollten sich aber auch nicht grundsätzlich vom chinesischen Markt abwenden.
"Gerade Tech-Firmen haben auch die Chance, Meinungsfreiheit und Privatsphäre zu fördern", sagt Rohrbach. Sie müssten ihre Geschäfte daraufhin prüfen, ob Menschenrechte verletzt werden "und bei Bedarf entsprechende Gegenmassnahmen ergreifen". Darüber hinaus müssten sie ihre chinesischen Anwender transparent darüber informieren, welches Risiko es gibt, wenn diese ihre Dienste nutzen. Selbst das würden die Tech-Firmen derzeit "nicht hinreichend tun", sagt Rohrbach.
Wenn Unternehmen allerdings Menschenrechtsverletzungen im eigenen Geschäftsbereich nicht abwenden können, müssten sie sich umgehend aus dem chinesischen Markt zurückziehen, sagt Amnesty.
"Cyber Security Law": Persönliche Nutzerdaten müssen herausgegeben werden
Die chinesische Regierung übt nach Angaben der Menschenrechtler eine der weltweit umfassendsten Zensuren des Internets aus. Mit dem "Cyber Security Law" trat 2017 ein drakonisches Gesetz in Kraft, das die Rechtslage für Tech-Firmen noch einmal massiv verschärfte. Es verlangt, umfassende Informationen an Chinas Behörden herauszugeben, darunter persönliche Daten der Nutzer. Dafür ist kein Gerichtsbeschluss notwendig und es gibt keine unabhängige Kontrolle.
"Das setzt Nutzer dem Risiko aus, inhaftiert zu werden, weil sie ihre Meinung äussern oder Informationen verbreiten, die die Regierung nicht gutheisst", sagt Amnesty-Expertin Lena Rohrbach. Hunderte seien deshalb bereits festgenommen worden.
Verwendete Quellen:
- Interview mit Lena Rohrbach
- Apple.com: Transparency-Report; Second Half of 2018
- golem.de: Google treibt Dragonfly angeblich weiter voran
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