Die weltweiten Börsen sind in Aufruhr. Ist das schon ein Crash oder bloss eine Korrektur? Und was sollen Anleger jetzt tun? Der Finanzexperte Martin Weber kennt die Antwort.

Ein Interview

Es war ein wilder Wochenbeginn an den weltweiten Aktienmärkten. Am Montag gaben die Kurse auf breiter Front nach. Besonders heftig traf es Japan, aber auch in den USA und Europa drehten die Kurse ins Minus. In nur drei Börsentagen hat der Dax fast 1.500 Punkte verloren. Inzwischen hat sich die Börse wieder etwas erholt. Nur: Wie geht es jetzt weiter?

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Martin Weber ist Professor für Betriebswirtschaftslehre an der Universität Mannheim. Er befasst sich seit vielen Jahren mit Anlagestrategien und dem Auf und Ab der Märkte. Wenn einer die Antwort kennt, dann er.

Herr Weber, spielt die Börse aktuell verrückt?

Martin Weber: Nein, das tut sie nicht. Sie ist wesentlich volatiler, das stimmt. Es geht also rauf und auch mal deutlich runter – das haben wir gestern gesehen. Das ist für mich aber nichts Beunruhigendes.

Der Mannheimer BWL-Professor Martin Weber beobachtet die aktuellen Kursbewegungen an der Börse gelassen. © /AXEL GRIESCH FOTOGRAFIE

Also war das bloss eine Korrektur am Markt und kein Crash?

Ein Crash fällt härter aus. In den USA hat die Börse am Montag zwischen zwei und drei Prozent nachgegeben, bei uns in Deutschland waren es nochmal drei Prozent. Historisch betrachtet ist das nicht sonderlich viel, da gab es heftigere Ausschläge. Die einzige Ausnahme bildet Japan: Dort ging es am Montag steil nach unten, am Dienstag genauso stark bergauf. Die Gründe dafür sind nicht ganz klar.

An den weltweiten Märkten herrscht allerdings schon länger eine gewisse Unruhe. Woher kommt die?

Es gibt eine Reihe von wirtschaftlichen und politischen Unsicherheiten. Etwa: die zuletzt schwachen Arbeitsmarkt- und Konjunkturdaten aus den USA. Oder die Frage, ob zwischen Amerika und China ein Handelskrieg droht. Auch das Thema Künstliche Intelligenz bewegt die Märkte. Klar, KI ist ein grosses Ding. Aber wie gross es ist, weiss man natürlich auch nicht – und das führt nun zu Kurskorrekturen.

"Wer an der Börse längerfristig investiert, sollte eine Strategie haben – und die auch beibehalten."

Martin Weber, Professor für Betriebswirtschaftslehre

Fallende Kurse setzen vor allem Kleinanleger unter Druck. Was raten Sie denen?

Die Frage ist immer, welches Risiko man aushalten kann. Grundsätzlich ist es so: Wer an der Börse längerfristig investiert, sollte eine Strategie haben – und die auch beibehalten, wenn die Kurse runtergehen. Für mich als Anleger heisst das: Buchverluste sind nicht schön, aber sie zwingen nicht zum Handeln.

Breit gestreute Indexfonds – etwa auf den Dax oder die weltweit grössten Unternehmen – reduzieren das Risiko. Sind sie Einzelaktien damit überlegen?

Bei Einzelaktien ist die Schwankung wesentlich höher, was problematisch sein kann. Grundsätzlich ist es so: Eine höhere Gewinnchance bedeutet immer auch ein höheres Risiko, das ist der Preis. Für den Grossteil der Anleger sind breit gestreute Fonds daher die bessere Alternative.

Was dürfen wir vom Börsenjahr 2024 noch erwarten?

Trotz des gestrigen Dämpfers liegt der Dax seit Jahresbeginn immer noch im Plus. In der Vergangenheit war es so: Im Durchschnitt steigen die Kurse an der Börse zwischen sechs und sieben Prozent jährlich – mit kurzfristigen Ausschlägen nach oben und unten. Aber der langfristige Trend zeigt nach oben, das war schon immer so.

Also sollten besorgte Anleger ruhig bleiben und die aktuellen Turbulenzen einfach aussitzen.

Genau so ist es.

Über den Gesprächspartner

  • Martin Weber ist Senior-Professor an der Fakultät für Betriebswirtschaftslehre der Universität Mannheim. In seiner Forschung beschäftigt er sich mit der Modellierung der menschlichen Psyche in finanziellen Situationen. Er untersucht, ob sich Menschen immer rational verhalten und wie finanzielle Entscheidungen zustande kommen.
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