Ein neuer Vorschlag von Bundesverkehrsminister Wolfgang Tiefensee wirbelt eine Menge Staub auf.
Der SPD-Politiker will die Bundeszuschüsse für Bahnhöfe mit weniger als 100 Ein- und Ausstiegen pro Werktag streichen. Ausserdem sind Stationen mit aufwändigen Bahnsteigen und barrierefreien Zugängen betroffen. Hier soll die Unterstützung schon bei 1000 Ein- und Ausstiege pro Werktag wegfallen. Laufen über Strecken weniger als 1000 Reisendekilometer in 24 Stunden, dann will sich der Bund auch hier in Zukunft verweigern.
"Nach Tiefensees Kriterien müssten wir in unserem Land 53 Prozent aller Bahnhöfe schliessen. Das ist der Beweis dafür, dass unsere Sorgen begründet sind. Tiefensees Pläne sind für die Länder völlig indiskutabel", sagte Sachsen-Anhalts Verkehrsminister Karl-Heinz Daehre der "Financial Times Deutschland".
Auch von Experten wie dem Unternehmensberater Michael Holzhey hagelt es Kritik: "Solche Kriterien hat es noch nie gegeben. Gälten sie vergleichbar für den Bund, müsste er zwei Drittel der Projekte, zum Beispiel die Strecke Nürnberg-Erfurt, sofort streichen." Holzheys Firma KCW erstellte für die Länderverkehrsminister ein Gutachten, das die Vorschläge des Bundes sehr kritisch beurteilt.
Wollen die Länder trotzdem bestimmte Stationen und Strecken in Betrieb belassen, dann bleibt ihnen nur eine Alternative: Sie müssen die Bahn oder einen privaten Konkurrenten beauftragen und dem Anbieter eine angemessene Verzinsung zusichern. Das heisst, dass die Länder eventuell entstehende Verluste selbst tragen müssten.
Hintergrund der Diskussion ist die geplante Bahn-Privatisierung. Bahnchef Hartmut Mehdorn will mit einem gut geschmierten Unternehmen und rosigen Zukunftsaussichten an die Börse gehen. Da würden verlustbringende Strecken und Bahnhöfe nur stören. Bereits seit 1994 bastelt Mehdorn an der ehemaligen Reichsbahn und der Bundesbahn, um sie wirtschaftlich fit zu machen.
Erst im Juli 2007 hatte das Bundeskabinett den Weg für die private Eigenständigkeit geebnet. Nach dem Beschluss darf die Bahn bis zu 49 Prozent ihrer Anteile an die Börse bringen. Nach internen Plänen des Verkehrskonzerns sollen zu erst die Beteiligungen in die Hände grosser institutioneller Anleger gelangen. Für später ist auch der Aktienverkauf an Klein-Anleger geplant, in so genannten Streubesitz.
Nach dem Beschluss des Kabinetts wird die Bahn 15 Jahre lang das Schienennetz betreiben und damit auch bilanzieren können. Danach geht die Infrastruktur wieder an den Bund zurück. Obwohl das Netz der Bahn für viele Jahre gehören soll, verpflichtet sich der Bund in dieser Zeit 37,5 Milliarden Euro zu investieren - zu Lasten der Steuerzahler. Jetzt will Tiefensee aber erst einmal die unrentablen Strecken und Bahnhöfe loswerden, auf dass Bahn und Bund besser dastehen.
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