Donald Trump setzt auf bilaterale statt multilaterale Abkommen. Für die Schweiz bedeutet das eine Chance, aber auch Unsicherheit, schreibt Chefökonom der Handelszeitung, Ralph Pöhner. Nächste Woche reist die oberste Schweizer Handelsdiplomatin nach Washington, um Gespräche für ein allfälliges Freihandelsabkommen zu führen.

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Donald Trump ist nicht an allem schuld. Der amerikanische Präsident wird von EU-Politikern, US-Journalisten und KP-Funktionären gern als Totengräber des Freihandels präsentiert. Und seine wild verteilten Strafzölle erschweren den Austausch zwischen den Nationen ja in der Tat.

Jetzt aber kam die Kehrseite seines Import-Export-Handelns ans Licht: Trump vereinbarte mit Mexikos Präsident Nieto, in nur neunzig Tagen einen Freihandelspakt zu unterzeichnen – und zugleich das Nafta-Abkommen zu kippen. Der Businessman, so zeigt sich, will kein Protektionist sein.

Aber er hat etwas gegen überregionale Pakete. Kürzel wie Nafta, WTO oder TPP sind ihm ein Graus. Und so suchen seine Diplomaten eifrig nach bilateralen Handelslösungen – mit Japan, mit Britannien, mit der EU. Auch mit Switzerland.

Nicht nur die USA suchen nach Deals, viele andere tun das auch

Dieses Setting war schon vor der Wahl von Trump angelegt: Die WTO entwickelte sich seit einem Jahrzehnt kaum weiter, das gross aufgegleiste Transatlantische Handelsabkommen TTIP stand bereits zu Barack Obamas Zeiten am Abgrund. Gut möglich also, dass die heute wirksamen Akzente den turbulenten Herrn im Weissen Haus dereinst überdauern werden.

Bilateral statt multilateral: Für die Schweiz wird das Gesamtbild just in diesen Tagen klarer. In der Welt des neuen Zweihandels steigen die Chancen – und es wächst zugleich die Unsicherheit. Die Chancen zeigen sich in den Avancen aus Washington: Für einen hurtigen Erfolg wäre die Trump-Administration wohl bereit, ein schlankes Abkommen durchzuwinken, vielleicht auch mit netten Übergangsfristen.

Die Unsicherheit zeigt sich darin, dass nicht nur die USA nach Deals suchen, sondern viele andere auch. Im Juni lancierte die EU neue Freihandels-Gespräche mit Australien und Neuseeland. Im Juli unterzeichnete sie einen Freihandelsvertrag mit Japan. Zeitgleich einigte sich Jean-Claude Juncker mit Donald Trump darauf, Hürden im Industriehandel abzubauen. Und jawohl – so legte Juncker seither nach –, die EU sei bereit, mehr US-Beef zu importieren.

Solche Annäherungen bringen die Schweiz in eine Zwickmühle: Wo zwei sich einigen, wird sie zum Drittstaat. Ein Beispiel bietet das aktuelle Abkommen zwischen EU-Europa und Japan, denn damit kriegen die Schweizer Anbieter von diversen Waren und Landwirtschaftsgütern neue Nachteile gegenüber europäischen Anbietern – obwohl Bern schon 2009 einen eigenen Pakt mit Tokio erreicht hatte. Der Vertrag wurde nun teilweise überrundet.

Die Schweiz muss klären, was sie alles für die Landwirtschaft riskieren will

Die Schweiz hat früh darauf gesetzt, ihrer Industrie die Welt mit Freihandelsverträgen zu öffnen. Immer klarer wird, dass dieser Prozess stetig frisch gestartet und neu gedacht werden muss: Zurück auf Feld eins.

Der Bundesrat brach die Gespräche mit den USA 2006 ab, aus Furcht vor der Bauernlobby. Nun rollt der Ball wieder heran. Erneut droht Unsicherheit. Wieder winkt eine Chance. Und immer wieder wird die Schweiz neu klären müssen, was sie alles für die Landwirtschaft riskieren will.  © swissinfo.ch

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