Chinas Aktienmarkt ist erneut kollabiert. Inzwischen haben sich die Märkte wieder leicht erholt, doch das Börsenbeben hat weltweite Auswirkungen. Was bedeutet das für die deutsche Wirtschaft? Droht uns gar eine globale Finanzkrise?
Nach nur 30 Minuten war er vorbei, der kürzeste Handelstag in der 25-jährigen Geschichte der chinesischen Börse. Direkt nach dem Handelsstart rutschten die Kurse am Donnerstag erneut nach unten, zum zweiten Mal innerhalb weniger Tage.
Als das Minus sieben Prozent erreichte, wurde der Handel für den Rest des Tages abgebrochen. Der zweifache Börsencrash der zweitgrössten Volkswirtschaft hat weltweit Schockwellen ausgelöst.
Der Einbruch an den chinesischen Aktienmärkten in Shanghai und Shenzen wirkte sich auch auf die internationalen Märkte aus. So fiel zum ersten Mal seit Oktober der DAX deutlich unter die Marke von 10.000 Punkten.
Durch die Sorge um Chinas Wirtschaft hatte der deutsche Leitindex bereits in den vergangenen Handelstagen knapp fünf Prozent an Wert eingebüsst. Auch der Eurozonen-Leitindex EuroStoxx 50 rutschte um 2,52 Prozent auf 3060,17 Punkte ab.
Panik unter Kleinanlegern
"Grund für den Crash ist die Börse selber" meint Dorothea Schäfer, Forschungsdirektorin Finanzmärkte beim Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung (DIW) in Berlin.
Die Bevölkerung Chinas ist auf Rat der Regierung vielerorts ins Aktiengeschäft eingestiegen. Die Bevölkerung zum Aktionär zu machen, diente der Regierung als Konjunkturpaket. Das Geld der Bürger sollte die heimische Wirtschaft ankurbeln.
Unter ihnen seien allerdings "ganz viele unerfahrene Kleinanleger, die nicht auf Schwankungen eingestellt sind", erklärt Schäfer. Stattdessen rutschen viele Anleger in die Schuldenfalle. Aktionäre können ihre Zinsen für ihre Kredite nicht mehr bezahlen. Folglich fluten die Banken mit zwangsverkauften Aktien den Markt - wodurch die Kurse erneut fallen.
Wirtschaft schrumpft
Viele der Unternehmen, vor allem auch staatliche, hängen seit langem am Tropf der Banken. Denn die Produktion der chinesischen Industrie schrumpft - nicht erst seit gestern. Die Kassen der Unternehmen sind leer, somit fehlen Kreditrückzahlungen. Offiziell können nur etwa 1,59 Prozent der Kredite in China zurückbezahlt werden, schreibt die deutsche Tageszeitung "Handelsblatt".
Oft würde vom Staat ein Auge zugedrückt, wenn alte, faule Kredite einfach durch neue abgelöst werden.
Regierung greift ein
Um einen Crash zu verhindern, mischt sich Peking weiterhin in die Märkte ein. Zuletzt wurde das Verkaufsverbot für Grossaktionäre verlängert. Getreu der Logik: Was man nicht verkaufen kann, kann nicht fallen. "Damit hat die Regierung zwar den Kurs gerettet, aber nicht die grundlegende Situation der Wirtschaft, die dahinter steht", sagt Börsenexperte Dirk Müller, Betreiber der Finanzinformationsplattform "Crashkurs", in einem Video-Beitrag.
Zudem initiierte die staatliche Börsenaufsicht China Securities Finance Corporation (CSRC) ein riesiges Aktienkaufprogramm, mit dem die Märkte mit Geld versorgt werden. Umgerechnet rund 446 Milliarden Euro soll Peking laut "Handelsblatt" zur Verfügung gestellt haben.
Denn, so erklärt Schäfer: "Die Regierung in Peking ist an einer schwachen Währung interessiert". Das stärke den Export. Mit einer im Vergleich zu anderen Ländern schwachen Währung würden chinesische Güter auf dem Weltmarkt billiger. Das könne sich wiederum positiv auf die Nachfrage auswirken, so Schäfer.
Angst an der deutschen Börse
Der Börsencrash in China hat laut Schäfer vor allem einen psychologischen Effekt. "Besonders hiesige Börsianer sind erschrocken und befürchten Einbussen", sagt die Finanzmarkt-Expertin.
China ist Deutschlands wichtigster Wirtschaftspartner in Asien. Im vergangenen Jahr exportierten deutsche Unternehmen Waren im Gesamtwert von fast 75 Milliarden Euro nach China. Nach Frankreich, Grossbritannien und den USA war China somit der viertwichtigste Absatzmarkt für deutsche Firmen.
Aber auch umgekehrt ist Deutschland wichtigster Handelspartner für die Volksrepublik. Somit lagen die Einfuhren aus China im vergangen Jahr bei fast 80 Milliarden Euro. Lediglich die Niederlande importierte mehr.
Droht eine weltweite Finanzkrise?
Eine weitere Angst: Die Entwicklungen an der chinesischen Börse sei ein Vorbote für andere Länder, für eine weltweite Finanzkrise. Das hält zumindest Finanzmarkt-Expertin Dorothea Schäfer für unwahrscheinlich. "Peking wird versuchen, den Börsencrash von der Wirtschaft zu isolieren", so Schäfer. "Die chinesische Wirtschaft funktioniert trotz Einbussen weiterhin. Die Börse spielt im Vergleich zu den chinesischen Banken und der Regierung eine kleine Rolle."
Ausserdem habe die Volksrepublik gegenüber dem Ausland genügend Exportüberschüsse und sei netto gegenüber anderen Ländern nicht verschuldet. Zudem hat Peking seine Finanzmärkte weitgehend abgeschottet. Ausländische Unternehmen konnten bislang nur in Ausnahmefällen Aktien kaufen. Dadurch schlagen Turbulenzen in China nur sehr abgeschwächt auf internationale Börsen durch.
Minus für deutsche Wirtschaft
Und doch: Das chinesische Börsenbeben könne in Punkto Nachfrage deutsche Firmen besonders hart treffen, besonders den Maschinenbau. China ist der weltweit wichtigste Absatzmarkt für deutsche Maschinen.
Allein 2014 gingen nach Angaben des Branchenverbands VDMA Maschinen und Anlagen "made in Germany" im Gesamtwerk von 17 Milliarden Euro in die Volksrepublik. Damit hatte China 11,2 Prozent Anteil an den deutschen Maschinenexporten.
Aber auch für die Automobilbranchen ist China ein Riesenmarkt. Europas grösster Autobauer Volkswagen etwa erzielt rund ein Drittel des Konzernumsatzes in Fernost.
Autobauer, Elektro- und Chemiekonzerne besonders betroffen
Besonders betroffen ist die deutsche Elektroindustrie. Dort war China erstmals 2014 die Nummer eins unter den Absatzmärkten - noch vor den USA. Im Mai vergangenen Jahres exportierte die Branche bereits weniger Ware nach China. "Die Börsenturbulenzen in China zeigen, dass die Zeit weitgehend risikofreier Wachstumsmärkte vorbei ist und auch massive staatliche Eingriffe in das Markgeschehen von zweifelhaftem Nutzen sind", kommentiert Stefan Mair, Mitglied der Hauptgeschäftsführung des Bundesverbands der Deutschen Industrie (BDI), im Sommer vergangenen Jahres.
Die schwächelnde chinesische Konjunktur trifft sowohl Chemiekonzerne wie BASF und Bayer, die bislang hohe Umsätze im Reich der Mitte erzielen, als auch Autohersteller und den Flugzeugbauer Airbus.
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