Italiens Wirtschaft schwächelt, Kredite in Milliardenhöhe können nicht mehr bedient werden. Wird die drittgrösste Wirtschaftsmacht der Eurozone zur Gefahr für Europa? Und was macht Italien so speziell?
Lange ging man davon aus, dass Italiens Banken von der Finanzkrise weitgehend verschont bleiben würden. Denn anders als andere Länder der Eurozone wurden ihnen weder gefährliche Wertpapiere noch eine Immobilienblase zum Verhängnis.
Sie taten einfach das, was sie tun sollen: Sie vergaben Kredite an Investoren und Konsumenten, um die Wirtschaft anzukurbeln. Am Ende aber, so weiss man jetzt, ging der Plan nicht auf.
Weil die italienischen Banken ihr Geld hauptsächlich im Inland verliehen und die italienische Wirtschaft seit langem schwächelt, können derzeit Kredite in Höhe von 360 Milliarden Euro nicht mehr bedient werden. 200 Milliarden davon gelten bereits als sicher verloren, weil die Schuldner wegen Insolvenz die Zahlungen eingestellt haben.
Wie konnte es so weit kommen?
Seit 2008 ist Italiens Wirtschaftsleistung stetig gesunken, unterm Strich um acht Prozent. Zahlreiche Unternehmen gingen pleite, die Arbeitslosigkeit im Land ist hoch, Privateinkommen sinken. Und das schwächt zunehmend auch die Banken.
Am dramatischsten steht es derzeit um die drittgrösste Bank Italiens, die Monte dei Paschi di Siena (MPS), die faule Kredite in der Summe von 47 Milliarden Euro hält. 23 Milliarden davon hat sie bereits als Verlust verbucht – ob sie die restlichen 24 Milliarden je zurück erhält, ist momentan fraglich.
Warum ausgerechnet Italiens Banken?
Während Deutschland und zahlreiche andere europäische Länder in den vergangenen Jahren mit öffentlichen Geldern in Milliardenhöhe ihre Banken stabilisierten, verzichtete Italien fast vollständig auf Investitionen aus Staatsgeldern. Parallel verzichtete man aber eben auch auf die Notwendigkeit für Banken, genügend Eigenkapital aufzubauen, um derartige Krisen selbst abfedern zu können. Das rächt sich nun.
Was bedeutet Italiens Krise für andere Banken?
Weil die Geldhäuser durch die Vergabe von Krediten und Anleihen heutzutage stark miteinander vernetzt sind, könnte die italienische Bankenkrise weltweit Auswirkungen haben.
Denn allein die französischen Banken haben Ansprüche in Höhe von rund 280 Milliarden Dollar gegenüber den italienischen Geldhäusern. Danach folgen deutsche Institute mit Forderungen über 90 Milliarden Dollar sowie Banken aus den USA und Spanien mit je rund 50 Milliarden Dollar. Grossbritannien, Japan und die Niederlande verzeichnen rund 30 Milliarden Dollar an Anleihen.
Warum stützt Italien seine Banken jetzt nicht mit Staatsgeldern?
Im vergangenen Jahr ist eine neue EU-Verordnung erlassen worden, die die Rettung durch den Steuerzahler nahezu ausschliesst. Sie besagt, dass fortan erst die Aktionäre für die Schulden aufkommen müssen, in einem zweiten Schritt die Sparer, die mehr als 100.000 Euro auf dem Konto haben. Erst in allerletzter Konsequenz trifft es die Steuerzahler.
Die Schwierigkeit im Falle Italiens: Anders als in anderen Ländern sind die meisten Gläubiger nicht etwa Spekulanten, sondern tatsächlich italienische Kleinsparer, die ihre Rücklagen fürs Alter aufgrund der niedrigen Zinsen auf dem Girokonto in Bankanleihen gewandelt haben. So halten allein bei Monte dei Paschi rund 60.000 Sparer etwa fünf Milliarden Euro in Anleihen.
Würden die neuen EU-Regeln also eingehalten werden, müsste Italiens Ministerpräsident Matteo Renzi die Sparer de facto enteignen. Und was das bedeutet, hat er im Kleinen bereits erlebt. Als im November 2015 vier kleinere Genossenschaftsbanken und Sparkassen gerettet werden mussten, verloren etwa 10.000 Kleinanleger rund 360 Millionen Euro. Ein Rentner nahm sich das Leben, das Medienecho war verheerend. Daher wird Renzi alles daran setzen, dass die EU dieses Mal eine Ausnahme macht und Italien die Unterstützung durch staatliche Hilfen genehmigt.
Wenig Hoffnung für Renzi
Nach einer EU-Richtlinie dürfen staatliche Hilfen jedoch erst fliessen, nachdem Aktionäre und Gläubiger herangezogen wurden.
Eurogruppen-Chef Jeroen Dijsselbloem und Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) halten an dieser bestehenden EU-Regel fest. So betonte Schäuble am Montag, auch die Italiener müssten sich an die gemeinsamen Regeln halten – "sonst brauchen wir uns keine Regeln zu geben".
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