Elektrofahrzeugen gehört die Zukunft im Pkw-Sektor. Darüber sind sich Fachleute weitgehend einig. Doch die Verkaufszahlen in Deutschland zeichnen ein anderes Bild: Im März 2024 verkaufte die Branche fast ein Drittel weniger rein elektrische Fahrzeuge als im Vorjahresmonat. Was sind die Ursachen – und was bedeutet das für den Neuwagenkauf?
2023 wurden in Deutschland laut Kraftfahrzeugbundesamt 978.660 Benziner, 486.581 Diesel, 664.580 Mild-Hybride, 175.724 Plug-in-Hybride und 524.219 batterieelektrische Fahrzeuge zugelassen. Damit stieg der Anteil rein elektrisch angetriebener Fahrzeuge gegenüber 2022 von 17,7 auf 18,4 Prozent. Verloren haben hingegen vor allem Plug-in-Hybride infolge des vorzeitigen Endes der staatlichen Förderung.
2024 hat das Förder-Aus sich dann auch bei Elektroautos bemerkbar gemacht. Im ersten Quartal wurden rund 31.400 Neufahrzeuge zugelassen, ein Rückgang gegenüber 2023 um etwa 14 Prozent. Betrachtet man allein den März, betrug der Rückgang zum Vergleichszeitraum sogar 29 Prozent. Dabei stieg der Gesamtabsatz von Pkw im ersten Quartal dieses Jahres um 4,2 Prozent gegenüber dem ersten Quartal 2023.
E-Auto-Absatz: Zeigt sich weltweit die gleiche Entwicklung?
Weltweit verkaufte die Branche 2023 mehr als zehn Millionen Elektro- und 11,5 Millionen Plug-in-Fahrzeuge. Damit verfügte jedes siebte neue Auto über einen Elektroantrieb. China war dabei mit 6,6 Millionen Elektroautos der grösste Markt, gefolgt von Europa und den USA. Im ersten Quartal haben diese drei Kernregionen 1,75 Millionen Elektro- und 1,1 Millionen Plug-in-Hybride neu zugelassen. Das entspricht einem Plus von elf beziehungsweise 52 Prozent.
Zwar ist das Wachstum nirgendwo so deutlich wie in China, doch auch europäische Länder steigern ihre Anteile an Elektroautos. In Grossbritannien wurden im ersten Quartal 84.000 batterieelektrische Pkw verkauft, ein Plus von elf Prozent gegenüber dem Vorjahreszeitraum. Für Frankreich bedeuten die 80.000 verkauften Elektrofahrzeuge im ersten Quartal 2024 sogar ein Plus von 24 Prozent.
Derzeit wächst damit die Nachfrage nach rein elektrischen Fahrzeugen zwar weiterhin, doch vor allem Plug-in-Hybride erleben einen Boom. "Der Hochlauf vollelektrischer Pkw ist in einer kritischen Übergangsphase und gerät in vielen Teilen der Welt zugunsten von Verbrenner- und Hybrid-Technologien ins Stocken", analysiert Stefan Bratzel vom Center of Automotive Management (CAM) in Bergisch Gladbach und Studienleiter des CAM Electromobility Report 2024. Er warnt: "Diese Entwicklung kann angesichts der omnipräsenten klimatischen Bedrohungslage sowie der politischen Diskussion über eine Verschiebung von Emissionszielen als alarmierend eingestuft werden."
Entscheidet bei der Antriebswahl vor allem der Preis?
"Nachvollziehbar ist, dass sich der deutsche Automobilmarkt – und insbesondere der Neuwagenmarkt unabhängig vom Antriebskonzept – aktuell durch Rabatte getrieben ist", ordnet Stefan Reindl, Leiter des Instituts für Automobilwirtschaft (IfA) an der Hochschule für Wirtschaft und Umwelt in Geislingen, die Entwicklung ein. "Gerade der Förder- beziehungsweise Prämienstopp für batterieelektrische Fahrzeuge hat zusätzlich für grosse Unsicherheiten auf der Nachfrageseite gesorgt." Es bleibe aber so, dass die Abkehr vom Verbrennungsmotor hin zum Elektromotor langfristig alternativlos sei.
Allerdings schwindet der Preisunterschied zwischen Verbrenner- und Elektrofahrzeugen. Als das IfA 2015 vergleichbare Fahrzeuge wie Opel Corsa und Corsa Electric oder BMW X3 und BMW iX3 verglich, war das elektrische Fahrzeug noch gut 2,5 Mal so teuer wie die Verbrenner-Alternative. "Dabei waren allerdings die nicht ausstattungsbereinigten Basispreise zugrunde gelegt", relativiert Reindl.
Dennoch: Aktuell kostet das vergleichbare Elektroauto im Schnitt nur noch die Hälfte mehr als das Vergleichsmodell. Insbesondere bei höherwertigen Fahrzeugen ist der Unterschied inzwischen sehr gering. "Der Grund liegt in den aktuell hohen Preisen für die Traktionsbatterie, die bei kleineren Fahrzeugen anteilig stärker den Gesamtfahrzeugpreis nach oben treiben", erläutert der Automobilforscher. Sein Fazit: "Zusammengefasst sind rein batterieelektrische Fahrzeuge nach wie vor zu teuer, preisattraktive Klein- und Kompaktfahrzeuge werden aktuell nicht oder kaum angeboten."
Fehlt es weiterhin an Reichweite und Lademöglichkeiten?
2023 betrug die durchschnittliche Reichweite der verkauften Elektrofahrzeuge nach WLTP-Messung laut IfA 425 Kilometer. "Gerade für tägliche Fahrten von 'Durchschnittsnutzern' ein brauchbarer Wert, nicht aber für Vielfahrer wie Aussendienstler", findet Reindl.
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Die Zahl der öffentlichen Ladepunkte in Deutschland hat sich laut Bundesnetzagentur seit 2015 von rund 2.300 auf etwa 93.000 Normal- und 22.000 Schnellladepunkte im November 2023 erhöht. Hinzu kommt eine stark wachsende Anzahl privater und betrieblicher Wallboxen und Ladesäulen. "Sorgen bereitet aktuell eher die 'Unterauslastung' von vorhandenen Ladesäulen", sagt Reindl. Sie liege im Mittel bei 11,6 Prozent. "Die Zugänglichkeit öffentlicher Ladepunkte dürfte also aktuell kein Problem darstellen, wenngleich die Netzdichte für die Zukunft noch nicht ausreichend ausgeprägt ist."
Welche Rolle spielt die Politik bei der Wahl der Antriebstechnologie?
Der Markt für Elektrofahrzeuge benötigt nach Ansicht von Reindl bislang noch "Impulse in Form finanzieller Förderung". Der Automobilexperte kritisiert zudem die Debatte um Technologieoffenheit, denn sie verunsichere potenzielle Neuwagenkäufer. "Diese Technologieoffenheit – obwohl dies politisch korrekt sein mag – wird häufig eben mit einer nicht zu favorisierenden Technologiebeliebigkeit‘ verwechselt", erläutert Reindl.
Für bestimmte Einsatzzwecke möge Wasserstoff in Verbindung mit der Brennstoffzelle oder E-Fuels in Betracht kommen. "Angesichts des niedrigen Wirkungsgrades und eingeschränkter Mengengerüste solcher Alternativen wird dagegen der batterieelektrische Antrieb den Pkw-Bereich dominieren – er ist die zukunftsweisende Technologie."
Was ist nötig, um die Verkäufe von Elektro-Pkws anzukurbeln?
Dreh- und Angelpunkt ist für Reindl die Fahrzeugbatterie: "Gerade im Klein- und Kompaktwagenbereich dürften kurz- und mittelfristig anstatt der bislang üblichen Lithium-Ionen-Akkus sogenannte Lithium-Eisenphosphat-Akkus eingesetzt werden. LFP-Akkus sind günstiger und damit vor allem für kleinere Fahrzeuge von Bedeutung, um die Fahrzeugpreise spürbar zu senken." Daneben gelte die Feststoffbatterie als Zukunfts- beziehungsweise Schlüsseltechnologie der Elektromobilität. Bislang sei es aber noch nicht gelungen, solche Traktionsbatterien in die Serienproduktion einzuführen.
Ähnlich bewertet die Situation CAM-Experte Bratzel: "Was wir jetzt brauchen, ist eine Wiederbelebung der Märkte mit technologisch ausgereiften und preislich attraktiven Modellen." Nur so liessen sich schwierige Käuferschichten ohne Early-Adopter-Mindset dauerhaft überzeugen. "Diese Modelle existieren bereits und stammen immer häufiger aus chinesischen Werken, was der hiesigen Industrie zu denken geben sollte."
Verwendete Quellen
- Gespräch mit Stefan Bratzl, CAM
- Gespräch mit Stefan Reindl, IfA
- kba.de: Neuzulassungen in Deutschland
- auto-institut.de: Elektromobilität
- bundesnetzagentur.de: Elektromobilität: Öffentliche Ladeinfrastruktur
- Website des Instituts für Automobilwirtschaft (IfA)
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