Algerien hat den Import von Milchpulver lange Zeit subventioniert, um den Mangel an Viehbestand im Land auszugleichen. Skrupellose Geschäftsleute machten damit ein Vermögen. Unter ihnen auch einer, der sein Geld in Genf versteckte.
Dies ist die Geschichte eines weissen Pulvers, seiner Barone und deren geheimen Konten in der Schweiz. Für einmal geht es dabei jedoch nicht um Kokain.
Während Jahren subventionierte Algerien die Einfuhr von Milchpulver, um dem Mangel an Frischmilch im eigenen Land zu kompensieren. Verschiedene Akteure in diesem Markt profitierten davon und machten einen Haufen Geld, indem sie für ihre Produkte zu hohe Rechnungen ausstellten.
Zwei Schweizer Bundesgerichtsentscheide zeigten diesen Sommer, dass ein Teil dieser Gewinne in Genf beschlagnahmt wurden, während in Alger die Ermittlungen noch laufen.
Der Name des algerischen Herstellers von Milch in Beuteln, Zoubir Bererhi, erschien 2016 erstmals in der Presse, im Zusammenhang mit den Panama Papers. Die Dokumente der Kanzlei Mossack Fonseca in Panama, die damals vom Internationalen Konsortium investigativer Journalisten ICIJ analysiert wurden, zeigten auf, dass dieser 75 Jahre alte algerische Geschäftsmann die Rechnungen für Milchpulver, das er in sein Land einführte, unrechtmässig erhöht hatte.
1,2 Million Dollar pro Monat
Die Recherchen von ICIJ hatten die Existenz von Konten bei der Credit Suisse ans Licht gebracht, die von einem Genfer Treuhänder verwaltet wurden. Dieser hatte mit Hilfe von Mossack Fonseca mehrere Offshore-Firmen gegründet, um in aller Diskretion erhöhte Rechnungen für das Milchpulver ausstellen zu können.
Das Täuschungsmanöver war einfach. Zuerst erwarb Zoubir Berheri die Tonnen von Milchpulver über eine Firma, die ihm heimlich gehörte. Dann kaufte er die gleiche Ware nochmals, dieses Mal offiziell, über seinen Molkereibetrieb in Algerien. In der Zwischenzeit war der Betrag der Rechnungen mysteriös angestiegen, praktisch auf das Doppelte des Marktpreises. In Algerien kam der Staat für den Aufpreis auf. Und der Geschäftsmann strich die Profite im Ausland ein.
Gemäss dem, was die Recherche ans Licht brachte, hatte sich der Schwindel zwischen 2007 und 2009 abgespielt. Der Betrug soll dem algerischen Geschäftsmann ermöglicht haben, pro Monat unrechtmässig bis zu 1,2 Millionen Dollar an Subventionsgeldern einzustreichen. Ein Vermögen in einem Land, in dem der Durchschnittslohn bei rund 40'000 Dinar liegt, umgerechnet etwa 329 Franken.
Millionen unauffindbar
Mehr als zehn Jahre nach diesen Ereignissen sind die algerischen Behörden noch immer auf der Suche nach den Millionen, die Zoubir Bererhi erschlichen hatte. In einem Urteil, das am 20. August 2018 bekannt wurde, erklärte das Bundesstrafgericht (BStG), der Untersuchungsrichter der Sonderabteilung am Sidi-Mohamed-Gericht sei im Juli 2017 mit einem Rechtshilfeersuchen an die Schweiz gelangt und habe um Zusammenarbeit gebeten.
In der Untersuchung gehe es um die Anklagepunkte Bildung einer kriminellen Vereinigung und Geldwäscherei im Rahmen einer kriminellen Organisation, erklärten die Richter in Bellinzona. Gemäss der in ihrem Urteil enthaltenen Zusammenfassung des Sachverhalts ordnete die Genfer Staatsanwaltschaft am 25. August 2017 die Beschlagnahmung von mehreren Konten bei zwei Banken im Kanton an.
Die Ermittlungen in dieser Affäre richten sich nicht nur gegen Zoubir Bererhi. Auch sein Sohn und sein Schwager, die in der Schweiz Konten unter ihrem Namen hatten, gehören zu den Personen, die das algerische Rechtshilfeersuchen im Visier hat.
Eine Rückkehr zu den Subventionen?
Die Bererhi versuchten, das Verfahren zu blockieren. Ihr Antrag ging zunächst an das Bundesstrafgericht in Bellinzona, wo die Richter den Rekurs vor allem mit der Begründung zurückwiesen, dass der Grundsatz der Verhältnismässigkeit nicht verletzt worden sei. Anders gesagt: Der Verdacht der algerischen Ermittler war ausreichend belegt, um ihren Antrag zu begründen.
Die Betroffenen legten erneut Berufung ein. Dieses Mal waren es Richter am Bundesgericht, die über die Klage entschieden und diese ebenfalls ablehnten.
Auf Anfrage von Gotham City* bestätigte die Genfer Staatsanwaltschaft, dass die Informationen seither an Algier weitergeleitet wurden. Die Staatsanwaltschaft wollte aber, insbesondere zu allfälligen Verfahren in der Schweiz, keine weiteren Angaben machen. Der Anwalt der Bererhi seinerseits antwortete nicht auf unsere Fragen.
Mangelnde lokale Produktion
Algerien hat sein Subventionsprogramm für den Kauf von Milchpulver 2009 beendet. Das Land leidet aber weiterhin unter mangelnder lokaler Produktion. Und die Regierung in Algier gibt weiterhin ein Vermögen aus, um sich im Ausland zu versorgen, vor allem in Frankreich und Belgien.
Die Ausgaben dafür haben sich jüngst verdoppelt, von 600 Millionen Euro auf 1,2 Milliarden Euro im Jahr 2017. Die Lage ist so, dass die Regierung derzeit in Betracht zieht, zehn Jahre nach der Einstellung des Programms zu den Subventionen zurückzukehren. © swissinfo.ch
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