Die zum Teil sehr hohen Gehälter von Chefärzten haben in den letzten Monaten im Zusammenhang mit den stetig zunehmenden Gesundheitskosten für Schlagzeilen gesorgt. Die Polemik breitete sich von Genf auf die ganze Schweiz aus. Es geht dabei um Einkommen von rund einer Million Franken pro Jahr.

Mehr News zum Thema Wirtschaft

Alles begann in Genf: Um gegen den Rückgang der Vergütungen für ambulante Operationen ab dem 1. Januar zu protestieren, beschlossen die dortigen Handchirurgen, nicht notfallmässige Operationen auf Eis zu legen. Dabei handelte es sich vor allem um Operationen des Karpaltunnels.

Diese kurze Operation (zwischen 20 und 30 Minuten) ist sehr teuer. Es geht darum, einen zusammengepressten Nerv, der ein Kribbeln in den Fingern verursacht, zu deblockieren. Das Problem für die Chirurgen ist die Vergütung für diese Operation, die um 40%, von 177 Franken im letzten auf 105 Franken in diesem Jahr sank. Die Tarifsenkung betrifft auch andere Bereiche. Orthopäden, Gynäkologen und Urologen prangern die neuen Bedingungen der Vergütung ebenfalls an.

Eine Polemik entsteht

Zwar beteiligten sich an diesem "Streik" der Handchirurgen lediglich 13 Spezialisten aus Genf. Doch die politische Wirkung dieser kleinen Bewegung war gross.

Mauro Poggia, Regierungsrat des Kantons Genf und zuständig für den Bereich Gesundheit, reagierte als Erster. "Ich denke, der Kampf sollte anders geführt werden. Die Patienten sollten nicht als Geiseln genommen werden", sagte er.

Wenige Stunden später, im Rahmen der nationalen Konferenz "Gesundheit2020" vom 29. Januar, an der über die steigenden Gesundheitskosten diskutiert wurde, griff Bundespräsident Alain Berset in die Debatte ein.

"Einige verdienen zwischen 80'000 und 90'000 Franken pro Monat, bezahlt durch Prämien. Solche Gehälter sind nicht annehmbar", sagte der Gesundheitsminister gegenüber dem französischsprachigen Radio und Fernsehen RTS. Berset relativierte rasch und präzisierte, dass "die grosse Mehrheit der Ärzte ganz und gar normale Löhne hat".

Trotzdem führten seine Aussagen unter Medizinern zu heftigen Reaktionen. "Ich bin wirklich sehr erstaunt, dass der Gesundheitsminister öffentlich einen solchen Schnitzer machte und sagte, dass die hohen Gehälter der Spezialisten für den Prämienanstieg verantwortlich seien; das ist ein Skandal", sagte Jean-Marc Heinicke, Präsident des Genfer Chirurgenverbandes, gegenüber RTS.

Mehr Transparenz

In der Zwischenzeit sind weitere Zahlen aufgetaucht, die zeigen, dass gewisse Ärzte stattliche Saläre erhalten. Eine Umfrage der Sendung Rundschau des Schweizer Fernsehens SRF zeigte, dass der Grossteil der 1000 Chefärzte der grösseren Schweizer Spitäler zwischen 350'000 und 1,5 Millionen Franken pro Jahr verdienen, dass ihr Durchschnittseinkommen bei einer Million liegt und ein Viertel dieser Ärzte fast 2,5 Millionen verdient. Die am besten bezahlten Spezialisten sind Radiologen, Kardiologen und Gastroenterologen.

Die Antwort der Ärzte-Organisationen lautet immer gleich: Natürlich gebe es hohe Gehälter, doch dies geschehe nicht auf dem Rücken des öffentlichen Gesundheitssystems. Die hohen Gehälter entstünden durch die Behandlung von privat versicherten Patienten. Die Mediziner bestreiten, für die andauernde Prämienerhöhung der obligatorischen Versicherung verantwortlich zu sein.

Die Einkommen der Ärzte sind nur einer von zahlreichen Faktoren, die sich auf die Gesundheitskosten auswirken. Die Polemik wird kaum Einfluss auf die Entwicklung der Gesundheitskosten haben. Denkbar ist allerdings, dass die politische und die öffentliche Meinung künftig mehr Transparenz fordern werden bezüglich der Entlöhnung der Mediziner.  © swissinfo.ch

JTI zertifiziert JTI zertifiziert

"So arbeitet die Redaktion" informiert Sie, wann und worüber wir berichten, wie wir mit Fehlern umgehen und woher unsere Inhalte stammen. Bei der Berichterstattung halten wir uns an die Richtlinien der Journalism Trust Initiative.